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Tennessee Williams:
Die Katze auf dem heißen Blechdach
Inszenierung: Robin Telfer
Im Jahr 1955 sind die Verhältnisse „diesseits des Mississippi“ nicht viel anders als anderswo, in Deutschland etwa. Vielleicht, dank der Möglichkeiten, noch etwas rassistischer, bigotter, nationalistischer. Aber all das zeigt Tennessee Williams in seinem Kammerspiel „Die Katze auf dem heißen Blechdach“ nicht. Die Außenwelt schaut nicht herein, Fremdes wird abgehalten, alles bleibt in der Familie, zu der auch der Reverend wie selbstverständlich gehört. Fremd in der Regensburger Inszenierung mutet allenfalls Bill Haley an, der kurz den Rock’n’Roll anspielen darf. Es ist Party-Time, aber die elegische Südstaaten-Gitarre trifft die Stimmung besser.
Harvey Pollitt, nur„Big Daddy” genannt, feiert, besser: begeht seinen 65. Geburtstag (in Regensburg soll es der 60. sein). Big Daddy ist Selbstmachmann, er hat sich ein Vermögen erarbeitet: 10 Millionen Dollar und 28000 Morgen „fruchtbarstes Land diesseits des Mississippi“. Was er – noch – nicht weiß: Er hat Krebs und nur noch kurz zu leben. Seine Söhne sind mit ihren Familien deshalb nicht nur zum Feiern gekommen, sondern zum Erbschleimen. Daraus entwickelt sich die Familientragödie, im Gästezimmer, zwischen symbolbeladenem Doppelbett und gut gefüllter Bar. Wo das Bett seine familiäre Funktion verloren hat, bietet die Bar Ersatz an. Das Zimmer ist im Stil der 50-er Jahre möbliert und einziger Schauplatz.
Der ältere Sohn Cooper kann persönlich wenig überzeugen, was Thomas Birnstiel gut zum Ausdruck bringt. Für ihn als Erben sollen seine 5 1/2 Kinder sprechen, die von ihrer Mutter, der gluckig naiven Susanne Berckhemer, penetrant als Gratulanten eingesetzt werden. Big Daddy nun macht sich wenig aus Kindern, wenig auch aus Familie, mit Geschenken kann er nichts anfangen. Immer schon hat er seinen zweiten Sohn bevorzugt, Brick ist ihm ähnlicher. Bricks Frau Maggie zickt sich mit ihrer Schwägerin, als Kompensat für nicht vorhandene Kinder hat sie für Big Daddy einen Hausmantel „aus reinster Seide“ mitgebracht. Big Daddy erfühlt das Symbol und schleudert ihn in die Ecke. Wo im Film Elizabeth Taylor als Maggie furios ist, kann Adine Pfrepper in Regensburg nur spielen. Sie redet viel und schnell, bleibt in ihren Bewegungen aber steif und muss deshalb zur Top-Heuchelei greifen: Sie täuscht Big Daddy eine Schwangerschaft vor. Der Familienzwist zieht sich hin, die aufkommende Langeweile wird nur hin und wieder von Michael Heuberger unterbrochen, der als Reverend ein paar Lacher hat, dessen kleine Rolle aber eigentlich unergiebig ist. Südstaaten-Kolorit.
Die Hauptrolle spielt Gunnar Blume. Diesmal mit sehr jugendlichem Haar, leise, abweisend, fast abwesend, bedrückt. Was Brick gerade noch am Leben hält, ist der Ekel, angefeuert und betäubt vom Whiskey. In langer Suada kotzt er seinen Überdruss heraus, an der Oberflächlichkeit, an der Heuchelei, an seiner Frau. Man versteht seine misanthropischen Sentiments, im Verlauf des Gesprächs mit seinem Vater erfährt man, woher sie rühren. Das Drama wird psycho-analysierend, bleibt aber trivial. Big Daddy redet seinem Sohn zu, sich seinen Problemen zu stellen, was in den 50-er Jahren wohl an Tabus stieß, heute aber in jeder Soap-Opera öffentlich verhandelt wird. In der Verfilmung hat man 1958 das zentrale Tabu fast ausgeblendet: Brick ist schwul. Ohne diese Erkenntnis bleibt das Drama ohne Kern, der ganze Konflikt scheint aufgesetzt. Brick kann sich seine Homosexualität nicht eingestehen, er redet sich und den anderen ein, die Freundschaft zu seinem Football-Kumpel Skipper sei rein gewesen, habe nicht „Schmutziges“, also Körperliches an sich gehabt.
Brick zerbricht an dieser Selbst-Lüge, d.h. an den Regulativen der Gesellschaft. Er verweigert die Kommunikation, er pöbelt Frau Maggie an, um (sich) nicht seine gleichgültige Aversion allen Frauen gegenüber gestehen zu müssen. Gunnar Blume hat es schwer, in diesem unlösbaren Zwiespalt Stellung zu beziehen. Er muss überalkoholisiert agieren, muss emotional und rechthaberisch zugleich auftreten. D.h., auftreten kann er nicht, denn er trägt Gips und Krücken. Auch diese Symbolik wirkt aufgesetzt wie das Gewitter, das draußen die psychische Reinigungszeremnoie zwischen Vater und Sohn begleitet. A propos Vater: Big Daddy wirkt wie ein Double seines Sohnes, als er seinen Hass auf Big Mama (Doris Dubiel, seriös) und ihren „fetten alten Körper“ hinausbelfert und sich in Bums-Phantasien ergeht. Weshalb hat er Big Mama nicht schon längst zum Teufel geschickt und sich in Mätressen eingekauft? Das Geld dazu wäre dagewesen, das hätte die Moral erlaubt. Es wird nicht gesagt: Auch Big Daddy ist (latent) schwul, was auf plumpe Art seine Vorliebe für Brick (Prick?) erklärt. Gerhard Hermann spielt den Vater souverän; „big“ ist er nicht, dazu braucht er die Zigarre.
Das Stück ist natürlich nicht mehr aktuell – außer vielleicht für Pubertierende und in Fußballer-Kreisen. Das Plüschige haben Regisseur Robin Telfer und Bühnenbildnerin Anneliese Neudecker bewusst in den 50-ern gelassen, der kleine SW-Fernseher ist dafür der richtige Rahmen. Man kann die Hysterie verkörpern, man kann auch offenbaren, dass man das Stück nur vorführt, indem man Strukturen und Elemente herausarbeitet. In Regensburg hat sich Robin Telfer entschieden, so zu tun, als schriebe man 1955. Mut gehört dazu nicht. Stellenweise ist die Katze auf dem Blechdach doch so stark (heiß nicht mehr), dass das Stück das aushält. Man kann Theaterstücke ja auch als Zeitzeugen anschauen. Verschenkt hat man das breite Bett, indem man es an die Wand stellt. Es gehört in die Mitte!
Theater Regensburg – Aufführung am 26. Mai 2014
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