Nachrichten vom Höllenhund


Salter
5. Mai 2014, 19:21
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James Salter: Alles, was ist

salterDie „atemberaubende Meisterschaft“ von Salters Prosa „erweist sich an der Erzähltechnik des unfixierten Entgleitens, die das indifferente Leben des Protagonisten nachbildet. Mitten im Satz, mitten in einer Passage tauchen Menschen aus dem Nebel auf, die nichts zum eigentlichen Gang der Erzählung beitragen außer einer weiteren Scheidungszahl und genauso wieder verschwinden. Die Jahre Philip Bowmans addieren sich, wie sich viele der Sätze einfach addieren, und diesen wie jenen mangelt es auf eine leise Art an einem festen Zentrum und einem definierenden Zusammenhang.“ Man kann das so lesen wie Ursula März (ZEIT).

Wenn das “differente Leben” aber leer ist, kaum Sinn und als Perspektive nur ein diffuses Verlangen nach der nächsten Frau kennt, erzeugt auch die “Abbildung” nur Leere, Langeweile, Desinteresse. Die Addition des Immergleichen füllt viele Seiten, die Mathematik kann das Verfahren durch Funktionen abkürzen, der literarische Text nähert sich der Belanglosigkeit.

Philip Bowman nahm als Lieutenant  an der Schlacht von Okinawa teil und arbeitet nach dem Krieg als Lektor bei ienem New Yorker Verlag.Dann lernt er eine Frau kennen und noch eine und noch eine, spricht auch hin und wieder über Autoren, sucht sich eine Wohnung, isst in Lokalen. Den Krieg handelt Salter in ein paar Seiten ab, der Rest ist “Addition” der Banalitäten des Lebens in den USA seit den 50-er Jahren. “Dem Leser muss er so fremd bleiben, weil er sich selbst fremd bleibt: Das soll so sein, ist zumindest bei Salter als ästhetisches Manöver auf 350 Seiten aber furchtbar ermüdend.”  (Thomas Andre, SPIEGEL)

Auch die Personen, denen Bowman begegnet, interessieren ihn nicht, den Leser lenken sie ab, Salter vergisst sie nach wenigen Seiten. “”Ärgerlich ist Salters Sorglosigkeit mit Perspektivwechseln. Er macht das bewusst, aber es wirkt erzähltechnisch grobschlächtig.” (Thomas Andre) “Es ist ermüdend, alle paar Seiten in „Alles, was ist“ von einer weiteren gescheiterten Beziehung zu lesen. James Salter führt manche Figuren (…) offenbar auch nur ein, um noch ein weiteres Beispiel anführen zu können. Aber auch sonst wimmelt es in den 31 Kapiteln von Nebenfiguren, die für den Fortgang der Handlung keine erkennbare Bedeutung haben. Dem Roman „Alles, was ist“ fehlt es an Stringenz.” (Dieter Wunderlich)

Als sie ihn am nächsten Tag zum Lunch traf, wusste er, dass alles umsonst war. Sie war jünger, als er gedacht hatte, auch wenn er nicht ganz sicher war. Sie saßen einander gegenüber. Sie hatte den Hals einer Zwanzigjährigen, auf ihrem Gesicht waren nur zarteste Fältchen von ihrem Lächeln. Sie ließ einen körperlich erschauern. Er wollte dem nicht erliegen, war aber außerstande, es zu ver­hindern, ihr Nacken, ihre bloßen Arme. Sie war sich all dessen zweifellos bewusst. Berausche dich nicht, schien sie zu sagen. Er sah sie so nah vor sich. Ihr glänzendes, dunkles Haar. Ihre Oberlippe war geschwungen. Sie hielt die Gabel mit einer Art Laszivität, als könnte sie sie jeden Moment hinlegen, aber sie aß mit voller Gabel und sprach gelassen, von dem Essen nicht abgelenkt. Ihre andere Hand hielt sie halb geschlossen in der Luft, als würde sie ihre Nägel trocknen. Lange, verächtliche Finger. Wie sich herausstellte, hatte sie in New York gelebt, am Waverly Place, ein paar Jahre mit ihrem Mann.
»Sechs«, sagte sie. Sie hatte als Maklerin gearbeitet.
Er sah sie an. Man musste sie einfach ansehen.
»Es war sehr schön«, sagte sie. »Das ist ein sehr schöner Teil der Stadt.«
»Sie kennen New York also«, sagte er mit einem Gefühl von Eifersucht.
»Sehr gut.«
Sie sagte nicht viel mehr und auch nicht viel über ihren Mann. Er war geschäftlich in Athen, das war alles. Sie hatten in Europa gelebt.

Diese Zeilen bilden das Muster ab, hat man sie gelesen, hat man alles gelesen, kann sich den Rest sparen. Mehr kommt nicht. Auch stilistisch ist das keine Literatur, über die man reden, die man preisen müsste. “Die Dialoge der Bildungselite – von ihr handelt der Roman im wesentlichen – sind bei Salter Small Talks der Komplett-Sedierten. Die Menschen in diesem Buch sprechen Botox-Sätze. Irgendein faltenstraffendes Prinzip waltet in ihnen, es ist alles so glatt und oberflächlich.” (Thomas Andre) Man findet kaum einen Satz, den man wegen seiner Geschliffenheit zitieren möchte.

Die Personen leben im geschichtslosen Raum, die Atmosphäre beschränkt sich auf Interieur, Kleidung, körperliche Attribute. Selten werden zeitgeschichtliche Ereignisse oder Entwicklungen angedeutet, aber sie haben keine Bedeutung für den Roman oder seine Personen.

Es war die Zeit, in der in Paris die langwierigen und aussichts­losen Verhandlungen über die Beendigung des Vietnamkriegs seit etlichen Monaten anhielten. Amerika befand sich in einem ein­zigen Zustand des Aufruhrs, die ganze Nation war durch den Krieg gespalten, aber Wells schien merkwürdig teilnahmslos. Er interessierte sich mehr für Baseball, von anderen Leidenschaften hielt er sein Leben fern. (…). Er hatte verschiedene Liebesaffären. Mit zunehmendem Alter wurden auch die Frauen älter, sie waren nicht mehr so geneigt, unbekümmerte oder ver­ rückte Dinge zu tun. Aber die Stadt pulsierte, die Frauenbewegung hatte sie verändert. Er trug für gewöhnlich einen Anzug. (…)Er überlegte sich, sie anzurufen, hatte aber das Gefühl, dass es nicht richtig wäre, moralisch gesehen und auch sonst. Sie waren nicht mehr dieselben wie früher. Dennoch bewunderte er sie, das gezeichnete Mädchen von einst, die selbstsichere Frau von heute, im Einklang mit sich selbst. Sie war in einem Alter, in dem sie noch immer nackt sein konnte.

Die Rezensionen überschlagen sich vor Begeisterung. In der Perlentaucher-Übersicht liest sich das so: Nichts anderes als tiefe Bewunderung empfindet Rezensent Christoph Schröder (taz) für James Salters erste, von Beatrice Howeg brillant übersetzte Veröffentlichung seit 33 Jahren. Tief beeindruckt zeigt sich Manuel Gogos(NZZ)  von dem jüngsten Roman James Salters „Alles, was ist“. Hymnisch bespricht Rezensent Christopher Schmidt (SZ) „Alles, was ist“, den neuen Roman des achtundachtzigjährigen Schriftstellers James Salters, den er als den „unbekanntesten Meister“ der amerikanischen Literatur würdigt. Dem Kritiker erscheint dieses Buch schlichtweg als Sensation. Unfassbar, was James Salter, der wahrscheinlich unbekannteste der bekannten amerikanischen Altmeister, nach fünfunddreißig Jahren Romanabstinenz hier für ein großartiges Buch vorlegt, findet Ursula März (ZEIT).

Ich habe ein anderes Buch gelesen. D.h., ich habe es nach 200 Seiten weggelegt. Salters “Alles, was ist” ist 366 Seiten lang inhaltlich und stilistisch trivial.

2013        366 Seiten

4-5

4-5


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