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Friedrich Schiller: Die Räuber
Inszenierung: Marcus Lobbes
Das Stück ist ein Missverständnis! Es wird als revolutionär gehandelt, als sei der Sturm & Drang fortschrittlich. Es ist jedoch nur ein mentales & verbales Stürmen und Drängen – der Name verspricht ja auch nicht mehr. Das Ziel aber liegt in der Vergangenheit, der Räuber Moor will den „ganzen Bau der sittlichen Welt“ restaurieren, die „mißhandelte Ordnung wiederum heilen“ und „die beleidigten Gesetze versöhnen“. Die Aufklärung wird reaktionär hintergangen, Gott und Vater wieder in ihre geraubten Rechte gesetzt. Franz Moor fordert die Individualität, die Selbstbestimmung des Menschen ein gegen die verbleichende Ordnung der Väter. Deshalb wird er zum Vatermörder, Schiller macht ihn zur Kanaille. „Ich will Alles um mich her ausrotten, was mich einschränkt, daß ich nicht Herr bin.“ „Wo steckt denn nun das Heilige?“ Für Karl ist der Vatermord die „schlimmste aller Sünden“, er will sich wieder einschmiegen können in die Geborgenheit von „Sittlichkeit“, Familie und Religion. Dafür kämpft er, dafür hat er starke Worte, dafür säuselt er gemütsgeschlagen, wobei das Vokabular sich zunehmend bei der Religion bedient.
Es ist ja generell von Übel, wenn im Theater Weltordnungen vorgeführt oder propagiert werden sollen. Das ist bei den „Räubern“ nicht anders als etwa bei Lessings „Nathan“. In Deutschland wird die Methode geheiligt, denn man kann für sich reklamieren, die „Aufklärung“ und die „Revolution“ zumindest auf der Bühne „veranstaltet“ zu haben. Von Taten wird viel gesprochen in den „Räubern“, aber man sieht sie nicht. Worte aber sind nur Surrogat, umso mehr, als sie fortwährend wieder zurückgenommen werden. Und viele Worte machen ein Theaterstück lang! Regisseur Marcus Lobbes wagt sich nicht an die entschlackenden Streichungen, er verwirbelt den Text, die Doppelrollen ersparen nichts, stören aber auch nicht weiter.
Die Inszenierung in Regensburg weiß mit dem moralischen Geschwurbel (man kann natürlich auch wie viele und wie Harald Raab von „Schillers Sprach- und Gedankenwucht“ sprechen) nichts anderes anzufangen, als die Bühne und die Figuren auf ihr kreiseln zu lassen. Das ist nicht wenig, vielleicht sogar bedacht, aber es erklärt nichts, verdoppelt das Geschwurbel nur. Die Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt, das frühbürgerliche Haus Schillers in Weimar, drumrum nicht die böhmischen Wälder, sondern der Stadtpark, das Personal wird durchgeschleust. Drinnen ist die Sittsamkeit nicht größer als draußen- umgekehrt gilt aber das gleiche. Da darf es durchaus wurscht sein, wenn die Spieler mehrere Rollen übernehmen, zwischen den Sphären der Drehbühne pendeln, rasen.
Die eigenwilligste Grenzgängerin ist Amalia. Bei Schiller eher gesuchte Randfigur, irgendwer muss ja die Liebe vertreten, muss Karl schmachten lassen, tastet sie sich hier unschlüssig an den Wänden entlang, scheut agoraphob die offene Bühne, denn sie darf als Frau nicht handeln. Pina Kühr wagt ein paar Ausbrüche („Ich bin ein Weib, aber ein rasendes Weib – Wag‘ es einmal mit unzüchtigem Griff meinen Leib zu betasten – dieser Stahl soll deine geile Brust mitten durchrennen, und der Geist meines Oheims wird mir die Hand dazu führen. Fleuch auf der Stelle! (Sie jagt ihn davon.) (…) Ah! wie mir wohl ist! – Jetzt kann ich frei athmen – ich fühlte mich stark wie das funkensprühende Roß, grimmig wie die Tigerin dem siegbrüllenden Räuber ihrer Jungen nach“ lässt Schiller sie fauchen), und so darf sie auch zum Räuber Kosinsky werden, braucht ihr rosa Frauenkleid dazu nicht abzustreifen. Das passt schon. Muss sie deshalb auch barfüßig spielen?
Wo vor der Pause noch manches plausibel scheint, geht der Inszenierung das Selbstvertrauen verloren, wenn sich das Stück seinem Ende nähert, unschlüssig zwischen Erlösung und Katastrophe schillernd. Die Drehbühne macht sich selbstständig, täuscht Schwung (Esprit?) vor, Karl Moor (Gunnar Blume, durchaus überzeugend) zirkuliert wie ein Karussellpferd. Man lässt aus Stéphane Hessels „Empört euch!“ lesen und rechtfertigt damit Schillers Verbalterrorismus, was immerhin zeigt, dass Schiller wortradikaler war, aber auch emotional verwirrter. Und wenn gar nichts hilft, geht Franz (Clemens Giebel, KTG-gegelt, anfangs im Affenpelz?) an die Schublade und erheischt sich vom Duft faulender Äpfel Eingebung. Das merkt aber keiner, sie, die Eingebung, auch nicht. Verstreut ein paar unmotivierte Gimmicks: Der Vorhang geht auf – und gleich wieder zu. Weshalb? Zu Beginn zweidrei Lightouts für vorgetäuschte Stills? Ein umgestürzter Baum?
Ein Problem ist natürlich auch das Ensemble. Vielleicht ist es für die „Räuber“ zu jung, wiewohl auch Räuber meist nicht alt sind. Der alte Moor wirkt bei seinem Auftritt kaum älter als seine Söhne. Die Räuber bleiben alle blass. Pina Kühr muss zwischen aufgewühltem Hascherl und sperriger Emanze changieren, beides glaubt man ihr nicht.
Das Jahresstück für die Schulklassen ist doppelt verschenkt: Weder zeitgenössische Annäherung als Geschichtsunterrichtung noch überzeugende Entkernung auf – mögliche? – zeitlose Motive. Freundlich verhaltender Applaus, von den Akteuren verhalten überrascht angenommen. Die Inszenierung sitzt einem Missverständnis auf.
Theater Regensburg – Aufführung am 17. März 2013
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