Wolfgang Herrndorf: tschick
„’Tschick’ ist ein Buch, das einen Erwachsenen rundum glücklich macht und das man den Altergenossen seiner Helden jederzeit schenken kann.“ (Gustav Seibt, SZ/Klappentext)
Die Altersgenossen sind 14, freunden sich, da von den anderen wenig und von den Mädels gar nicht beachtet, in der Schule an, haben somit in den Ferien nichts vor, wollen deshalb nach Süden oder in die Walachei. Maik hat Problemeltern, Tschick ist russischer Aussiedler und geschickt zumindest beim Klauen des nötigen Autos. Der Trip weg von Berlin ist der Inhalt es Buches und schon abenteuerlich – auch wenn es nicht durch Amerika, sondern durch Ostdeutschland geht. Die Jungs sind auf sich selbst gestellt, haben im Leben noch nicht viel gelernt, auch das Autofahren nicht, und stoßen auf eine Menge seltsamer Leute.
Daraus ergeben sich komische Situationen, das Wunderbarste ist aber, dass die zwei Taugenichtse eigentlich ganz nett und sympathisch sind, auch der Russe, und so durch ihre Welt voller Seitenwege kommen.
Dresden war mal ausgeschildert. Dresden lag ziemlich sicher im Süden, und da nahmen wir erst mal diese Richtung. Aber wenn wir die Wahl hatten zwischen zwei Wegen, fuhren wir nach Möglichkeit den kleineren mit weniger Autos, und da gab es dann bald immer weniger Wegweiser, und die zeigten immer nur bis zum nächsten Dorf und nicht nach Dresden. Geht es nach Burig Richtung Süden oder nach Freienbink? Wir warfen eine Münze. Tschick fand das mit der Münze toll und sagte, wir fahren jetzt nur noch nach Münze. Kopf für rechts, Zahl für links, und wenn sie auf dem Rand liegen bleibt, geradeaus. Die Münze blieb logischerweise nie auf dem Rand liegen, und wir kamen überhaupt nicht mehr voran. Deshalb gaben wir das mit der Münze bald wieder auf und fuhren immer rechtslinks-rechts-links, was ich vorgeschlagen hatte, aber das war auch nicht besser. Man sollte meinen, wenn man immer abwechselnd rechts und links fährt, könnte man nicht im Kreis fahren, aber wir schafften es. Als wir zum dritten Mal an einem Wegweiser standen, wo es links nach Markgrafpieske und rechts nach Spreenhagen ging, kam Tschick auf die Idee, nur noch Orte anzusteuern, die mit M oder T anfingen. Aber davon gab es eindeutig zu wenig. Ich schlug vor, nur noch Orte mit einer Primzahl als Kilometerstand zu nehmen, aber bei Bad Freienwalde 51 km bogen wir gleich falsch ab, und als uns das auffiel (drei mal siebzehn), waren wir schon wieder sonst wo.
Endlich kam die Sonne durch. In einem Maisfeld gabelte sich der Weg. Nach schräg links ging es endlos auf Kopfsteinpflaster, nach rechts endlos auf Sand. Wir stritten, welcher Weg mehr nach Süden zeigte. Die Sonne stand nicht ganz in der Mitte. Es war kurz vor elf.
«Süden ist da», sagte Tschick.
«Da ist Osten.»
Wir stiegen aus und aßen ein paar Schokoladenkekse, die schon zur Hälfte geschmolzen waren. Die Insekten im Maisfeld machten einen ungeheuren Krach.
„’Tschick’ ist ein Buch, das einen Erwachsenen nicht unglücklich macht, das er aber auch nicht lesen muss, weil er schon mehr solche Bücher gelesen hat, und das jüngere Genossen (Klasse 9) lesen werden, weil sie ja auch gern Auto fahren möchten und weil es flott und schnoddrig geschrieben ist. Nach flapsig komischem Beginn wird der Roman sogar ein bisschen melancholisch und anstatt der schicksigen Tatjana erscheint auf einer Müllhalde Isa Schmidt.
2010 250 Seiten
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