Edgar Rai: Nächsten Sommer
Was ich noch nicht gekannt habe: den Buchtrailer. Kein unverständlicher Mix aus den Bildern, die gibt es ja nicht, aber auch keine Bebilderung des Inhalts. Hier sind es Stimmungen zum Thema, Mediterranes, Meer und VW-Busse, die aufs Lesen vorbereiten sollen – oder das Lesen ersetzen?
Was ich gut finde, aber noch nicht gefunden habe, sind Soundtracks zum Roman. Nicht immer hat man die Cat Power-Version von „New York New York“ oder das Album von Jack Johnson, das im VW-Bus läuft. Man kann sich das alles herunterladen, aber die Verlage könnten doch bei den Kompilationen helfen und vielleicht würde es dann auch noch ein bisschen günstiger.
Apropos Jack Johnson. Das mag zwar zur Stimmung passen, aber nicht zur Zeit. Denn „Nächsten Sommer“ gehört als Roman wie der VW-Bus und seine Besatzung in die Siebziger. Drei Berliner Jungs brechen auf in den Süden, weil einer von ihnen ein Haus in Südfrankreich geerbt hat. Unterwegs lesen sie ein paar Frauen auf, bestehen ein paar Abenteuer in Schluchten und bei Verfolgungsjagden und fragen sich gegenseitig und selbst, wie das denn so ist mit dem Leben und seinem Sinn, was sie machen wollen und wer sie sind? Eine road-novel halt, eine neue, aber arg vertraut. Der stark schüchterne Bernhard, der coole Marc, Felix, der nicht viel sagt, aber meist fährt, schöne Frauen, die letztlich doch unverstanden und unverständlich sind. Und der VW-Bus, der nach und nach nur noch vom Gaffa-Band gehalten wird.
Natürlich sind Reisen in den Süden schön, mit all den Düften und Cafés und Sehnsüchten. Rai erzählt das anschaulich, sommerlich, in kurzen Kapiteln, manchmal originell. Er verzichtet auf das Happyend und mischt ein bisschen Wehmut zu.
Zoe hält die Augen geschlossen. In ihr Lächeln schleicht sich Wehmut. Doch ein Tropfen Wehmut ist ja allem Schönen beigemischt. Auch für sie ist die Reise zu Ende. Nur ich werde bleiben. Das ist mir letzte Nacht klargeworden. Außer mir haben alle etwas, das auf sie wartet: eine Beerdigung, ein neues Leben, ein Job, der nächste Auftritt. Auf mich warten eine Katze, die sich seit fünf Tagen von Achmed füttern lässt, sowie ein autistischer Junge, von dem ich nicht einmal weiß, ob er weiß, wer ich bin. Ich möchte Zoe sagen, dass es okay ist, dass Glück nie von Dauer ist, doch dass jetzt und hier alles an seinem Platz und genau so ist, wie es sein soll. Und mehr kann man vom Leben nicht erwarten.
»Danke«, sagt Zoe und schmiegt ihren Kopf an meine Brust.
Ein Roman, wie aus einer alten Zeit. Und es gibt ja immer einen „nächsten Sommer“.
2010 235 Seiten
15 Minuten Vorleseprobe des Autors bei „zehnseiten.de“
Edgar Rai hat den Roman zum Film „Die fetten Jahre sind vorbei“ geschrieben. Auch beim Aufbau-Verlag.
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