Sven Regener: Magical Mystery
Wen interessiert so etwas eigentlich 2013? Mitarbeiter der Firma „Bumm Bumm Records“ machen in den Neunzigerjahren eine „Magical Mystery“-Tour durch deutsche Clubs und heuern dazu den Ex-„Multitox“ Karl „Charlie“ Schmidt als Fahrer und Mädchenfüralles an, da die „Knalltüten“ des Techno-Labels nicht ohne multiple Drogen auskommen und deshalb an einfachsten Alltagsdingen scheitern. Sie tragen aber weniger schwer am Schicksal als an ihrem Plattenkoffer.
Sven Regener lässt Karl Schmidt, den man schon aus seinem „Herr Lehmann“ kennt, fast in Echtzeit erzählen: was sie alles gesagt (eher: geplappert) haben, was sie gegessen haben in den Klischeegastronomien der deutschen Großstadtprovinz, über ihre Nächte in den Clubs und Fluxi-Hotels, den Drogenkonsum, die langen Fahrten – alles zutiefst banal, oft grenzdebil, 0815-Figuren wie du und ich, die irgendwie in den Technokommerz gespült wurden und jetzt mehr Geld haben als sie ihm intellektuell gewachsen sind.
Ja, Regener will das blamieren, ohne seine „Helden“ bloßzustellen, sie sind alle überfordert, aber nicht arrogant aber eingebildet, eine Emanation ihrer Zeit. Über diese Zeit lese ich leider nichts. Regener verharrt im Kosmos des Rave, als wäre das die Welt. Das ist als Thema für Outsider uninteressant, die, die beim Rave dabie waren, mögen sagen, das war einmal so. Magical Mystery. Es gibt durchaus ulkige Episoden, am originellsten sind die Kapitelüberschriften. Man liest auch deshalb oft weiter, weil man nichts versäumt, wenn man ins Dösen kommt und weil man sich scheut, Karl Schmidt, Schöpfi, die Hosti Bros, Raimund und Freddie und die wenigen Frauen allein zu lassen mit ihrem Anspruch, der Jugend das Leben „aufzulegen“, damit sie nicht in ihrem „gummistiefeligen“ Alltag versauern muss..
Wichtig sind auch die Meerschweinchen Lolek und Bolek, die auf gefühlten 50 Seiten gehegt werden. Ein Buch für Kinder und die es geblieben sind. Redundant.
Es war eindrucksvoll, mit welcher Konsequenz man das hier ghettoisiert hatte, ein riesengroßer, eingehegter Dorfbums war das, sie nannten es Kunstpark, das fand ich mutig, aber noch mutiger fand ich die beiden Türsteher vom Edelweiß, die die dort unablässig anbrandenden Gummistiefelhorden, die aus den anderen Vergnügungsbunkern heraus sturzbesoffen und mit gutgelauntem Aggro auf die Straße torkelten und von dort wieder zurück in irgendwelche anderen Spaßfabriken strömten, von den eigentlichen Ravern oder jedenfalls den den deutschen Dance suchenden Freunden elektronischer Musik und moderner Drogen trennten und zurückwiesen, (…) und ich noch leicht im Zweifel, ob das wirklich eine gute Idee gewesen war, an diesem Abend für Hosti Bros den Basti zu machen, nicht, dass ich Angst vor dem Gehampel hinter den Plattentellern hatte, das machte mir nichts, das hatte ich früher, in der guten alten Zeit im alten BummBumm, oft gemacht, einfach da oben stehen und mit dem Arsch wackeln, wo soll da das Problem sein, außer das Drogenproblem natürlich, denn voll drauf sein und hinter Plattentellern mit dem Arsch wackeln, das kann jeder, aber stocknüchtern kurz nach einem Besuch von der Zombie-Armee und dementsprechend labil im Oberstübchen sieht das schon anders aus, Freunde, wobei auch hier das Arschwackelprogramm ja nicht das wirkliche Problem war, eher schon wie ich die Zeit bis dahin totschlagen sollte, das konnte für einen, der nicht saufen und auch sonst nichts nehmen durfte, schon gefährlich werden, jetzt sollte erstmal Sigi auflegen, dann Anja und Dubi, von denen keiner wusste, wo sie gerade waren, dann Raimund, dann Rosa, nur Schöpfi hatte heute abend frei, stattdessen die Hosti Bros das große Ding, die mit dem Hit, »Samstagabend, da braucht man doch einen Hit«, hatte Flapsi gesagt, »auch im Edelweiß, sogar im Edelweiß, gerade im Edelweiß!«, hatte er gesagt und Arschwackeln war für mich natürlich kein Problem, eigentlich auch lustig, wenn ein großer, fetter Psychofreak aus dem Trockendock einen kleinen, dünnen Bier- und Speedversager hinter den Plattentellern darstellte, faceless Techno, here we come, aber wenn ich ehrlich war, und das gelang mir schon kaum noch, als ich im Club war, weil ich sofort kontaktstoned wurde, das ging hier ganz schnell und es war auch ein feiner Club, die Leute gut drauf, nett, jung, schön, und wenn sie mal nicht so jung und nicht so schön waren, waren sie wenigstens nett.
2013 500 Seiten
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