Nachrichten vom Höllenhund


Enright
25. Januar 2010, 19:58
Filed under: - Belletristik | Schlagwörter: , , ,

Anne Enright: Alles, was du wünschst

Mein Leben war zu kurz, um Kartoffeln zu kochen.

Weil man was versäumt, wen versäumt, das Glück, wenn man sich mit den Banalitäten des Alltags beschäftigt. Man isst dann lieber Fast-Food. Und stellt im Rückblick fest, dass das Glück, das Leben auch mehr dem Nebenher-Essen glich als glücklichem Gemüse, aber dann ist es zu spät. Man schaut in den Spiegel und kennt sich nicht mehr.

Zwischen 20 und 50 liegt das Leben. Mit 20 ist man naiv und vielleicht verliebt und erwartet die ersten Kinder, mit 50 sind die Kinder aus dem Haus und die alten Eltern erwarten jetzt die Fürsorge – auch sie undankbar – oder sterben gerade oder sind gerade gestorben… Über die dreißig Jahre abnehmender Illusionen zwischen 20 und 50 erzählt Anne Enright. Für ein Leben im Glück reicht das Geld nicht, ist die Arbeit zu viel, hat man den falschen Mann geheiratet – bzw. hat überhaupt geheiratet. Die Kinder waren ihre Zukunft, weil man die eigene bald verloren gab. Enright erzählt – bis auf eine Geschichte – aus weiblicher Perspektive, denn die Männer sagen ja nichts, legen sich nicht fest, auch nicht im Bett, übernehmen die Kinder mal zum Eisessen, stören sonst eher. Doch auch die Nicht-Geheirateten sind bloß Surrogat, Material für verwischte Träume ausgelöst von einem sehnend gedeuteten Blick oder Geräusch oder einer eher zufälligen Berührung. Auch der Urlaub oder das Ausland verlagern nur den Alltag, werden nicht zum Höhepunkt, sondern ertragen und abgehakt. Enrights Frauen wissen das, sie kommen damit zurecht. Dass sie Irinnen sind, macht die Geschichten verwurzelter, bodenstämmiger, handfester, oft durchaus derb.

So, jetzt bin ich also verheiratet, was immer das bedeutet. Ich glaube, es bedeutet, dass ich nun Bescheid weiß. Da ich ab sofort in diesem Haus mit den langweiligen Blumen und mit den von Efeu berankten Mauern wohne, weiß ich, dass ich Fintan nicht nur »fast« geliebt habe – ich habe ihn geliebt. Punktum. Und ich kann nichts dagegen tun – gegen die Tatsache, dass ich ihn jahrelang geliebt habe, ohne es zu wissen. Gar nichts wusste ich. Ich schlafe ganz entspannt neben meinem Gatten, meinem gierigen alten Mann. Denn irgendwie hat er recht- Fintan hat immer irgendwie recht. So viele von den Männern, denen man begegnet, sind tot. Einige von ihnen sind auf nette Art tot, andere einfach nur tot. Das macht sie leicht verführbar. Das macht ihre Verführung gefährlich. Sie schenken einem ihre weiße Blindheit. So ist es leicht, neben ihm unter den Laken zu liegen und nicht viel nachzudenken.

Im Original heißt das Buch „Taking Pictures“, Schnappschüsse, mit ähnlichen Motiven, manche liebevoll lakonisch mit den Schicksalen spielend, manche etwas verwackelt, auf einigen ist nicht viel zu erkennen. Trotzdem leicht und schnell gelesen. „Anne Enright enttäuscht potentielle Leseerwartungen systematisch: Statt erfolgreichem Sex ergibt sich lediglich „ein zielloses Rumgemache“ […] Die betrogene Gattin aus „Bis zum Tod der jungen Frau“ verachtet ihren fremdgehenden Ehemann nicht nur nicht, sie hat sogar Mitleid mit ihm.“ (Margret Fetzer in der FAZ)

2008                 260 Seiten

2

Anne Enright: Das Familientreffen


Kommentar verfassen so far
Hinterlasse einen Kommentar



Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..



%d Bloggern gefällt das: