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Neil LaBute:
Bash – Stücke der letzten Tage
Inszenierung: Hannes Weiler
Abwechselnd treten drei Personen auf die schmale Bühne. Die Bühne ist mit einem Bauzaun vernagelt, denn es soll nicht gespielt, sondern aufgesagt werden. „Die massive Holzwand“, sagt Regisseur Hannes Weiler, „wirft auch die Frage darüber auf, was sich hinter der Mauer verbirgt“. Ich sitze im Zuschauerraum und stelle mir diese Frage nicht. Die drei Personen, zwei Frauen, ein Mann, wollen mir ihre Geschichte erzählen. Sie haben mich ausgewählt, sie wollen ihre Erzählung bei mir abladen. Ich soll mich über ihre naive Nichtigkeit entsetzen. Bash.
Als erste sitzt „Die Frau“, als Schauspielerin Ulrike Requadt, angelehnt am Zaun, im schlichten Kleid, symbolisch barfuß. Sie erzählt von ihrem ehemaligen Lehrer, der sie als 13-jährige Schülerin vor dem Haifisch-Aquarium verführt hat und sie dann mit dem Kind sitzenließ. VideoEinblendung: Ulrike Requadt (oder „Die Frau“?) irrt durch einen Wald, trinkt Milch aus einer Flasche, lässt die Flasche fallen. Symbol. Ein Mann, wie sich herausstellen wird, Frerk Brockmeyer als „Junger Mann“, gräbt nach der Art von Hunden im Waldboden, findet aber
nichts. Symbol?
Der Mann steht auf auf der Bühne vor dem Zaun. Er erzählt, betont beiläufig, mit einstudierter Gestik, von seiner Tochter Emma, die unter der Bettdecke erstickt ist. Es ist der Mann aus dem Wald. Will er seine Tochter ausgraben? Es geht um die Auseinandersetzung mit demTod, der unvermittelt jeden ereilen kann. So sagt es die Ankündigung: Die Täter sind auch Opfer und umgekehrt. Ich weiß das, soll es aber hier noch einmal vorgesagt bekommen.
Eine Frau im zeitlos unmodernen gelben Tüllkleid steht auf der Bühne. Andine Pfrepper kriegt den Typus der Yuppi-Tusse gut hin, bleibt aber so sehr im Klischee wie ihre Geschichte, die schlechteste. Eine bessere hätte man ihrer Rolle aber auch nicht abgenommen. In ihrem Kopf ist nur Party. Ihr Begleiter bringt einen Schwulen um, der es gewagt hat, im Park mit seinem Partner zärtlich zu sein. Muss man sich das als Yuppie gefallen lassen? Eine Zumutung für den gelben Hohlkopf. Das Frühstück schmeckt dann aber doch super. Weshalb erzählt sie mir darüber? Das Video dazu zeigt zwei küssende Männermünder und einen blutverschmierten Kopf. Symbol: plump.
Schließlich erzählt Ulrike Requadt noch, dass sie den Sohn, den sie von ihrem früheren Lehrer hat, umgebracht hat: mit dem Kassettenrecorder in der Badewanne. Nach 14 Jahren. Symbolische Rache. Tragödie. Euripides. „medea redux“ nennt der Autor die Szene. Der Frau fällt, sie überraschend, das Wort wieder ein, das sie von ihrem Lehrer gehört hat: „adakia . die welt ist aus dem lot“.
Wenn ich zuhause in der Zeitung von ähnlichen Tragödien lese, schüttle ich erschüttert den Kopf. Hier, im Theater, wollen keine „Beklemmungen“ (Peter Geiger in der MZ) sich einstellen. Reale Täter morden scheinbar ebenso unvermittelt – weil die Eltern zu früh nach Hause gekommen sind, weil man dem ungewünschten Kind nicht gewachsen ist -, doch bei diesen Tätern interessiert vor allem, wie sie so geworden sind. Täteropfer. Sie waren mal Kind, wurden mehr oder weniger falsch erzogen, leben in einer Gesellschaft. Hier im Theater empfinde ich mehr mit den Schauspielern als mit ihren Figuren. Die Rollen haben keine Tiefe, auf der Ebene gibt es keine Fallhöhen. Wie soll ich mich für sie interessieren. Nicht die „Mechanik des Bösen“ (Geiger) wird dem Zuschauer klar, sondern die Konstruktion des Erzählens. Man gibt beiläufig den Mann/die Frau von nebenan und gesteht nach einer Viertelstunde ebenso beiläufig den Mord. Neil LaBute evoziert die Tragik über die Namensanklänge an antike Schicksale: iphigenie, medea. Seine Theaterfiguren sind Momentaufnahmen ohne Entwicklung. Moralische Selfies. Auch der ‚mormonelle’ Einschlag bietet keine Auflösung. Solche „Stücke der letzten Tage“ mit „meuten von heiligen“ findet man überall. Das Böse ist halt banal. Basta.
Bei der deutschen Erstinzenierung von Peter Zadek an den Hamburger Kammerspielen hüstelte das Publikum wie selten, was nicht für die Aufführung oder das Stück spricht. In Regensburg blieb es ruhig. Eher Gelassenheit als Spannung. Regisseur Weiler holt nichts aus dem Stück, was nicht drin ist. Seine Video-Beigaben seien „auch dafür gedacht, den inneren Zustand und was Traumhaftes zu erzählen und auch das Ganze nochmal auf eine allgemeinere Ebene zu heben“. Das ging an mir vorbei, vielleicht bin ich für derart Mysterien des Waldes zu alt. Die Schauspieler haben das Aufsagen drauf, Charisma sollen sie ja bewusst nicht ausstrahlen. Geduldiger Applaus und schnelle Verbeugungen. Es steht nicht so gut um das Schauspiel am Regensburger Theater. Der Jahn lässt grüßen.
Theater Regensburg – Aufführung am 4. Oktober 2014
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