Paul Auster: Unsichtbar
Das sei postmodern, heißt es. Wenn man Perspektiven, grammatische Personen, Zeiten und Genres wechselt, de- und rekonstruiert, mit Identitäten und Bekundungen spielt, Gewissheiten ins Leere laufen lässt, das Buch im Buch im Buch versteckt. Das führe zu „poetologischen Rätseln“ (Hubert Winkels, ZEIT), „rätselhaften Episoden“ (Christopher Schmidt, SZ) und „anderen Rätselhaftigkeiten“ (Tobias Döring, FAZ). Der Reiz des Lesens liegt dann darin, sich auf die Täuschungen einzulassen, nicht die Handlung, sondern die Verpackungen zu genießen, die Mysterien zu enträtseln. Christopher Schmidt gelingt die Rückführung auf die verschachtelte Mythologie phantastisch in seiner Rezension „Als Mephisto noch Martinis trank“.
Für mich, der ich nicht so schlau bin, bleibt der Roman hohl, Blendwerk, orientierungslos. Der junge Student Adam Walker lernt den obskuren französischen Professor Rudolf Born kennen, der ihm, grundlos, Geld für die Gründung einer Literaturzeitschrift geben will. Dazu kommt es nicht, denn Walker ist dabei, wie Born in New York einen jungen Schwarzen absticht, der Geld von ihm fordert. Die Tat bleibt folgenlos, da sich Walker nicht überwinden kann, Born anzuzeigen, und als er es tut, leben beide in anderen Ländern. Born, rührselig präpotent, irrlichtert im Hintergrund des Romans, seine Doppelnatur wird nicht aufgehoben. Adam Walker beginnt Jahrzehnte später seine Geschichte aufzuschreiben, er schickt die fertigen Kapitel einem früheren Freund, der aus dem Nichts auftaucht, sich dann als Erzähler outet und Kontakte zwischen den Beteiligten herstellt. Walkers Geschichte erweist sich weitgehend als Gespinst, was aber gleichgültig ist, denn Walker stirbt, der Erzähler präsentiert die Geschichte als Buch im Buch. Dazu gibt es – phantasierte (?) – Sexszenen zwischen Walker und seiner Schwester Gwyn. Es geschieht noch einiges, was im einzelnen routiniert und schnörkellos erzählt ist, die Schnörkel liegen aber in der Ziellosigkeit. Austers Verfahren lässt das Interesse an den Personen schwinden, weil es zwar Rätsel gibt, die aber nicht mehr aufzulösen sind. Er spielt nicht mit Identitäten, sondern bloß mit der Form. „1967“, wie Walker sein Manuskript betitelt, ist eine Tüte, in der bloß Walkers Gedanken an die Einberufung zum Vietnam-Krieg stecken, vielleicht das Jahr, das Auster passend für seine Sexeskapaden scheint.
Urs Jenni im SPIEGEL: „Der bloße Gedanke an Roth oder Coetzee genügt, um einem den Abstand vor Augen zu führen, der die Kraft und moralische Leidenschaft eines großen Schriftstellers von Austers Trompe-l’œil-Künsten trennt.“
2009 315 Seiten
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