Nachrichten vom Höllenhund


Krach im Hause Gott
6. März 2016, 15:39
Filed under: Theater

Felix Mitterer: Krach im Hause Gott
Inszenierung: Volker Schmalöer

Herr Gott hat Schuldkomplexe und Probleme mit Frauen. Der Sohn ist ein smarter Schönling und der Hausgeist transgender. Ein Fall für die Therapie. Was die Sache aber schier aussichtslos macht, ist, dass sich Herr Gott einbildet, vollkommen allmächtig und grenzenlos gut zu sein. Mich geht das an sich nichts an, auch wenn Herr Gott davon phantasiert, mich geschaffen zu haben, mich, den Menschen. Halluzi.

Anfangs des 17. Jahrhunderts gab sich ein Herr Leibniz als großer Gottversteher und Mitfühler erfolglos Mühe, diesen Herrn Gott als gut und gerecht zu rehabilitieren. „Seine“ Schöpfung schien gründlich missraten zu sein, die „Theodizee“ stellte die Frage nach seiner Verantwortlichkeit. Mit den Herren Feuerbach, Nietzsche, Marx u.a. stellte sich diese Frage nicht mehr, da diese den Herrn Gott mitsamt seiner Phantasien für inexistent erklärten: Gott war und blieb tot. Das war im 19. Jahrhundert.

gotthaus4Felix Mitterer aus Tirol hat davon nichts mitgekriegt und lässt mehr als ein Jahrhundert später noch einmal diskutieren, ob Herr Gott am Elend der Menschen (mit) Schuld habe. Sein Stück „Krach im Hause Gott“ kam 1994 auf die Bühne. Aber das Thema ist durch, gegessen, wie man in Tirol sagt. Naive oder sentimentale Christen mögen sich damit noch abmühen, vielleicht ergibt sich mit Gott Allah und seinem rechthaberischen Propheten Muhammad irgendwann einmal eine Neuauflage.

Dass die Welt des Menschen nicht die beste ist, lässt sich ohne Probleme stets aufs Neue und aktuellste demonstrieren. Herr Satan zählt im Theater am Haidplatz alle möglichen Mängel und Defizite auf und bringt sie gegen Herrn Gott in Anschlag. Was aber nur für das nicht aufgeklärte Publikum eine Nachricht ist, denn Herr Gott hat die strukturellen Konstruktionsfehler des Menschen längst erkannt. Gerhard Hermann ist schon ganz blass, fällt ständig in Ohnmacht – was bei einem gotthaus2„allmächtigen“ Schöpfer natürlich lustig ist – und hält nur dank unzähliger Nespressos bis zum Ende der Vorstellung durch.

Die theologische Auseinandersetzung lässt man über sich ergehen, das Bühnengeschehen jenseits des Disputs ist aber durchaus heiter. Der Himmel (?) hat Balken, was den darauf Balancierenden groteske Anmut abverlangt. Sebastian M. Winkler posiert in Converse tänzelnd und dornenbekränzt grimassierend über den Steg, dass es für die Zuschauer nur so eine Freude ist. Topless mit aufgemalten Wunden, selbstverliebt, zum Anbeten schön. In den 50-er Jahren hätte man sich darüber noch echauffieren wollen. Daniel Gawlowski – als Gast in Regensburg – freut sich kindlich über seine Rolle als weißgefiederter Dritter im Bunde. Als der Geist die Frau in sich entdeckt und am Schluss mit seinem goldbehosten Arsch wackelt, kennt der Jubel im Publikum keine Geschlechtsgrenzen mehr. (Das Highlight des kurzen Abends?) Auch wunder hübsch anzusehen in ihrer Jungfrauennische auf den Einsatz wartend: Franziska Sörensen alias Muttergottes. Später wird sie als Putzfrau den Mindestlohn verlangen, sich als Sekretärin bei Herrn Gott einschmeicheln wollen und als Marilyn „I wanna be loved by you“ einfordern (was Herr Satan sofort wörtlich gotthaus3nimmt – naja.) Das Lied wurde für den tänzelnden Abgesang der Familie nochmals eingespielt: Ballett im Hause Gott. Schön. Die weiteren Ein-Sätze von Muttergottes als Gender-Mainstreaming reklamierendes Ebenbildnis des Herrn wirkten aufgesetzt; das stammte auch nicht alles aus der Feder Felix Mitterers.

Weit agiler als der schluffige Herr Gott kann der gotthaus1teuflische Satan mit seinem Schwänzlein spielen. Von ihm stammte auch die einzig relevante Frage des Abends: „Warum haben die Frauen 2000 Jahre Kindererziehung nicht genutzt, um einen neuen Mann nach ihrer Vorstellung zu schaffen?„ In solchen Rollen seh ich Herrn Blume gerne. Der Gewinner des Events neben Dschiesas.

Die Vorstellung war kurz, hätte aber auch nicht länger sein dürfen. Die erheiternden Effekte entstammen nicht dem Stück, sondern den kreuzbraven Einfällen der Inszenierung, etlichen aktuellen Anspielungen und vor allem der Spiellust der Darsteller. Unerwartet euphorischer Applaus, vor allem aus den hinteren Reihen.

Theater Regensburg – Aufführung am 4. März 2016

Fotos: Jochen Quast (z.T. in Ausschnitten)


2 Kommentare so far
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Der Verfasser ist mit der Theodizee wenig vertraut, er verwendet den Begriff (bewusst) plakativ, um seine Privatmeinung davon absetzen zu können. (Immerhin ist die Theodizee verlinkt zu einem kleinen Artikel des Bayerischen Rundfunks). Leibniz`Leistung kann nicht gemindert werden, er ist Aufklärer, aber, wie alle anderen, aus seiner Zeit heraus zu verstehen.
Für eine Kritik des Theaterstücks ist die Kritik des Theodizee-Begriffs für den Verfasser eher nebensächlich. Er betrachtet den „Krach im Hause Gott“ vornehmlich als Komödie, deren „Tiefgang“ interessiert ihn hier nicht so sehr.

Kommentar von vomhoellenhund

Nur eine Anfrage zum ersten Satz des zweiten Absatzes: Kennt der Verfasser der Theaterkritik die Theodizee von Leibniz wirklich so gut, dass er diesem großen Genie bei der Rechtferigung Gottes „erfolglos(e) Mühe“ attestieren kann?

Kommentar von Anonymous




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