Nachrichten vom Höllenhund


Koch
9. April 2011, 11:32
Filed under: - Belletristik | Schlagwörter:

Herman Koch: Angerichtet

Das Taschenbuch-Cover schreckt ab, aber die Büchergilde Gutenberg hat das Buch ins Repertoire aufgenommen und bewirbt es so: „Angerichtet ist ein aufwühlender Roman, der lange nachhallt. Ein starkes Stück Literatur.“

Paul Lohman und seine Frau Claire treffen sich in einen Edel-Restaurant mit Pauls Bruder Serge, dem zynisch-prolligen Politiker – „ein ungehobelter Arsch“ -, und dessen Vorzeigefrau Babette. Sie haben etwas zu besprechen. Die Kinder der beiden Familien haben im Suff eine Pennerin angezündet. Bisher haben die Elternpaare anscheinend noch nicht darüber gesprochen, doch jetzt ist zu erwarten, dass die Tat durch ein Video bei Youtube öffentlich wird und damit die Kinder am Pranger stehen. Die Frage, wie man mit einer solchen Tat umgehen soll, ohne seine Kinder zu verraten und auch ohne sich selbst zu kompromittieren, ist interessant. Aber sie interessiert den Autor Herman Koch nicht. Er wählt Paul Lohman als Erzähler, doch der erweist sich nach wenigen Seiten als so heuchlerischer Kotzbrocken, dass alles andere zur Farce und damit das Thema verschenkt wird. Es gibt wohl Leser, die mit Paul lachen, wenn er, um sich sozial aufzuhöhen, arrogant schnöselig alle anderen Personen als Deppen zu entlarven meint.

Ein Roman muss keine Moral haben, aber er könnte einen Standpunkt beziehen, damit man weiß, weshalb man ihn liest. Herman Koch entlarvt nichts, auch nicht „die Dehnbarkeit der Moral“ (Oliver Jungen, FAZ), weil ihm alles wurscht ist. Dutzende von Seiten füllt er mit bescheuerten Auslassungen über das Restaurant und seine Fachkräfte und die Speisenkarte, über misslingende Handy-Kommunikation, mit der pathologischen Bescheuertheit des Schläger-Vaters Paul. Das hat für mich nichts von „hintergründigem, schwarzem Humor“, auch nichts Komödiantisches (Jungen), ergibt auch kein „scharf konturiertes Bild der niederländischen Gesellschaft“ (Tobias Heyl, SZ). Da könnte man auch behaupten, der Schmierenkomiker Dirkbach würde, weil Teil davon, das Dschungelcamp als degoutant bloßstellen. „Ununterbrochen reden sie in diesem Roman, in inneren Monologen, zu zweit, zu dritt zu viert. Sie flüstern, sie schreien, sie dozieren, sie schmeicheln sich bei ihrem Gegenüber ein. Gesagt wird dabei freilich nichts.“ (Heyl)

Ich fand den Roman nicht wegen der Menufolge als Konstruktionsprinzip spannend, sondern weil ich auf eine Pointe, eine Erklärung, eine Aufklärung gewartet habe. Aber sie kommt nicht, es verschnattert sich. Ärsche werden Oberärsche, Claire passt gut dazu. „Meisterhaft“, Thomas Heyl?

Auch das verstehe ich nicht: Platz 1 der niederländischen Bestsellerliste, seit 66 Wochen unter den Top 20 und über 350.000 verkaufte Exemplare allein in den Niederlanden. War 2009 einer der meistverkauften Romane europaweit. Platz 7 auf der europäischen Jahresbestsellerliste. Seit Wochen in den Top Ten der italienischen Bestsellerliste. Gewann den niederländischen Publikumspreis für „Das beste Buch des Jahres 2009“.

Was sind das für Leute, denen solcher Schrott gefällt. Für mich das ärgerlichste Buch seit langem.

 2009         310 Seiten

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