Nachrichten vom Höllenhund


Die Dummheit
19. Februar 2013, 18:32
Filed under: Theater

Rafael Spregelburd: Die Dummheit

Das Theater als Spiel mit dem Boulevard. Vor den Kulissen verheddern sich die „Spieler“ in ihren Transaktionen. Der Blankoscheck wird zerknüllt, weil er in die falschen Hände gerät, die CDs liefern die falschen Daten, die canzone treibt zum Tanz ums goldene Kalb, forse. Nicht einmal die „Liebe“ findet ein Paar, das zusammen passen könnte. Hinter den Kulissen ist alles bis ins Detail geregelt, denn das Spiel muss funktionieren, muss das Casino bloßstellen.

Michael Frayn hat diesen New-Boulevard konfektioniert und perfektioniert. Rafael Spregelburd müht sich mit seinen Konstruktionen. Und das ist nicht wenig, denn es heißt, die Sphären der Dummheiten zu vernetzen, jeden Glücksspieler im Moment des Abtretens als Auftretenden zu präsentieren. 5 Schauspieler, 24 Rollen, Masken natürlich.

dummheit1Mehrere Personengruppen wollen mehr oder weniger reich werden. Abzocken, was ja heute common-sense ist. Schlachtfelder sind der „Kunst“-Markt, die Medien, der Zirkus der Pseudowissenschaften, ganz am Rande und kümmerlich das eigentliche Casino. Gesetzt sind Millionen, Tausende, in der Spielbank 151 Euro. Auch die Gesetzeshüter mischen mit. Zu blöd sind alle: die Dummheit. Die „Diskurse“ über den Wert verblassender Kunst sind ebenso geschwätzig wie die „Lorenz’sche Weltformel“ des entrückten Forschers Finnegan. Sie sagt „nicht nur die Zukunft voraus, sondern verifiziert auch die Vergangenheit“. Aber das viele Drumrumreden soll so sein, denn es soll die Hohlheit spiegeln. Im Kern geht’s nur um Geld, mehr Sinn brauchts nicht.

Im Programmheft steht, man müsse gar nicht nach einem Sinn suchen. Und doch stellt sich einer ein – nicht über den Inhalt, auch wenn Autor Spregelburd sein Stück als Teil der Heptalogie über die Todsünden verkauft: Hier die Habgier, die Gier nach Geld. Das Ende ist unbefriedigend, auch wenn die trashige Familie so herzig aus ihrem Balkonzimmer in die Zuschauerränge guckt. Maggie Dorsch, die moppelige Prollmutti aus dem Revier (Pina Kühr), nimmt Spregelburds Pseudomoral ernst und verdirbt damit fast alles.

Der Sinn des Stückes wird eher durch die Form kreiiert, verstärkt durch die Formung auf der Regensburger Bühne. Die Spieler wechseln die Identitäten so flott, dass der Zuschauer immer wieder getäuscht wird und auch die Spieler selbst wissen nicht immer, mit welchem Gegenüber sie es gerade zu tun haben. Amüsant das Gimmick mit dem Japaner, der im Angesicht des verblichenen Kunstwerks selbst verbleicht, und von dem der Polizist sagt, er sehe aus, wie er, der Polizist, selbst. (Beide und noch mehr: Gunnar Blume). Ein origineller Einfall, wenn die Requisiten, die sich im Verlauf des Spieles im Bad verloren haben, gesammelt wieder auf die Bühne getragen werden, ein Haufen jetzt, vernetzt.

Neu am Boulevard ist die Vernetzung der Schauplätze. Spregelburd siedelt alles im Hotel an. Die Zimmer haben mehrere Ausgänge, doch jede Tür führt zurück ins Verlies. Die Protagonisten verschieben die Türen so lange, bis sie sich ihre Wege verbaut haben. Hinter jeder Tür lauert schon einer, nicht selten man selbst. Vielleicht lauert aber die größere Gefahr in der Parallelhandlung.

Zwei inhaltlich wenig bewegende Stunden werden dank der bewegten Aufführung nicht langweilig. Da wenig Sinn vorhanden ist, stören auch die Slapstick-Szenen nicht, es hätte durchaus mehr davon geben können. Recht gut die beiden Polizisten (Gunnar Blume und Frerk Brockmeyer) in ihrer verkorksten Schwulenpersiflage, rührend die Szenen einer Annäherung nicht kompatibler Paare („Susi“ Pina Kühr und „Arnold Wilke“ Frerk Brockmeyer; er schwul, was sie nicht weiß), schwungvoll die Mafiaparodie von „Carlo Bonelli“ und „Lino Venutti“ (Gunnar Blume und  Thomas Birnstiel) mit ihrem radegebrochenen Italienisch. Noch zu erwähnen: Silke Heise als Laetitia Finnegan, Emma Zugutt, Jana Teschlein, Berta Willmersdorf – an ihrer Größe leichter zu identifizieren.

P.S. Das Theater Regensburger spielt gern die alten Titel: „A Groovy Kind of Love“ von den Mindbenders zur polizeilichen Schwulenszene: köstlich.

P.P.S. Die offene Frage: Weshalb bringt Lee Okazu Buckley, der „Japaner“, eine Rolle Stragula mit und tritt sie auf dem Bühnenboden fest – wo sie bis zum Ende der Aufführung bleibt?

Theater Regensburg – Inszenierung Florian Lutz – Bühne und Kostüme Monika Frenz
Aufführung am 16. Februar 2013


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