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Ludwig II. – nach Luchino Visconti
Einen verkargten Ludwig zeigen die Kammerspiele, nicht 1,93m wie das Original, sondern auf auf menschliches Maß geschrumpft, nicht im Hermelin, sondern in Hemd und Hose, nicht II., sondern Ludwig. Auch die Bühne ist reduziert, nicht mehr als ein Stuhl und eine Kammer, ein Kubus, nur innen die prachtvolle Tapezierung. Man späht durch die Tür, aber auch drinnen kein Luxus, nur Not, auf der weißen Außenwand Public Viewing.
Es geht um Ludwigs Leid. Er soll, aber er will und kann sich nicht der Staatsräson beugen, er sucht seine Freiheit, nicht in den Bergen, die malt er nur an die Bühnenwand, sondern in der „Kunst“, für die er das nationaltriefende Geklingel des „Giftzwergs“ Richard Wagner hält – wie auch der frühere Nietzsche und später Thomas Mann. Ludwig sucht die Freiheit von den Frauen, von der taffen Sisi und der verstörten Sophie; dass er schwul ist, kann er, kann niemand aussprechen, ein Coming Out gab es damals für einen König so wenig wie für einen Fußballer heute. Immerhin: Sisi gibt ihrer Schwester einen Fingerzeig, Ludwigs Beichtpater empfiehlt Dunkelheit, in der man die Frau nicht vom Mann unterscheiden würde können.
Der verkargte Ludwig leidet auch daran, dass er eine öffentliche Figur sein muss als König. Die Öffentlichkeit, die Politik bleibt aber weitgehend ausgeblendet. Im Newsticker laufen ein paar Meldungen über den Kubus, am Bühnenrand werden Diskussionen über die Entfernung Ludwigs geführt, gottseidank gedrängt, der reale Ludwig war über zwanzig Jahre König.
Die Aufführung führt – wie Viscontis Film – die zunehmende Verstörung vor, erklärt aber nichts. Das ist mir zu wenig, als pathetischer Fall ohne bajuwarischen Zierrat ist Ludwig nicht interessant genug, ein Fall fürs Musical und die Guglmänner.
Nichts Neues an den Kammerspielen, ein eher überflüssiges Stück. Ein paar nette Regieeinfälle, vorneweg der Kubus als Innenwelt der Außenwelt und als ganz praktische Projektionsfläche, ein Spielchen mit Sophies Bekrönung, Ludwigs Fantasien als lumineszierende Bühnenbilder – auch hier die Verkargung: der echte Ludwig war neben Wagner auch von der Technik bezaubert -, Ludwigs Abgang als betröpfelte Desillusionierung.
Als Darsteller auffällig natürlich der Holländer Jeroen Willems, ein optisch verkargter Ludwig, phänotypisch eher Robbie Williams denn sagenhaft alpenländische Dunkelgestalt. Stimmig die Wagnermusik vom Klavier und dazu Surround-Gegrummel und -Getröpfel. Zu lang auch.
Münchner Kammerspiele Aufführung am 24. Juni 2011
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