Nachrichten vom Höllenhund


Barbéris
22. Dezember 2010, 15:01
Filed under: - Belletristik | Schlagwörter: ,

Dominique Barbéris:
Eine Frage von Glück oder Zufall

Ein Herbst der fallenden Blätter, Spaziergänger, Schulkinder und Verliebte auf den sandigen Levées der Loire, Friedhof und Villa nur durch den Weg getrennt, Nieselregen natürlich, schwebende Spannung. Und dann fällt ein Schuss. Die Tote ist das Mädchen von Boulaye, heimgekehrt, fremd geworden.

Trotz des Mordes ist „Eine Frage von Glück oder Zufall“ – wieder mal Gelegenheit, sich über den Titel zu wundern; das Original „Quelque chos à cacher“ ist auch nicht viel besser – kein Krimi, weil die Spannung weniger der Aufklärung oder den Motiven entspringt, sondern dem Ungewissen, den Andeutungen, dem Sphärischen der französischen Provinz. Der Reiz liegt darin, dass der Ich-Erzähler, einer, der hätte Maler werden wollen und jetzt im Museum seines Heimatortes arbeitet und in einer Scheune abseits des Ortes malt, sich seltsam vage als beteiligt und außenstehend zeichnet. Kommissar Massonneau berichtet ihm detailliert von seinen Ermittlungen, wer mehr weiß, bleibt lange ungewiss. Die Sprache ist teils etwas holprig, einsilbig, doch das kann auch dem Maler zugeschrieben werden, der mehr beobachtet und sieht als er sagen kann – oder will.

Der Regen hatte deutlich nachgelassen; nur noch ab und zu ein leichtes Nieseln, zur Entspannung wollte ich die Levees entlanglaufen. Nieselregen, das ist hier üblich, normal, wenn man sich davon einschüchtern lässt, kann man im Herbst nichts mehr machen.
Ich hatte helfen müssen, Kisten und Rahmen ins Ma­gazin zu schleppen, vermutlich war das der Grund dafür, dass ich etwas kurzatmig war. Mehrfach sagte ich mir: ein elender Tag. Es gibt diese Tage, an denen alles verkehrt läuft.
Ich ließ N. hinter mir und ging knapp einen Kilometer an der Departementstraße entlang, dabei lief ich ständig auf der Böschung. Der Wind wehte kräftig, es war stock­finster. Ich glaube, etwas war stärker als ich. Ich nahm den Weg über die Levees. Kam direkt an der Villa La Boulaye vorbei. Ich wollte Gewissheit haben. Das Haus steht zu­rückgesetzt am Ende einer Allee; der untere Teil der Au­ßenwände ist von Farnkraut überwuchert. Einige Läden an der Vorderseite standen offen. Durch die Bäume sah ich hinter den beiden Fenstern im Erdgeschoss Licht. Ich hatte mich nicht geirrt, es war tatsächlich das Mädchen von La Boulaye gewesen.

Schließlich machte ich kehrt, das Kraftwerk lag hinter mir, und ich ging das Stück Weg entlang, das ganz in Fins­ternis getaucht war. Noch immer fielen viele Blätter auf das aufgeweichte Laub, das bereits den Boden bedeckte. Man hätte meinen können, dass dieser Regen den Herbst beschleunigt hatte.

Worte eines Malers. “Sicher ist nur, dass man das Interesse an Dominique Barbéris‘ deutschem Debüt auch dann nicht verliert, wenn längst klar zu sein scheint, dass dieser Roman viel zu kunstvoll gebaut ist, um sein Rätsel mit der plumpen Präsentation eines Täters preiszugeben.” (Hans-Jost Weyandt, Spiegel)

2007          180 Seiten

2-3

Leseprobe bei dtv


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