Nachrichten vom Höllenhund


Elchtest
13. April 2014, 18:38
Filed under: Theater

Jan Tätte: Elchtest
Inszenierung: Christof Seeger-Zurmühlen

So bewirbt der Schauspielverlag das Stück: Ein junger Geschäftsmann, durch den Handel mit Nokia-Handys schnell zu Reichtum gekommen, gerät in eine Sinnkrise. Er fährt in eine abgelegene Gegend, kauft einem Bauern sein Haus ab und genießt elchtest2das einfache, „richtige“ Leben. Die Dorfbewohner wissen nicht so recht, ob er ein Verrückter oder ein Heiliger ist, und da er ihnen so heilsame Ratschläge geben kann, entscheiden sie sich für letzteres. Freudig nimmt er diese Rolle an, erklärt sich zum Verkünder des Licht-Glaubens, zelebriert abstruse Waldmessen und predigt Binsenweisheiten. Seine Firma, das Geld, nichts zählt mehr, er sagt sich begeistert von allem los, will nur noch der Natur und den Menschen dienen. Doch die bleiben plötzlich weg. Sollte der selbsternannte Guru übersehen haben, dass sie nur seinem Reichtum huldigen wollten? Jaan Tätte zielt mit dieser witzigen Parodie in alle Richtungen – auf die Oberflächlichkeit der neureichen Yuppies, die jede Bodenhaftung verloren haben, auf die Dumpfheit vermeintlicher Dorfidylle, die Banalität übertriebener Naturanbetung und auf die Fragwürdigkeit narzißtischer Aussteigermodelle. Die amüsante Rückschau der Ich-Figur, über die sich diese Geschichte aufblättert, ist als Episodenspiel mit Mehrfachbesetzungen ebenso denkbar wie als abendfüllender Monolog.

Jan Tätte, estnischer Musiker und Stückeschreiber, hatte die Idee 2005, angesiedelt ist der „Elchtest“ Anfang der 90er-Jahre in den estnischen Wäldern. Die Idee ist alt, notdürftig in den Handy- und Finanzboom eingeschrieben, die Aussage banal, wenn es denn eine gibt. Auch als Farce betrachtet gibt der „Elchtest“ wenig her, elchtest1denn man müsste sehr karikieren, um irgendwelche Marotten zu entlarven. Sollt Tätte Kritik an was auch immer intendiert haben, läuft sie ins Leere. In „alle Richtungen“ trifft man nicht gezielt, zeitlose Themen kann man immer als gerade aktuell anbieten. Den Inhalt des Stückes darf man also vergessen.

In Regensburg inszeniert Christof Seeger-Zurmühlen einen bebilderten Monolog. Die Hauptperson – Namen braucht sie keinen, weil sie ja selbst von sich erzählt – wendet sich an die Zuschauer und berichtet von ihrem Umstieg vom hohlen Manager – und nur diese Leere erkennt „Ich“ – zum hohlen Lichtapostel. Die Erzählung wird lebendig, „Ich“ tanzt, trinkt, sägt, unterhält sich, die „Episoden“ sind locker gefügt. Michael Haake ist ständig präsent, spinnert sympathisch, er verschmilzt mit seiner Rolle. Super. Silke Heise und Sebastian Ganzert sind die „Mehrfachbesetzungen“, die Figuren, die sie vorspielen, stammen großteils aus der Klischeekiste, was natürlich auch für ein bisschen wiedererkennende Heiterkeit sorgt. Sie wechseln die charakterisierenden Perücken oft auf offener Bühne, sie machen auch die Geräusche und sind so stets geschäftig. Silke Heise spielt „Ich“s Gattin Monica zickig dominant , diese Größe stört bei ihrer irrlichternden Studentin Sirli, das Rätselhafte kann ich nicht glauben. Schön abgerissen ist die Bühne von Monika Frenz. Überraschend, wie stabil ihre Möbelkonstruktionen auch die Tänze des „Verkünders“ aushalten.

Es gibt durchaus Amüsantes. Die Klopfrituale etwa oder das zauberhafte Zersägen der Bretter, Haakes Gesangsversuche. Die Regieeinfälle können das biedere Stück aber nicht retten, es wird nicht besser, wenn man dem Autor „Unernst“ zugesteht. Der Applaus galt den Shauspielern, voran dem spielfreudigen Michael Haake (der im Spiel sehr jung bleibt).

Damit die Aufführung ein Ende findet, spielt man am Schluss Wilhelm Müllers und Franz Schuberts „Und als die Hähne krähten, da ward mein Herze wach. Nun sitz‘ ich hier alleine und denke dem Traume nach“ ins abnehmende Licht.

 Theater Regensburg – Aufführung am 12. April 2014


Kommentar verfassen so far
Hinterlasse einen Kommentar



Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..



%d Bloggern gefällt das: