Nachrichten vom Höllenhund


Kohlhiesels Töchter
30. Mai 2015, 19:09
Filed under: Theater

Nach dem Film von Hanns Kräly und Georg Zoc:

Kohlhiesels Töchter
Inszenierung Uwe Schwarz

Unterhält man sich im Sommer anders? Gleicht die höhere Außentemperatur mögliche Untiefen des Vergnügens aus? Garantiert schon das Flair des Arkadenhofs im letzten Sonnenstrahl einen vergnüglichen Abend, egal was die Darsteller aufführen? Lässt sich die heitere Stimmung auf die Vorführung anrechnen, bleibt das Unterhaltungsniveau im Gleichgewicht?

Oder darf man von einem subventionierten Stadttheater auch im freien Licht des Sommers mehr erwarten als Komödienstadel, ein klischeesattes Spektakel mit Musik, als Parodie getarnt und damit der Kritik entzogen. Aber wer die Lederhose parodiert, wird leicht selbst zu einer.

hiesel3Das Theater nennt die berühmten Vorbilder, Liselotte Pulver und Shakespeare, und meint, damit fein raus zu sein. Die in den Thon-Dittmer-Hof geschreinerte Kulisse lässt Böses ahnen: das Alpenpanorama, die zünftige Wirtshausstube, der programmatische Name des Ortes, in den man die in/seit den 50erJahren gern gespielte Klamotte verpflanzt hat (Oberschweinheim-Pfaffenkirchen), die Blasmusi. (Auch Horváths „Der jüngste Tag“ hat man mit ähnlichen Zutaten im Vorjahr den Garaus gemacht.)

Und jetzt Kohlhiesel. Schon der Name evoziert Grauen! Die Handlung bürgt fürs Wiedererkennen: Kohlhiesel hat ein Wirtshaus und zwei Töchter. Die eine, Liesl, bringt aus er Stadt einige Bildung und liebliches Aussehen (meint bunte Kleider) mit, die andere, Susi, ist die bäurisch Hantige, die ortsansässigen Burschen mögen sie nicht, weil sie sie kennen. Kohlhiesels verstorbene Frau hat verfügt, dass die Liesl erst heiraten darf, wenn die Susi unter die Haube gebracht ist. Das Spiel kann beginnen.

hiesel1Gerhard Hermann ist mit aufgeklebtem Schnauz der Kohlhiesl, der sich aber nicht arg in die Händel seiner Töchter einmischt; die Mama hat’s ja schon angerichtet. Lena Vogt ist die Susi, arbeitsam und durchaus derb. Sie schmeißt das Wirtshaus und lässt die aufgetriebenen Werber burschikos abfahren, immer hat sie das passende Schimpfwort parat. Sie agiert auch zum einvernehmlichen Vergnügen vieler Zuschauer, vor allem einigen weiblichen schimpft sie aus dem Herzen. Damit mag die Susi aufmüpfiger erscheinen als 1962 die Liselotte, den Themen von 2015 strampelt sie aber bewusstlos hinterher. Nur im Bauerntheater dürfte man eine Bissgurn als emanzipativ verkaufen. Die Liesl wird von Andine Pfrepper so „verkörpert“ (Ulrich Kelber, MZ), wie diese auch ihre bisherigen Rollen in Regensburg verkörpert hat.

Das restliche Personal ist Zutat. Mit den drei „Jungs auf Freiersfüßen“ ist „nicht viel Staat zu machen“ (Kelber). Polizist, Stationsvorsteher und Redakteur sind Staffage, am Bürgermeister Vinzenz Niederegger fasziniert vor allem, dass Frerk Brockmeyer seine voralpinen Wahlkampfreden in norddeutschem Idiom über die Leute verteilt wie vorher seine Wahlflyer. Die jovialen Politikerposen hat er aber gut drauf. Der von Regisseur Uwe Schwarz zum Personal nachnominierte Pfarrer hiesel4verfehlt seine Rolle und ist nur gut für ein paar billige Kalauer, wenn er in falschem Italienisch mit dem Vatikan telefoniert.

Überhaupt lebt die Inszenierung von abgestandenen bis unsäglichen Gags, als frivol verkauften Anspielungen, abgelutschten Bauerntheater-Zutaten der Jahrzehnte vor 2015. Das Niveau wird nicht durch das Ambiente des Ortes aufgefangen, ein Renaissancehof hätte Ambitionierteres verdient, mehr Esprit. Das städtische Publikum auch.

Trotz Spekulation auf die Quote waren die Plätze nicht ausverkauft. Vielleicht spekuliert das Theater Regensburg da fehl. Solche Stücke haben ihren Platz in der Theaterlandschaft. Man sollte sie aber dort lassen, wo sie – noch – hinpassen.

Und jetzt das Positive: Die Musik unter Leitung vonPetra Fierlbeck ist zünftig schräg. (Diese Schräge hat der Inszenierung gemangelt.) Und ein Lob für den Star des Abends, der nicht extra begrüßt werden musste, weil er eh schon da war: der WeberMax (Rudi Zwack).

P.S. Die Mittelbayerische Zeitung (in Person von Ulrich Kelber) soll und darf das Theater nicht schlechtschreiben. Sie sollte aber durchaus kritisch anstacheln und sich im Niveau nicht anpassen. So erfreut sah Kelber den Kohlhiesel: hiesel2„Hinterfotzig und saukomisch: Das Theater, das sonst so gern seinen Kulturanspruch hervorkehrt, begibt sich jetzt mit großer Lust in die Niederungen des Komödienstadel. Oder genauer gesagt: Es bietet eine gewitzte Parodie, bei der sowohl volkstümlicher Bauernschwank als auch der verkitschte Heimatfilm von anno dazumal gehörig auf die Schippe genommen werden.“ „Einfach pfiffig.“

So bewerben die Theater- und Konzertfreunde Rottenburg bzw. die Kolpingsfamilie Kallmünz ihre Besuche: „Bauernschwank und Komödie, basierend auf dem bekannten Film als Regensburg Sommertheater in schönem Ambiente. Vorher Einkehrmöglichkeit.“ bzw. „Mit vielen Gefühlsverirrungen und voll heimischen Brauchtums mit viel Bier und Blasmusik – ein herrlicher Schwank mit Volksfestcharakter!“ Wo bleibt der Pfiff?

Theater Regensburg – Aufführung am 28. Mai 2015

Fotos von Sarah Rubensdörffer


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