Nachrichten vom Höllenhund


Die Hermannsschlacht
15. Januar 2012, 20:22
Filed under: Theater

Armin Petras: Die Hermannschlacht
nach Heinrich von Kleist

Die Schlacht findet nicht statt. Die würde auch gar nicht in ein Drama passen. Für Kleist ist es nur wichtig, dass sie letztendlich gewonnen wurde, um seinen Hermann zu heroisieren. Das Thema ist die Suche nach Verbündeten gegen die dekadenten, aber überlegenen Römer. Wobei 1808 die Römer eigentlich die fortschrittlichen Franzosen waren, aber welsch bleibt welsch. Arminius gelingt es mit allerlei hehren Worten und effektiven Geschichtslügen nach manchen Irrläufen die Führer der anderen 15 germanischen Stämme zum Mitmachen zu bewegen, was ihn schließlich zum Hermann, zum Mythos des teutschen Volksvereinigung und zum Denkmal im Teutoburger Wald werden ließ.

Da das Drama auch eine Frau braucht, spielt auch Thusnelda mit, Hermanns Weib, aber auch dem Römer Ventidius zugeneigt, was Hermann wenig stört, da man so die Frau den Römern als blondes Reizobjekt vorlegen kann. Hermann, der Taktiker.

Als solches muss man die „Hermannschlacht“ heute nicht mehr spielen, sie ist auch erst über 40 Jahre nach der Entstehung uraufgeführt und dann von den Nazis in ihre Ideologie eingefügt worden. Kleists Stück ist auch nicht gut, da, wie oft bei ihm, ziemlich umständlich konstruiert.

Armin Petras geht an den Kammerspielen den Weg zurück. Er dekonstruiert das Geschehen, fügt auch Teile von Christian Grabbes „Hermannschlacht“ ein, wodurch das Stück aber wenig gewinnt.

Immerhin wird Hermann entzaubert. Er sitzt oft am Bühnenrand, ihm fällt nichts ein, er lässt sich von den Römern ungermanische Schuhe anziehen, schwingt hin und wieder, wenn er dazu getragen wird, kriegerische Reden, lässt sich von seiner Tussi Hörner aufsetzen, spinnt Intrigen. Die gräulichste: Er ordnet an, die getötete Cheruskerin Hally in 15 Teile zu zerstückeln, um die germanischen Stämme in den Krieg gegen die Römer zu treiben. So etwas tut man heute auch noch. – Das Schwert bedient Hermann als Luftgitarre (bizarr!), ansonsten ist er dick. Das Denkmal müsste neu gegossen werden. Mit Bauch und Zottelhemd. Am Ende stecken ihm seine Mitgermanen die Gere hinten in die Hose. Sinnbild.

Das Geschehen zieht sich, wo es hätte 10 sein sollen, war es erst Viertel nach Neun. Dem Stück ist keine Spannung eigen. Zu viele eigentlich nebensächliche Auftritte hat die große Thusnelda. Es gibt wenige der üblichen Kammerspiel-Gags. Kurz lustig das Aufeinandertreffen der gestöckelten Thusnelda mit ihrem kleinen Fettmann, da und dort ein eingestreutes Gegenwartswort in den hohen Kleistschen Text: Super!

NB: Wolf Banitzki meint, wie andere auch, „die Sprachgestaltung der Kleistschen Dramatik ist ein Höhepunkt in der deutschen Literaturgeschichte“. (www.theaterkritiken.com). Man lese selbst:

Hermann.
Behüte Wodan mich! Ergeben! Seid ihr toll?
Mein Alles, Haus und Hof, die gänzliche
Gesamtheit des, was mein sonst war,
Als ein verlornes Gut in meiner Hand noch ist,
Das, Freunde, setz ich dran, im Tod nur,
Wie König Porus, glorreich es zu lassen!
Ergeben! – Einen Krieg, bei Mana! will ich
Entflammen, der in Deutschland rasselnd,
Gleich einem dürren Walde, um sich greifen,
Und auf zum Himmel lodernd schlagen soll!

Das war schon 1808 bestenfalls antikisierend. Später wurde aus solchem Satzgespinst manch Weihespiel. Sprachtand!

Was gelungen ist, ist der Teutoburger Wald als Spielplatz, aus Schaumstoffquadern aufgetürmt von Katrin Brack. Daraus lassen sich Halden bauen und Hindernisse und Trutzburgen und Bärengehege. Die Römer haben da keine Chance, kämen da nicht durch, sie treten aber nicht auf. Das heißt sie spielen schon mit, aber als Streichquartett. Live auf der Bühne das Modern String Quartett mit römischen Bürstenhelmen und später sogar im Feinripp durch den Bühnennebel streichend.

Was allmählich nervt: die quälend gesuchten Aktualisierungen der Deuter. Der Abend „irrlichtert zwischen Ernst Jünger […] und der aktuellen Integrationsdebatte: Römer raus! Wer will, kann Stuttgart 21 erspähen oder Hartz IV.“ (Jan Küveler, Die Welt, wähnt sich in „Assoziationsgewittern“. Aber „Die Welt“ist ohnehin redundant.). Schmarrn! Die „Hermannsschlacht“ ist nicht aktuell. Punkt.

Münchner Kammerspiele     Aufführung am 13. Januar 2012


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