Nachrichten vom Höllenhund


Roßbacher
11. September 2009, 17:42
Filed under: - Belletristik | Schlagwörter:

 Verena Roßbacher:
Verlangen nach Drachen

 Ein Reigen. Eher eine Achterbahn. Der Wurlich, der Lenau, der Stanjic, der Kron, der Teupel, alle umschwirren sie die Klara, alles Männer am Rande des Nervenzusammenbruchs – oder darüber hinaus. Die Klara wandert von einem zum anderen, will aber doch keinen, bis sie am Schluss verzweifelte Bittbriefe schreibt. Das ist ziemlich dick aufgetragen und erträglich eigentlich nur, wenn man es im Zusammenhang des auch sonst grotesken Romangeschehens sieht.

Wiener Schmarrn, Hauptort der Handlung ist das Café Neugröschl, das die meiste Zeit geschlossen, vielleicht eine Autowerkstatt und doch immer gut besucht ist. Jedes Kapitel verliert sich im Delirium. (Die Sprache macht da mit.) Frau Teupel veranstaltet Erdbeersaftparties in ihrer zum botanischen Garten gemachten Wohnung; Kron schläft bei den Schafen; Stanjic friert die Haare der Geliebten in Eiswürfelbehältern ein und und und … Das Buch strotzt von skurrilen Situationen.

  Die Tür zur Küche wurde aufgestoßen, Neugröschl erschien hinter der Theke, strich Frufru über den Kopf, schaute im Lokal herum, näherte sich dem Tisch.

Was gibt’s, fragte er Klara, er stopfte das Geschirrtuch in die Schürze.

Der Herr hat Kaiserschmarrn mit Kompott bestellt, sagte Klara, und ich hab ihm Zwetschgenröster gebracht.

Und, sagte Neugröschl, starrte auf den Schnauz.

Er sagt, Zwetschgenröster ist kein Kompott.

Neugröschl stemmte die Hände in die Hüften, blickte dem Schnauzbart ins Gesicht, musterte dann jeden Einzel­nen in der Runde, rundherum verebbten die Geräusche.

Das haben Sie wirklich gesagt? Herr Neugröschl bück­te sich über den Tisch und näherte sein Gesicht dem des Mannes mit Schnauz bis auf wenige Zentimeter.

Selbstverständlich, der Mann ruckelte ein wenig mit dem Stuhl, schob die Ärmel hoch, wieder runter. Frufru hatte sich vorsichtig genähert, setzte sich.

Sagen Sie’s noch einmal, sagte Herr Neugröschl leise.

Der Mann zögerte, er schob die Ärmel hoch, in dem Lokal war es totenstill jetzt, er räusperte sich.

Zwetschgenröster ist kein Kompott, sagte er.

Neugröschl langte unvermittelt über den Tisch, packte ihn am Genick und versetzte ihm eine Ohrfeige.

Er warf den Schnauzbart auf seinen Stuhl zurück, wischte sich mit dem Geschirrtuch über die Stirn.

Zahlen brauchen Sie nicht, sagte er, Sie sind mein Gast.

Neugröschl drehte sich um, in dem Lokal hätte man hö­ren können, wie dem Oberkellner eine Haarsträhne ver­rutschte, die Gäste duckten sich ängstlich über ihren Tellern, Frufru äugte gemütlich in die Runde.

Neugröschl schaute in ohnmächtiger Langsamkeit in dem Lokal herum. Es sind noch ein paar da, sagte er warnend zu den Umsitzenden, die sagen, Zwetschgenröster ist kein Kompott. Er schüttelte das Geschirrtuch, aber ich kenn sie alle!

Neugröschl stampfte in Richtung Küche zurück, warf die Tür mit einem Fußtritt auf, verschwand.

Teupel pulte aus dem Apfelstrudel die Rosinen, reihte sie an den Rand des Tellers. Sekunden verstrichen, Stunden, das Lokal, die Gäste, versteinert, der Oberkellner klatschte zweimal in die Hände und durchquerte mit einem Tablett, groß wie ein Taschentuch, das Lokal.

Rundherum begann man wieder zu flüstern, am Stamm­tisch erhob sich schüchternes Gemurmel, der Mann mit Schnauz befühlte seine Wange. Ein Unikat, sagte er in die Runde, bei dem Herrn Neugröschl weiß man einfach, was man hat. Frau Teupel reichte ihm ein Erfrischungstüchlein aus ihrer Handtasche, er riss die Packung auf, drehte sich ein wenig auf dem Stuhl.

Da sitzt jeder Satz, sagte er zu Frau Teupel, er presste das Tüchlein an die Wange, ein echtes Original, der Herr Neugröschl, das ist der Stoff, aus dem Legenden sind, er drehte sich wieder zu seinen Tischgenossen, das wird man sich noch erzählen, rief er, wie mir der Herr Neugröschl eine gelangt hat, sagenhaft! Sie stießen mit den Kakaotassen an, auf den Poldi, rief einer, auf den Poldi, man lachte, zahlen brauchen Sie nicht, rief der Poldi, Sie sind mein Gast, der Stammtisch johlte, Wahnsinn! Sie sind mein Gast! 

Beim Lesen hab ich mich gefragt, ob das ernst gemeint sein kann. Muss es nicht, ist es wohl aber doch. Ungewohnt auch, dass eine Frau – die doch sonst so ernst und lebenstüchtig sind – sich so dem Grotesken verschreibt.

Durchaus lesenswert und unterhaltsam.

+2

http://www.perlentaucher.de/buch/31600.html

 

Verena Roßbacher liest eine Viertelstunde aus ihrem Roman bei

zehnseiten.de

 

 


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