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Bernhard Setzwein:
Hrabal und der Mann am Fenster
Inszenierung: Mia Constantine
Bernhard Setzwein hat sich ein absurd intelligentes Szenarium ausgedacht: Der Spitzel ist so gefangen in seinen Beobachtungen und Aufzeichnungen, dass er nicht merkt, dass das Objekt seiner Überwachung nicht mehr existiert. Die Sicherheit des Staates läuft grandios ins Leere. Vielleicht findet man die Idee auch bei Bohumil Hrabal; man sollte ihn gelesen haben oder lesen. Auch dazu möchte Setzwein anregen.
Dutky hat sein Leben dem Schriftsteller Bohumil Hrabal verschrieben. Wie eine Figur Kafkas bündelt er seine Kraft auf die Beobachtung Hrabals, zwingt sich dazu, seine „Aufgabe“ perfekt zu erfüllen und findet darin seinen Lebensinhalt. Ein treuer Diener seines Staates, doch auch dieser kommt abhanden. Hrabal begeht Selbstmord, 1997, stürzt sich aus dem Fenster (eine in Böhmen beliebte Todesart), Dutky dürfte seine Akte schließen. Gerade wegen seiner bornierten Akribie hat er weder von Hrabals Tod erfahren noch hat er gemerkt, dass seine Frau die Aufzeichnungen nicht bei seinem Führungsoffizier abgeliefert, sondern bei der Nachbarin, Frau Swoboda, deponiert hat. Die Staatssicherheit als Aberwitz.
Aus seiner Ignoranz wird er von Lenka gerissen, einer jungen Frau vom Fremdenverkehrsamt. Sie sucht Dutky auf, weil aus der Datsche des längst rehabilitierten Hrabal – auf Gesinnung kommt es ja jetzt nicht mehr an – eine Gedenkstätte gemacht werden soll. Auch aus einem toten Abweichler lässt sich noch Geld ziehen. Lenka informiert Dutky über die neuen Zeiten und versucht ihn als Museums-Führer zu akquirieren, einen bessseren Hrabal-Experten gibt es nicht. Eine weitere Drehung ins Absurde. Regisseurin Mia Constantine hängt vor die Bühne einen dunklen Gaze-Vorhang, hinter denen man einen Raum mit einigen Kästen vermutet, nur dezente Beleuchtungseffekte deuten auf den Wechsel von Tag und Nacht hin. Man hört aus den Lautsprechern Dutkys Monolog, unterlegt mit Geräuschen: Dutky isst, Dutky spitzt seinen Bleistift, Dutky erläutert sich selbst die Bedeutung seiner Arbeit, man hört gebannt zu, achtet auch auf den Bühnenraum, es könnte und wird wohl etwas geschehen, man meint, eine Frau erblickt zu haben. Doch diese bleibt zunächst verborgen, eigenartige Szenen werden auf den Vorhang projiziert,Gläser mit Ribislwein, Zettel, ein Fernglas, Dutkys Ausstattung, und dann diese Frau, die sich mit Dutky unterhält, die den düpierten Spion über die Entwicklung des Geschehens aufklärt. Die Projektion hat vor der unmittelbaren Darstellung den Vorzug, Rätselhaftes vorzuführen, im Zuschauer Assoziationen anzuregen, auch über denn Sinn dieser Bühnentechnik, das verwackelte Bild strengt aber auch die Augen an.
Dann stürzt der Vorhang, und die Absurdität will nicht enden. Auftritt der tote Hrabal bzw. sein Klischeebild, barfuß und im Ringelpulli. Jetzt, wo das Geschehen auf der Bühne real wird, unterläuft die Inszenierung die Wirklichkeit mit der Erscheinung eines Geistes. Der verstorbene Dichter holt den weltfremden Spitzel zurück ins Leben, lehrt ihn das Leben. „Das Leben ist zum Verrücktwerden schön.“ „Der Surrealismus beruht auf dem Glauben an die höhere Wirklichkeit.“ (André Breton) hatte schon auf dem Vorhang gestanden. Das Spiel ist aus, es hat natürlich kein Ende.
Michael Heuberger spielt sachlich den Spitzel, der sich in seiner eingegrenzten Welt verfangen hat und um seine Rolle am kleinen Ende der Geschichte weiß. Roland Avenard ist als Hrabal kostümiert, halb Clown, halb Weiser, man könnte sich den Dichter so vorstellen. Pina Kühr tritt erst zum Applaus auf die Bühne, im Video ist sie die frische Frau der neuen Zeit.
Bernhard Setzweins Hrabal-Abend ist kurz und kurzweilig. Man wird intelligent unterhalten und erfährt wie nebenbei allerlei über diesen Erzähler der grotesken Weisheit, den „Bafler“: „Der Bafler ist ein Mann, seine Tätigkeit ist in der Sprache//der immer bafelt, dichtet. Und jede Gesellschaft oder Stammtisch immer wartet auf seinen Bafler, das ist der Mann, der kommt, und seine Taschen sind voll von schönen Geschichten, Anekdoten und er kann auch diese Anekdoten erzeugen. Er ist immer fähig, die Leute lustig machen.“
„Am gefährlichsten von allen ist dieser – Hrabál. Wenn Revolution, wenn überhaupt Revolution, dann nur gegen sich selbst. Sowas schreibt dieser Hrabál: Ich wollte immer nur mich verändern, denjenigen, den ich in greifbarer Nähe hatte. Mich selbst.“
Theater Regensburg – Aufführung am 22. Juni 2015
Fotos: Sarah Rubensdörffer
Doris Liebermann: Bohumil Hrabal – Perlen voll Weisheit und Erkenntnis (Deutschlandfunk)
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