Rob Alef: Das magische Jahr
Die Personen heißen Prometheus Praumann , Xenia Yolantha Zabriskie oder auch, affig und apart, Quetzalcoatl Schmidt. Das sagt schon vieles. Rob Alef erzählt, flapst und ulkt sich durch einen Mordfall, der viel mit dem „magischen Jahr“ 1968, zu tun hat. „Praumann war der größte Luxusantiquitätenhändler der Stadt”, er sammelte und verkaufte z.B. “einen merkwürdig gekrümmten schwarzen Stein. »Der allererste Spülschwamm der Kommune 1. Der Fön von Rainer Langhans. Das Mundspray von Klaus Rainer Röhl.” Jetzt ist er tot und Kommissar Pachulke und sein Team müssen den Mord aufklären. Xenia Yolantha Zabriskie ist die engste Mitarbeiterin von Pachulke und “brütete seit einigen Tagen über einer Wasserleiche, weiblich, die sie mit einem Kran aus dem Landwehrkanal gezogen hatten.” Quetzalcoatl Schmidt geht mit seiner Klasse ins Museum und spielt dann keine Rolle mehr. Aber das ist so bei Rob Alef, es geht ihm mehr um den Gag. Der Einfall wird eingepasst, oft passend gemacht, leider oft auch wiederholt. Die Nebenerwerbsprostituierten tragen die Namen von Apfelsorten, die Pinguine nennen sich nach Whiskymarken und viele Randpersonen heißen wie Figuren aus Beatles-Songs. Das ist lustig, aber eher beim ersten Mal. Die originelle Grundidee verlottert, da hilft auch eine von Pinguinen betriebene Seenotrettungsstation wenig, wo mitten im Juni auf dem ständig zugefrorenen Großen Müggelsee eine Demonstrationsmeile für akreditierte Schlittschuhläufer betrieben wird.
Als Krimi ist der Roman konfus, auch wenn Morde vorkommen, abseitige Motive haben und chaotisch aufgeklärt werden. Aber auch das ist wurscht.
Ein paar Auszüge, die isoliert schon amüsant sind:
Dann kam der Schreibtisch. Pachulke sah eine Tastatur und einen Bildschirm. Er betrachtete das Foto auf dem Display. 80 Euro für vergammeltes Puddingpulver. Er traute seinen Augen nicht. Ein Schreibfehler, vermutlich 80 Euro, aber 80 Euro waren genauso absurd. 80 Cent. Er ging zurück zu dem Katalog und blätterte darin herum. Sein Blick fiel auf ein Foto, das ein Trinkglas zeigte. »Nr. 64 326 Wasserglas, Mensa Freie Universität. Herstellungsjahr unbekannt, vor 1967. Aus diesem Glas trank Herbert Marcuse während seines Vortrags >Das Problem der Gewalt in der Opposition< am 11. Juli 1967 im Audimax (Henry-Ford-Bau) der Freien Universität. Ein Hausmeister konnte dieses Glas nach dem Ende der Veranstaltung beim Aufräumen sichern. Es ist durch mehrere Augenzeugen eindeutig identifiziert. Dieses besondere Unikat verleiht jedem Wohnzimmer kritischen Glanz und sollte nur in Liebhaberhände geraten. Preis: 28.000Euro. «
Eine halbe Stunde später knackte Löffelholz mit den Fingern, Dorfner hockte zwischen zwei großen Stapel Büchern, und Stiesel und Bördensen standen vor einem Tapeziertisch. Stiesel nahm einen Locher in die Hand, suchte das Etikett und las vor: »Nr. 694 523«.
Bördensen blätterte im aktuellen Katalog. »Hier, Treffer: Locher von Theodor W. Adorno, Frankfurt am Main 1967.« Er pfiff durch die Zähne. »Zweitausend Steine wollte er dafür haben.«
Stiesel fragte: »Wer war noch mal Adorno?«
Bördensen zuckte mit den Achseln. »Wahrscheinlich ein Fußballer. Klingt italienisch.«
»Und wozu braucht ein Fußballer einen Locher?«
»Für die Fanpost wahrscheinlich. 1967 hatten die noch keine Manager. Das haben die alles alleine gemacht.« Er drehte sichzu Löffelholz. »Könnten Sie mal Theodor W .Adorno nachsehen, bitte. Oder unter Eintracht Frankfurt.«
Löffelholz löste sich von einem Text über Praumann, machte ein neues Fenster auf und betätigte die Tastatur.
Dorfner registrierte mit einem Ohr zwar den Namen Adorno, aber hauptsächlich las er in einem Kursbuch, wie es sich nannte, einen Text über Kindererziehung. Er stammte von einem gewissen Raspe. Das war doch einer von denen, die sich dann in Stuttgart alle zusammen … Erst durchgeknallt, dann abgeknallt, das war Dorfners häufigster Kommentar zu allem, was zwischen 2960 und 1980 passiert war. Dass dieser Raspe mit Kindern zu tun gehabt hatte, hatte er nicht gewusst. Die Kinder sind bereits seit ein paar Stunden wach und toben durch die Wohnung. Sie haben sich aus der Küche Bananen geholt; ebenso die Rosinen. In der Küche ist Mehl verstreut worden. Es sieht ziemlich wüst aus. War also ganz offensichtlich ein Weichei gewesen mit seinen Blagen. Und dann weggekippt ins andere Extrem. So waren sie gewesen, diese labilen Nichtsnutze. Dorfner suchte den Titel im Katalog und markierte ihn als vorhanden. Er seufzte und legte das Buch nach links. Keine Widmung, keine Anstreichungen und kein Exdingsbums. Und Löffelholz pimpert an meinem Rechner herum. Ein schöner Samstag. Dorfner griff sich das nächste Kursbuch. Die gab es hier meterweise.
»Und die Hendersons kommen auch?«
»Die Hendersons werden alle da sein«, erwiderte der Wirt.
2008 320 Seiten
Im gleichen skurrilen Stil parodiert Rob Alef die Monstrositäten des Konkurrenzkampfs zum Übertritt auf das Gymnasium. Als “Kleine Biester” fungieren hier keine Pinguine, sondern Ameisenlöwen. Der Roman ist etwas konsistenter, weil das Thema nicht so uferlos ist.
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