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Lutz Hübner: Blütenträume
Inszenierung: Wolfgang Gropper
Dass Frau Müller weg muss, ist gut angekommen, nicht nur in Regensburg , sondern jetzt auch im Film. Also muss was Ähnliches her, warum nicht wieder von Lutz Hübner, der hat ja viel geschrieben (nicht zuletzt Gretchen 89ff. – wir erinnern uns). Die „Blütenträume“ sind zwar schon von 2007, doch im Thema so modern zeitlos, dass sie nicht veralten. Träume bleiben eben Träume, bloß dass man vielleicht früher im Alter nicht mehr träumen durfte.
Auch das Schema des Genres hat sich eingespielt, kann aber ganz oft variiert werden. Liebevolles Gemetzel, hier gemildert durch das Alter. Eine Gruppe von Leuten trifft aufeinander, die wenig gemein haben außer einem Anliegen. Der Autor verschafft ihnen einen Anlass und er-schließt ihnen einen Raum, dem sie nicht entfliehen wollen. Bei der Frau Müller sind’s Mütter und Väter, die das Beste für IHR Kind wollen und denen Lehrerin Müller im Weg steht. In den Altersblüten träumen sie im Kursraum der VHS, den die „Reinigungskraft“ (unterm Kopftuch Bianca Bauer) mit ihrem Wischmopp noch ungemütlicher für die ersehnte mneschliche Annäherung macht. (Als sie auf ihren Headphones Helene Fischers „Atemlos durch die Nacht“ (!) hört, klickt sie unverzüglich weiter – schön.) Die Plastikstühle stehen gestapelt an der Wand.
Sie, das sind hier sechs Männer und Frauen in der „nachberufliche Lebensphase“, fast schon Senioren, die ihren Partner verloren haben und jetzt allein vor der Zukunft stehen, die sie nicht einsam zu Ende leben wollen. Sie laufen in der Volkshochschule ein, umkehren geht nicht, weil schon der nächste kommt. Gunnar Blume ist Jan („Wir duzen uns“), der Leiter des Kurses „Fünfundfünfzig Plus“. Dynamisch unbedacht stürmt er seinem Kurs voraus, doch hat er für die Teilnehmer das falsche Konzept bzw. kann es ihnen nicht erklären und irgendwie fühlen sie sich auch vorgeführt durch den Zwang, sich öffnen zu sollen. Man hat Lebenshilfe, sprich Flirttipps erhofft, ohne selbst mitspielen zu müssen. Aufs Speed-Dating war man nicht gefasst. (Man hätte es schon häufig im Fernsehen sehen können!) Der Konflikt eskaliert, das Personal gruppiert sich: Weitermachen oder Resignation? Man trennt sich – von Jan, es gibt aber einen zweiten Akt.
Die Teilnehmer an solchen Bühnenstücken sollen ähnlichen sozialen Milieus entstammen, so kann man feiner binnendifferenzieren. Jede Person ist ihr individuelles Klischeebild, Hübner lässt sie aber Mensch bleiben. Volker Conradt (Gast in Regensburg) ist der „humanistisch“ gebildete Schuldirektor wie man ihn sich in seiner selbstverliebten Jovialität vorstellt. Auch die Frauen sind Abziehbilder: Franziska Sörensen, Doris Dubiel und Annagerlinde Dodenhoff verkörpern die warmherzige Gila, die sich für ihre Familie aufgeopfert hat und für diese Rolle jetzt eine neue sucht, die feinsinnige Frieda, die ihren dementen Mann gepflegt hat und jetzt in der mit Büchern vollgestellten Wohnung wartet, und die stelzfüßige Bibliothekarin Britta, die wenig Erfahrung beim Zugehen auf Menschen hat. Lutz Hübner gibt zwei Hand-Werker hinzu als bodenständig-herzlichen Kontrast zu den intellektuellen Theoretikern. Die älteren Schauspieler dürfen wieder einmal ran: Schnauzbärtig Michael Heuberger als Automechaniker Heinz, der bevorzugt an Anmach-Tipps interessiert ist und bei theoretischem Geplänkel auf Pausen drängt („Haben Sie Humor? – Jetzt nicht.“), und Gerhard Hermann als welterfahrener Schreiner Ulf, der aber ansonsten etwas abwesend wirkt und mit leiser Stimme Beatles- und Stonessongs zur Gitarre singt. Vermeintlich nicht in die Gruppe passt die 20 Jahre jüngere Maklerin Julia, affektiert gespielt von Ulrike Requadt als panisch umtriebige Kontrastfigur. Der Kurs“40 plus“, den sie gebucht hatte, ist nicht zustandegekommen, Speed-Dating und Walking-Dinner hat sie schon erfolglos hinter sich.
Der 2. Akt beginnt überschwänglich, die Seminarteilnehmer haben sich befreit und tanzen um den Tisch schwärmen schon von einer gemeinsamen Zukunft. Gut, dass der Traum platzt und sich nicht an der Realität beweisen muss. Aber sind nicht Heinz und Gila gemeinsam weggegangen?
Zum Rezept des Genres gehören auch die nachdenklichen Töne. Wolfgang Groper überspielt sie nicht, macht nicht die Pointen zum Schenkelklopfer. Dennoch bleibt vom Abend wenig mehr als zwei Stunden recht vergnügliche Unterhaltung, gut gespielt, keiner Diskussion bedürfend. Das Regensburger Theater lockt mit solchen leicht verdaulichen Produktionen viele Besucher an. Das Leiden der Welt bleibt draußen.
Theater Regensburg
Aufführung am 26. Februar 2015
Die Verfilmung von Paul Harather läuft im Herbst im Ersten. Der Trailer verspricht weniger als die Regensburger Inszenierung.
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