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Silvia Bovenschen:
Wie geht es Georg Laub?
Der Laub ist gefallen, aus seiner Schriftstellerwelt – es gibt noch Bücher von ihm – in ein ererbtes Loch von Wohnung. Georg Laub will sich der Welt entziehen, da sie ihm zu platt, zu schwachsinnig, zu vergoogelt, zu unliterarisch geworden ist. „Er, Georg Laub, war ein Auslaufmodell.“ Er kappt die Verbindungen, schneckt sich in das verschrobene Häuschen, sein Motto nennt er “Verkargung”.
Ein bißchen Mobilität in der großräumigen Stadt, die er kaum kannte, hatte er sich gönnen wollen. Darüber hinaus hatte er sich nichts gegönnt. Nicht einmal die gewohnte exklusive Kaffeesorte. Er hatte in ein bescheidenes, sparsames Leben gefunden, hatte sich beweisen wollen, daß man im Grunde nicht viel braucht zum Leben, hatte gleichwohl erfahren müssen, daß selbst die unvermeidbare Anschaffung zahlreicher Haushaltsutensilien, von der Gabel bis zum Kehrbesen – jeweils nur das Notwendigste und das Schlichteste -, Cent auf Cent ins Geld ging. Das wußte er jetzt. Was er nicht wußte, vielmehr sich nicht eingestanden hätte: daß ihm die Verkargung inzwischen zum Bedürfnis geworden war.
Zum Stil, zum Prinzip. […]
So wie es war, gefiel es ihm.
Eine nahezu kultische Bedürfnislosigkeit.
Im Agniweg findet er ein paar – Freunde wäre zu hoch gegriffen, allesamt auf Um- und Abwegen hier angelangt, allesamt eigen und grundsympathisch, hilfsbereit und neugierig, lebenskluge und tratschsüchtige Gesprächspartner, Alida Arnold und Baumi, Bernd und Henry, Boris und Marlene, das Wirtspaar. Es passiert ja nicht viel in der „bratkartoffelgemütlichen“ Stammkneipe bei Frieda, aber die Gäste werden zu neugierig, zu aufdringlich. „Da ballte sich etwas hinter seinem Rücken zusammen. Wahrscheinlich mußte er diese Kneipe zukünftig meiden.” Als auch noch ein ehemaliger Bekannter mit seiner aufgetakelten Ex auftaucht, macht sich Georg Laub davon, „soweit man das wissen kann“.
Silvia Bovenschen, „eine der wenigen echten Intellektuellen unter den deutschen Gegenwartsliteraten“ (Oliver Jungen, FAZ) erzählt vom abnehmenden Dasein Georg Laubs und der Bekümmerung seiner neuen Begleiter mit heiterer Empathie, sie leiht Laub ihre Abscheu gegen die zirkulierende Event“kultur“.
Immer wieder hält sie das Erzählen an und stellt sich – stellvertretend für den Leser und fast chorisch arrangiert – die Frage:
Wie geht es Georg Laub?
Wie geht es eigentlich Georg Laub?
Er wirkt erleichtert.
Warum ist er erleichtert?
Vermutlich, weil dieser Fremde endlich gegangen ist.
Wer war das?
Eine Gestalt aus seiner Vergangenheit vielleicht.
Könnte es sein, daß ihm Einbrüche aus einer Zeit, die er nicht mehr wahrhaben will, unangenehm sind?
Ja, das könnte sein.
Ist Georg Laub intelligent genug, um zu wissen, daß man seine Vergangenheit nicht ablegen kann wie einen alten Mantel?
Doch ja, wahrscheinlich weiß er das. Er wird dieser Vergangenheit in der Zukunft einen Raum, einen neuen Raum, eine Bedeutung, eine neue Bedeutung im aktuellen Leben zuweisen müssen, aber, wie es scheint, jetzt noch nicht, nein, jetzt noch nicht.
Er hat anderes zu tun?
Ja. Jetzt muss er sich häuten, alles mögliche wegschaffen …
Denkt er so? Fühlt er so? Agiert er so?
Vielleicht. Vermutlich. Doch ja.
Müßte man sich mit diesem Besucher beschäftigen?
Nein, vorläufig nicht, eine Nebenfigur.
Was tut Georg Laub im Moment?
Er geht auf und ab. Ruhelos. Jetzt bleibt er stehen. Er hat etwas auf der Straße gesehen. Er eilt zum Fenster.
Was sieht er da?
Die Frau.
Ach so.
Wie in ihrem Roman „Wer Weiß Was“ die 4 Außerirdischen gibt es die Außeninstanz von 4 Apokalyptikern, die rätselhafte Briefe hinterlassen, Laub in abseitige Berliner Lokalitäten bestellen, ihn schließlich heimsuchen und ihn zwingen, sich ihre Tiraden anzuhören. Aber vielleicht ist auch das Teil von Laubs Plan, der Welt abhanden zu kommen, vielleicht ein weiteres Moment des Bovenschen’ Vexierspiels. Man kann das nicht wissen. „Ach so“.
2011 285 Seiten
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