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Böse Buben, fiese Männer
Ein „Projekt“ von Ulrich Seidl
Sechs Männer versammeln sich in einem Kellerraum. Durch mitgeführte Hofer-Sackerl als Unterschicht markiert. Warum sie zusammenkommen, bleibt im Ungewissen. Vielleicht weil sie dem Publikum etwas vorführen wollen, vielleicht, weil sie sich von einem siebten Mann, dem Pförtner (?) vorführen lassen wollen. Männer reden nicht miteinander, zumindest diese Kellermänner nicht. Da das aber im Theater nicht gut ankommt, zumindest im Schauspieltheater nicht, reden sie zum Publikum. Dazu stellen sie sich jeweils vor, abwechselnd an die Rampe, sagen kurz, wer sie sind, rücken sich ihr Gemächt zurecht und lehnen sich wieder an die Wand. Eine Art Nummernrevue.
Eine Nullnummernrevue. Kabarettismus. Immerhin, der Pförtner trägt einen Text von David Foster Wallace (aus: Kurze Interviews mit fiesen Männern) vor. Es ist die Geschichte, wie er die Frauen mit seinem Armstummel in fünf Phasen verzaubert. Ein anderer der Männer will eine ähnliche Geschichte erzählen, wie er die Weiber fesselt. Die Geschichte ist aber Abklatsch, auch kann der Mann nicht gut erzählen und vergisst auch manchmal seine Worte. Der Mann, der sich als Ägypter vorgestellt hat, erzählt, wie er die deutschen Frauen mit seinen unbeschnittenen 22 Zentimetern zum Hobby macht und damit die Immigrationsprobleme löst. Altherrenwitze, dem Ausländer in den Mund gelegt. Der unterschichtigste der Männer speichelt von seinen Senta-Berger-Fantasien. Das ist deshalb leidlich amüsant, weil er es im verstammelten Wiener Dialekt tut, der Beutel.
Langweile macht sich breit. Um die Männerwelt ein wenig aufzulockern, lässt sie Ulrich Seidl, Projektleiter und Inszenator, zwischen ihren faden Monologen immer wieder herumhampern. Was tun denn Männer, woran kann man sie erkennen? Sie laufen, angefacht vom schrille Gepfeife des Pförtners, im Kreis, angetan mit Feinripp-Leiberln, sie machen Pfänderspiele und müssen, wenn sie verlieren, falsch Mami-Blue singen, sie schießen, also deuten sie gestisch an, dass sie schießen und zischen pffff dazu, sie tanzen in ganz verschiedenen Stilen und zeigen das. Sie lesen aus Männermagazinen vor. Sie blasen Kondome auf und lassen die Luft atonal entweichen. Nullnummern. Mich erinnert das an die Abschiedsabende im Landschulheim. Banal, hausbacken, kein Comedian darf sich solchen Mist leisten. Ja, das sollte man nicht vergessen: Die Männer, angeführt von Wolfgang Pregler, singen auch deutsche Volkslieder. Wer soll damit gequält werden? Hat das überhaupt irgendetwas zu bedeuten?
Die Zuschauer ertragen es geduldig. Es waren an dem Abend auch gar nicht viele Zuschauer da; vielleicht hatte sich herumgesprochen, was einen erwartete. Vielleicht sind die Zuschauer auch selber schuld, denn man sollte nicht lachen, wenn auf der Bühne gerülpst wird. Warum bleibt man sittsam sitzen, anstatt mitzurülpsen, anstatt die Bühne zu entern und den Projektleiter an den Pfänderspielen zu beteiligen.
„’Böse Buben/Fiese Männer’ ist eine Koproduktion der Wiener Festwochen und der Kammerspiele, die ab sofort auch dem Publikum an der Maximilianstraße zugemutet wird.“, schreibt Matthias Hejny in der Münchner Abendzeitung unter der Überschrift: „Dicke Hose, nichts dahinter“.
Unsäglich der Schluss, ein variierter Monolog von David Foster Wallace („Holocaust Whiskey“), der dem Gehampere einen Bezug zum Holocaust aufsetzt. Holocaust ist nicht zuletzt Männergewalt. Aber den Text in den Rahmen dieser bieder-grauen-Nullnummernrevue zu setzen, ist obszön. Ich bin gegangen – leider zu spät.
Münchner Kammerspiele – Aufführung am 5. Oktober 2012
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