Nachrichten vom Höllenhund


Dear Eddie
4. April 2016, 19:08
Filed under: Theater

Dear Eddie
Buch und Inszenierung: Mia Constantine

Ich meine, ich habe Eddie Constantine nie im Film gesehen. Auf der Festplatte schlummert sein Song „Schenk deiner Frau doch hin und wieder rote Rosen“. Auf dem Foto erkenne ich ihn wieder. Als Ikone. Aber wofür?

eddiekarteParfümierte da einer den Mief der 50-er Jahtre mit ein bisschen Duft der weiten Welt? Sonnte sich Deutschland in der weltläufigen Biografie des Eddie Constantine? Die wesensverwandte östliche Seele, veredelt durch vermutete Karrieren in Amerika und Frankreich, das führte im Deutschland der Wunderjahre leicht zu Integration – in den Mief. Für jede Nische findet sich die Inkarnation: Hoppla, hier kommt Eddie, (sich) lässig prügelnd, im Saufen damals schon cool, Whiskey statt Bommerlunder, die Stimme französisch aufgerauht. Ohlala. So stellte sich der deutsche Miefmann den Erfolg bei den Weibern vor. Das ist besser als Willy Hagara und Bully Buhlan zusammen.

Wenn einer länger lebt als viele andere, wenn einer schon länger tot ist, als er bekannt war, taugt er zur Legende. Eddie, die Ikone. Ikonen sind Kult, in ihnen will man sich selbst finden, darf dazugehören. So viel zur Kultur, die Eddie in Deutschland Willkommen heißt.

Das Theater in Regensburg kann sich auf die Mythifizierung verlassen, es braucht sich darum aber nicht zu kümmern, denn am Theater Regensburg arbeitet Mia cConstantine, Eddies Tochter. So liegt es nahe und ist mehr als legitim, dass das Theater Regensburg ein Stück über Eddie Constantine anbiete, eine „Hommage“, die aber hinter der Kultfigur – auch – den Menschen Eddie Constantine finden will.

Es gibt genügend Anschauungsmaterial. Natürlich die Filme („Küsse, Kugeln und Kanaillen“), Interviews, die Songs, wichtig, seine Autobiografie, die Eddies Frau neueddiemulti übersetzt hat: „Dieser Mann ist nicht gefährlich.“. Mia Constantine hat daraus einen Bilderbogen montiert, so „schillernd wie sein Leben“. Sie macht das liebevoll, wie auch sonst, Eddie Constantine sei ein Mann mit „sehr großem Humor, Lebensfreude, innerer Beweglichkeit und unglaublicher Offenheit“ gewesen. Ein ironischer Zweifler, der sich selbst immer wieder als „Versager“ apostrophierte. Er hatte viel Erfolg, aber nicht den, den er sich erhoffte. Was aus der Autobiographie zitiert wird, beschäftigt sich mit dieser Verkennung, meistens hört es sich aber wie Plattitüden an.

„Dear Eddie“ ist sehr vergnüglich. Eddie steigt aus der Leinwand auf die Bühne, spielt dort weiter, singt mit sich selbst, bis aus ihm vier Eddies werden,drei mit den Eddie-Hüten, einer, als alter Eddie mit Mütze, Gerhard Hermann, der Tausendsassa des Theaterrepertoires, er führt durch den Abend. Die Vorstellung ist als mediale Melange angelegt, Projektionen, Songs, Spiel ,alles geht ineinander über, Filmdialoge werden live „synchronisert“, schwer zu entscheiden, was „echt“ ist. Die drei Eddie-Brüder, Gunnar Blume, Robert Herrmanns und, hier vervorzuheben, Benno Schulz, singen und tanzen uns steppen, dass es eine Freude ist. (Und gut, dass sie nicht Eddies Stimme imitieren.) Schön anzuhören und schön anzuschauen im Bühnenbild von Monika Frenz.

eddievier

Ihre eigene Rolle spielen natürlich auch die Insignien der Ikonographie: der Whiskey ist stes zur Hand, die Zigaretten zaubern den verr(a)uchten Charme der Nachkriegszeit, die Frauen, Eddies Liebstes – neben Geld. Susanne Berckhemer  darf hier die Attrakivität der Eddie’schen Gesamtmieze zeigen und dabei das Perückenarsenal der 50er Jahre vorführen. Aber keine Angst: Verführung ja, aber aus Prinzip: Ein Draufgänger bleibt ledig.

Die vierköpfige Band um Ralf Schurbohm begleitet die Schlager und spielt den dezenten Jazz an. Wer Eddie Constantine wirklich war? Man will es wohl gar nicht so genau wissen, aber man schaut die Revue gerne an. Viel Applaus – auch von mir.

 

Theater Regensburg – Aufführung am 2. April 2016

Fotos: Jochen Quast

„Zucker für den Affen“ -SPIEGEL-Titelgeschichte über Eddie Constantine vom Oktober 1958

 


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