Nachrichten vom Höllenhund


O Death
30. Mai 2013, 20:35
Filed under: Theater

Jan Decorte: O Death

Jan Decorte steht mit langem Weißhaar hinterm Stehpult und liest einen Text, den er einmal geschrieben hat. Das Thema ist, heißt’s, die Orestie, aber davon ist nicht viel zu merken. Die Details der Geschichte scheinen Decorte auch nicht wichtig, er hat’s mit Tod und Blut und Opfern und Gräueln und Körpern, die sich quälen oder lieben oder fressen. Der Text ist banal und infantil, mit viel eingeflochtenen Knäbelchen, Jüngelchen, Wachtelchen oder Lächelchen und Kotze und Fotze auch. Vergilbte Altmännerprosa. Decorte liest in der „Rolle“ des „Prächtigen“, und damit man nicht denkt, der Text stamme von einem alten Mann, hat er ihn ein bisschen gemotzt: „O death…., dichliebe ich ahmeinetote maschine meineklamm komfor tliches arschlein schön„. Puh! Das „Puh!“ stammt von Sabine Leucht von nachtkritik.de und es ist so verständlich wie Egbert Tholls Schlussstöhnen in seiner Kritik in der Süddeutschen: „Jessas!“ Ausrufezeichen.

odeath5Decorte, heißt’s, sei sehr penibel und leide es nicht, wenn die Schauspieler sich nicht buchstabengetreu an seinen Text halten. Man sieht ihm das auf der Bühne an und ist nicht unbedingt von ihm eingenommen. Affig, wie er Walter Hess und Benny Claessens zum Küsschen drängt. Fast regt sich Mitleid mit seiner Frau und Muse Sigrid Vinks, aber die kleine Frau ist selber schuld. Sie spricht und spielt aber recht anmutig. Am getreuesten hält sich Anna Maria Sturm an die Manierismen des Textes, bei ihr wirkt es drollig, spitzzüngig, sie lächelt oder schmunzelt, wenn sie grad nicht dran ist. Ob ihr das Decorte erlaubt hat? Wer odeath7ist eigentlich dafür zuständig, dass sie nackt agieren muss, der Regisseur (Decorte) oder die Kostümbildnerin (Sofie D´Hoore). Genauer: Sie – und Kristof Van Boven – sind nicht nackt, sondern rot angestrichen. Das mag als Symbol gedacht sein, bleibt in der Bedeutung aber ebenso banal wie die ganze „Dichtung“.

Die Aufführung wäre quälend, ist aber doch nicht langweilig. Das liegt an den Schauspielern, denen es in unterschiedlicher Manier gelingt, die Zuschauer zu fesseln. Nicht mit dem Text, sondern mit der Kunst, wie sie ihn vortragen. Die Figuren nennt Decorte „der Blinde“, „der Verrückte“, oder „die(!) Blut“, es wird aber nicht gespielt auf der kargen Bühne, nur rezitiert. Abwechselnd treten die Schauspieler vor – sie spielen keine Rollen, sondern erzählen, was Decorte aufgeschrieben hat, lauschen, fallen sich ins Wort, treten wieder zurück, tun interessiert. Schön Walter Hess’ windzerstobene Gestik, Silvana Krappatschs Ton ist nüchtern, sie steht über und neben dem Text, Benny Claessens hat wenig Vortritte, meist steht er versonnen an der Rückwand, auch das eine Leistung. Egbert Tholl (SZ) sieht und hört ein „kollektives Herumtapsen in einer Geschichte, die jeder irgendwie kennt.“

Stef Kamil Carlens ist für die Musik zuständig, die das Stück gefühlvoll auf Gitarre und Fingerklavier begleitet, auch dafür sorgt, dass der Abend nicht zu kurz wird. Er hätte nicht eigens für „O Death“ Songs schreiben müssen, denn die sind blass, man versteht ihn auch kaum. Für Heiterkeit – zumindest bei mir odeath6– sorgen auch die reizenden Dialektanklänge der holländischen Darsteller, wenn sie von GöttRn und OpfRn sprechen, wirkt die Tragödie gleich nicht mehr so tragisch, Decortes Text kann das nichts antun.

„O Death“ ist wohl kurzfristiger Ersatz für „Atropa“, ein Stück über den Trojanischen Krieg, aber es ist dürftiger Ersatz. Man möchte als Zuschauer doch etwas ernster genommen werden. Man rechnete wohl auch damit, dass der eine oder andere ältere Mensch im Publikum einschlafen könnte und beendete den Abend deshalb mit einem kurzen und geräuschvollen Tohuwabohu auf der Bühne. Auch das mehr hohl als Symbohl.

Kammerspiele München – Aufführung am 24. Mai 2013


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