Nachrichten vom Höllenhund


Pelewin
21. November 2009, 21:04
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Viktor Pelewin:
Das fünfte Imperium: Ein Vampirroman

Kein Buch für mich. Pelewin, heißt’s, ist ein Kultautor, einer der erfolgreichsten russischen. In den Beschreibungen und im Klappentext steht, es sei oberflächlich ein Vampirroman, die zwei wesentlichen Künste, die ein Vampir in Vollendung beherrschen sollte, seien „Glamour und Diskurs“. „Und was sich daraus ableitet, ist Macht.“ – Das hört sich modern an. Eine Abhandlung über das neue, mit glamourösem Lack überzogene, innerlich in seinen Machtstrukturen gleich gebliebene Russland, versetzt mit einem Schuss Diskurs – das hätte mich schon interessiert. Gelesen aber habe ich eine verschnörkelte, endlos zerdehnte Geschichte über die Ausbildung eines jungen Mannes zum Vampir, wobei mir junger Mann und Vampir gleichgültig geblieben sind. Anspielungen gibt’s zuhauf, worauf sie anspielen, weiß ich nicht, vielleicht auf russische Zustände, vielleicht auf die Modernität der Welt, vielleicht auf nichts. Literatur als Selbstzweck, möglicherweise selbstreferenziell, vielleicht auch hohl. Jedenfalls kommt mir das so vor. Es kann ja auch sein, dass mir die nötige Bildung fehlt, kann sein, auch die Jugend. Da sich nichts getan hat, hab ich auf Seite 200 (immerhin!) aufgehört zu lesen. Von Glamour oder gar Diskurs war immer weniger zu finden.

 Ich hatte zu dem Zeitpunkt schon Termini und Konzepte in ausreichender Zahl geschluckt, um das Gespräch auf passablem Niveau fortführen zu können.
» Wie ließe sich dann das zentrale Ideologem des Glamours formulieren?«, fragte ich.
»Ganz einfach«, sagte Jehova. »Verkleidung! Verkleidung?
»Jawohl. Wenn man den Begriff etwas weiter fasst. Verkleidung meint auch den Umzug von der Kaschirka auf die Rubljowka und von da nach London, die Verpflanzung der Haut vom Gesäß ins Gesicht, den Geschlechtswandel und alles so etwas. Auch der ganze zeitgenössische Diskurs lässt sich als Verkleidung sehen – beziehungsweise als permanente Neuverpackung der paar Themen, die für die öffentliche Diskussion zugelassen sind. Darum sprechen wir davon, dass der Diskurs eine Spielart des Glamours ist, und ebenso umgekehrt. Kapiert?
»Klingt nicht gerade romantisch« , sagte ich. »Was dachtest denn du?«
»Ich dachte, Glamour verheißt Wunder. Sie sprachen selbst von der ursprünglichen Bedeutung des Wortes: Zauberei. Ist es nicht das, was man sich davon verspricht?
»Glamour verheißt Wunder, so ist es«, sagte Jehova. »Und diese Verheißung maskiert den Umstand, dass das Leben ganz ohne Wunder vonstatten geht. Verkleidung und Maskerade sind mehr als nur Technologie, sie sind der einzige reale Inhalt – von Glamour ebenso wie von Diskurs.
»Glamour kann die Verheißung des Wunders also unter keinen Umständen einlösen?
Jehova dachte einen Moment nach.
»Doch, unter Umständen schon.«
»Welchen?«
»Na, zum Beispiel in der Literatur. «
Das erstaunte mich. Literatur hätte ich für die unglamouröseste Veranstaltung gehalten, die man sich vorstellen konn­te. Und Wunder hatten dort, soviel ich wusste, schon seit Jahren nicht mehr stattgefunden.
»Der Schriftsteller von heute«, erklärte Jehova, »wenn er einen neuen Roman abschließt, verbringt ein paar Tage über einem Packen Hochglanzjournale und platziert in seinem Text eine Anzahl teurer Auto- und Krawattenmarken sowie Restaurants, was dem Buch einen gewissen High-Budget­Abglanz verleiht. «
Ich erzählte Baldur davon und sagte: »Jehova sieht darin ein Beispiel für ein Glamourwunder. Was ist daran wunder­bar? Das ist doch eine triviale Maskerade.«
»Du hast noch nicht verstanden«, sagte Baldur. » Das Wun­der vollzieht sich nicht am Text, sondern am Autor. Anstelle des Ingenieurs der menschlichen Seelen haben wir nun einen zum Nulltarif arbeitenden Werbeagenten. «

Die Popromane verraten sich schon auf den Büchertischen. Mit grobem Pinsel aufgeschriebener Titel, diesmal auf blutrotem Cover. Vorsicht. Stellenweise geschwätzig.

2006         400 Seiten

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