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David Seidler: The King’s Speech
Inszenierung: Charlotte Koppenhöfer
Die Geschichte dahinter: König George V. glänzte durch gewissenhafte Erfüllung seiner Königspflichten. Georg V. galt als phantasielos und pedantisch. Der König war nur mäßig gebildet, wenig belesen und kaum an schönen Künsten und Wissenschaften interessiert. (wikipedia) Die Kinder erzieht er autoritär und gemäß der strengen Hofetikette, abweichende Haltungen werden brutal korrigiert.. George V. stirbt im Januar 1936. Der älteste Sohn David wird als Eduard VIII. König, dankt schließlich auf Druck der konservativen Regierung von und der anglikanischen Kirche nach 10 Monaten ab, um Wallis Warfield/Simpson – eine geschiedene Frau – heiraten zu können. Eduard VIII. war kein konsequenter Gegner Hitler, einem Journalisten sagte er, „es wäre eine Tragödie für die Welt, wenn Hitler gestürzt würde“. Der nächste in der Thronfolge ist sein Bruder Albert, genannt Bertie, der sich, trotz (?) der sadistischen Erziehung durch seinen Vater und dessen Personal als König Georg VI. nennt. Das Manko des Königs ist, dass er stottert.
Hier setzt David Seidlers Stück ein. Die Tatsachen sind weitgehend belegt, die Frau von König George VI., Elizabeth, später als „Queen Mom“ bekannt, bat, das Stück erst nach ihrem Tod, 1902, zu veröffentlichen. In „The King’s Speech“ schickt sie nicht ganz konform mit der Etikette ihrem Mann Bertie zu einem Sprachtherapeuten, dem Australier Lionel Logue, einem gescheiterten Schauspieler, der sich in London niedergelassen hat. Logue schafft es mit seinen unkonventionellen Methoden, dass George VI. in einer viel beachteten Radioansprache über die BBC den Menschen im weltumspannenden Empire erklärte, warum man nun in den Krieg eintreten müsse (September 1939). Das Radio war ein neues Medium, „Bertie“ spricht überzeugend – ohne zu stottern. Der König bezeugte seinem Therapeuten lebenslang seine Dankbarkeit.
„The King’s Speech“ stellt in den Mittelpunkt die ungewohnten Praktiken des Therapeuten Lionel Logue. Er will den Menschen gegen den Amtsträger setzen, nennt ihn „Bertie“, lässt ihn eigenartige Übungen machen. So muss sich Elizabeth einmal auf seinen Bauch setzen, um Bertie sein Atmen bewusst werden zu lassen. Er muss singen, tanzen, fluchen, Bertie fügt sich nur sehr widerwillig, weil er die Behandlung „auf Augenhöhe“ nur schwer mit seinem Status und den privilegierten Konventionen in Einklang bringen kann. Daraus resultiert eine Menge Situationskomik. Es wird klar, dass sich Bertie mit seiner entwürdigenden Erziehung auseinandersetzen muss, um geheilt werden zu können.
In Regensburg spielen sie auf einer Bühne, die nur karg mit weißem transparentem Stoff bespannten Rahmen möbliert ist. Darauf lassen sich Dokumente der Zeitgeschichte projizieren, dahinter können Personen abtauchen. Geschichte und Politik verschaffen der Handlung den Rahmen, der es von einer reinen Groteske abhebt. Bertie redet auch gegen den eloquenten Hitler an, Therapeut Logue ist eigentlich antimonarchisch eingestellt, Winston Churchill und der verschlagene Erzbischof von Canterbury treten auf. Michael Haake spielt sie ebenso wie Eduard VIII. oder einen sanft ironisierenden Erzähler. Die Rollen werden auf offener Bühne gewechselt. Thomas Birnstiel entwickelt sich vom verzagten Stotterer über den verunsicherten Patienten zum reüssierenden Redner, bleibt bei Birnstiel aber der zurückhaltende Sympathieträger, der sich angenehm vom erstarrten hohlen Hofzeremoniell abhebt. Gerhard Herrmann als Lionel Logue (und in einer kurzen Parodie als King George V.) spielt seine neuartige Therapie zwischen intellektueller Überzeugung und vorgetäuschter Sicherheit, seine Gestik, sein Gesang, sein aufgedrehtes Tanzen können nicht völlig überzeugen. (Gerhard Herrmann, der neben Michael Heuberger einzige etwas ältere Schauspieler des Regensburger Theaters, muss ein recht breites Repertoire an Charakteren absolvieren und tut das meist überzeugend.) Die beiden Frauen haben kleinere Rollen. Ulrike Requadts „Elizabeth“ liefert ihren Mann bei Lionel Logue ab, schon das ein Tabubruch, und setzt damit die Handlung in Gang; sie ist die starke Frau hinter ihrem eher hilflosen Bertie. Silke Heise ist als Myrtle die bemüht kämpferische Frau von Logue, sie will wieder weg vom Königshaus, heim nach Australien, und hätte damit den Erfolg der Therapie beinahe gefährdet. Aber dann hätte es dieses Stück (und auch den Film) nicht gegeben. Ob die Weltgeschichte anders verlaufen wäre?
Zwei Stunden feines, kurzweiliges, mit Gespür inszeniertes und souverän gespieltes Theater.
Theater Regensburg – Aufführung am 21. November 2013
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