Audrey Niffenegger:
Die Frau des Zeitreisenden
Clare ist anfangs 6 und sie altert, wie es sich für die Frau gehört, ohne Sperenzchen vor sich hin, bis sie die 80 überschreitet. Henry ist eigentlich 8 Jahre älter als Clare, er hüpft in seiner Zeit aber wie bei einer Springprozession, macht jedoch keine allzu großen Sprünge, denn er muss, A.N. will es so, immer im Anziehungsbereich von Clare bleiben. Auch örtlich bleibt er Clare erhalten, denn wie es A.N. so will, manifestiert er sich nach seinen Hupferern stets in ihrer Nähe, mal auf einer Wiese, mal auf und in ihr. Und dabei immer nackt, denn seine Kleider kann er nicht mitnehmen.
Damit man weiß, wann er gelandet ist, holt er sich dann immer ein trendiges T-Shirt, denn seine Zeitfenster sind ja nicht so groß wie bei früheren Zeitreisenden, die mal beim Bau der Pyramiden auftauchten, mal beim Laternisieren französischer Könige, mal auch bei sich selbst. Da Henry zeitlich und örtlich im Rahmen seiner Lebensdaten bleibt, ändert sich nicht viel. Solange Clare klein ist, spiegelt sie sich in ihren Märchenprinz-Teeny-Träumen und -Problemen. Interessant finde ich das nicht, das ist alles aus den einschlägigen Filmen mehr als bekannt.
Zeitreisen stellen die Erzählung vor ein unüberwindliches logisches Problem und beziehen aus dem kreativen Umgang mit dieser Logik ihren Reiz. Stanislaw Lems Ijon Tichy etwa holt sich auf seinen Timeloops selbst ein und kommt mit sich in Streit. Das ist originell und lustig. Bei A.N.s Spiel bleibt die Idee Selbstzweck, Logik spielt eine Nebenrolle – was ja auch nichts ausmacht -, erzählt aber wird die übliche Teeny-Sich-Vor-Sehnsucht-Verzehrende-Frau-Geschichte: Warum geht er fort? Wann kommt er wieder? Kriege ich ein Kind von ihm? Die Zeitsprünge werden zum Ornament, sorgen allenfalls für wenige nette Gimmicks: Love-Story mit Zeitreise-App. Andeutungen, man müsse Zeit auch anders als mechanisch erleben können, sind letztlich ebenso aufgesetzt wie die „Erklärung“ von Henrys Eskapaden als Gen-Defekt.
Wenn man jünger wäre, könnte man die Absencen des Mannes vielleicht auch psychologisch lesen: Wird die Situation unangenehm, macht er die Fliege, hier nicht nur mental, sondern somatisch. Mädchen werden so etwas wohl gerne lesen, weil sie die Sache ja kennen. Erzählt wird abwechselnd aus der Perspektive von Clare bzw. Henry, wobei mir – auch wegen der vielen Dialoge – fast kein Unterschied auffiel. Es gibt einige Bildungseinsprengsel (Mittelschicht), vorangestellt ist ein Rilke-Gedicht. (Lady Gaga?) Und es zieht sich.
Das Film-Plakat enthält den Extrakt des Buches.
2003 – 540 Seiten
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