Nachrichten vom Höllenhund


Taschler
27. Februar 2016, 15:02
Filed under: - Belletristik | Schlagwörter:

Judith W. Taschler: Die Deutschlehrerin

taschlerlehrerinSie heißen Mathilda und Xaver. Obwohl sie aus unterschiedlichen sozialen Milieus stammen, finden sie sich in Wien beim Studium, verstehen sich und bleiben 16 Jahre zusammen. Sie will Kind und Familie, er fühlt sich dafür noch nicht „reif“ genug. So weit, so üblich.

Xaver ist nach anfänglichen Misserfolgen bekannter und vielgelesener Schriftsteller geworden, nachdem eine zusammen mit Mathilde erarbeitete Jugendbuchtrilogie unter seinem Namen auf den Markt kam. Mathilda ist pädagogisch und methodisch ambitionierte und bei ihren Schülerinnen sehr beliebte Deutschlehrerin. Irgendwann ist Xaver weg, wie sich herausstellt, hat er Denise aus prominenter Familie geheiratet und hat zudem ein Kind von Denise, Jacob. Nichts Ungewöhnliches – für einen Roman.

Nach 16 Jahren führt das Schicksal – mit einiger Nachhilfe – Mathilda und Xaver wieder zusammen. Einige Schriftsteller erklären sich bereit, in Schulen Schreibwerkstätten zu betreuen und Xaver wird Mathildas Innsbrucker Gymnasium „zugelost“. Vor dem Treffen sind sie natürlich aufgeregt, doch es ergibt sich, dass sie sich immer noch verstehen, ja, lieben, auch wenn sie die Verarbeitung ihrer Trennung ordentlich durchgeschüttelt hat. Zeit für das Happy-End. Fast.

Judith W. Taschler erzählt diese so oft erzählte Geschichte ein wenig anders und darin liegt der Reiz des Romans. Sie dekonstruiert zunächst einmal die Komposition, um die Bausteine dann recht raffiniert neu zu konfigurieren. Mit Andeutungen erzielt sie Spannung, um den Leser (die Leserin) dann mit ausführlichen Rückblenden auf beider Familienstammbäume in die Warteschleife zu schicken. Die Zeiten verzopfen sich. Vor dem erneuten Treffen schreiben sich Mathilda und Xaver lange e-Mails, Taschler zitiert Vernehmungsprotokolle, lässt Mathilda und Xaver Spiegelgeschichten erzählen, in denen sie über ihre jeweilige Deutung des Geschehens spekulieren können. Die kurzen Kapitel wechseln sich schnell ab. Das ist auf der Höhe der Zeit.

Gesendet: 27. Jänner 2012 Von: M. K
An: Xaver Sand

Mir ist es aber wichtig. Du kannst dir nicht vorstellen, wie es mich quälte. Ein paar Wochen nach deinem Weggehen erfuhr ich, dass du sofort bei ihr eingezogen bist. Ich würde gerne wissen, wann und wo du sie kennengelernt hast und wann ihr ein Paar wurdet. Es war ja dein Vorschlag, über Vergangenes zu erzählen und zu reflektieren und ich finde, das zu erzählen, bist du mir schuldig.
Mathilda

Vier Minuten später Von: Xaver Sand An: M. K.

Gut, ich werde es Dir genau erzählen, doch jetzt muss ich leider dringend weg. Ich wünsche Dir eine gute Nacht! Xaver

Was auffällt – oder abfällt -, ist die betont einfache Sprache, die oft in ihrer nüchternen Unbeholfenheit an Erzählversuche in Schreibwerkstätten erinnert. Das lässt sich natürlich durch den Inhalt legitimieren und Taschler spielt ja auch mit dem Motiv. Der Roman ist insofern Attitüde. Etwas bizarr wirkt es, wenn in den e-Mails durchgehend das Präteritum verwendet wird: „du aßest“ oder „fühltest du dich so sicher“ oder „du schildertest mir“. Das dürfte sich auch in Österreich – oder gerade dort – ungewohnt anhören. Die e-Mail-Texte sind im Ausdruck viele elaborierter als der sonstige Romanstil.

Nach seinem Verlagspraktikum in München hielt Xaver einen Anstandsbesuch bei seiner Mutter für nötig, da er seit fast einem halben Jahr nicht mehr zu Hause gewesen war; und weil er nicht alleine fahren wollte, fragte er Mathilda, ob sie ihn nicht begleiten wolle.
Es war ein strahlend schöner Septembertag und beide waren gut gelaunt. Die Zugfahrt dauerte zweieinhalb Stunden, am Bahnhof wurden sie von einem Nachbarn abgeholt, der sie die letzte halbe Stunde in seinem uralten Mercedes Benz bis direkt vor das Haus schaukelte. Mathilda saß hinten auf dem Rücksitz und träumte vor sich hin; der alte Mann gab sich ihr gegenüber betont jovial und sie amüsierte sich mit ihm. Überglücklich war sie, dass Xaver von ihr erzählt hatte und daraufhin seine Mutter sie kennenlernen wollte, es bedeutete ihr sehr viel und sie war ein bisschen aufgeregt.

Judith W. Taschler schreibt die triviale Liebesgeschichte in trivialem Stil, wertet sie aber durch die Haken der Komposition und durch psychologisierende “Lebensmotive“ und kriminialistische Einlagerungen auf. Als Krimi habe ich das Buch nicht gelesen, auch wenn es 2014 den Friedrich-Glauser-Preis für Kriminalliteratur erhielt.

Das Titelbild scheint in die Irre zu führen, trifft aber wohl doch den Kern des Romans.

2013         225 Seiten (TaBu)

3-4


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