Hettche
Thomas Hettche: Die Liebe der Väter
Peter, etwa 50, ist vor fast 14 Jahren Vater geworden, eher zufällig, die Beziehung zu Annikas Mutter Ines verlief sich nach zwei Jahren in Dauerstreit. Jetzt ist Sylvester und damit ein Fest der Familie – „Ferien heißt, Familie spielen“ – und Peter nimmt seine Annika mit nach Sylt in ein Ferienhaus, wo sie auf andere Paare und Kinder stoßen und versuchen, sich mit diesen in Gemeinsamkeit zu üben. Auf Sylt vereinigen sich weite Strandlandschaften und atmosphärisches Wetter, was der Ich-Erzähler Peter ausführlich beschwelgt, weil er sich gut mit den Sandpflanzen auskennt und auch weil es ihn an seine Kindheit erinnert und weil er gerne Jon Banville liest und weil sich in dieses real-kitschige Ambiente die Botschaft schön platzieren lässt.
Die Nacht glänzt wie lackiert zwischen schütterem nachtweißem Gespinst, das gerade dabei ist, sich zu lichten. Darunter tastet der kalte Lichtstrahl des Leuchtturms ruckartig über die Dünenlandschaft, versinkt in ihren Mulden und legt temporäre Aureolen um die Höhenlinien des Sandes, verfängt sich in den bleichen Büscheln des Strandhafers, in Sandsegge und Hagebutte, stolpert und tastet immer weiter und, immer wieder, hinaus aufs Meer. Diesen Geruch nach dunklem Salz hatte ich ganz vergessen; so lange war ich nicht mehr hier. Irgendwann hört das Klirren der Messer und Gabeln im Besteckkorb des Geschirrspülers auf, und ich bemerke in der plötzlichen Stille, daß der Wind ein seltsam hohles Klacken und Schaben aus dem Dunkel heraufträgt, als schlügen und rieben Äste unentwegt aneinander, dünne, morsche Äste, und als ich mich hinausbeuge, meine ich im nachtschwarzen Dünental unterhalb des Hauses tatsächlich eine irisierende Bewegung wahrzunehmen, unangenehm bleich. Warum bin ich mit Annika gerade hierhergekommen? Was suche ich denn? Etwas in Susannes Gesicht erinnert mich an etwas. Ist die Sehnsucht, daß einmal alles gut sei, so groß? Fröstelnd plötzlich, schließe ich leise das Fenster, froh, jenes Scharren und Schaben nicht mehr zu hören, und auch diesen niemals aussetzenden Wind nicht mehr, ganz vergessen hatte ich sein zehrendes Zerren, sich plusterndes Wabern und Heulen.
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Kritiken bei Perlentaucher Auseinandersetzung mit Buch und Thema bei single-generation Buchtrailer, Hettche-Lesung und Leseprobe bei Kiepenheuer & Witsch Lesung des Autors bei “zehnseiten.de” Wikipedia-Artikel zum Sorgerecht (nicht alles ganz aktuell)
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