Nachrichten vom Höllenhund


Karlsson
13. August 2016, 17:47
Filed under: - Belletristik | Schlagwörter: ,

Jonas Karlsson: Das Zimmer

karlssonzimmerWitzig und scharfsinnig beschäftigt sich Jonas Karlsson mit der Konformität in der modernen Arbeitswelt und mit der Frage, wie man als kleines Rädchen im großen Getriebe glücklich werden kann. (Klappentext)

Zwei Wochen zuvor hatte ich meine neue Stelle bei der Be­hörde angetreten und war in vieler Hinsicht noch ein An­fänger. Trotzdem versuchte ich, möglichst wenig zu fragen. Ich wollte schnell einer von den Leuten werden, auf die es ankam.
Bei meiner früheren Arbeitsstelle war ich es gewohnt ge­wesen, zu den führenden Köpfen gezählt zu werden. Nicht in leitender Position oder auch nur als Vorgesetzter, son­dern als jemand, der andere gelegentlich in ihre Schranken wies. Ich war nicht immer beliebt, kein Schmeichler oder Schönwettermacher, aber man betrachtete mich und begeg­nete mir mit einem gewissen Respekt, vielleicht sogar mit Bewunderung. Einem Hauch von Unterwürfigkeit – wer weiß? Jedenfalls war ich fest entschlossen, an meinem neuen Arbeitsplatz so schnell wie möglich genauso viel Einfluss zu erlangen.

Der Erzähler heißt Björn und erzählt so, dass man sehr bald merkt: Björn ist ein aufgeblasener Unsympath. Gerade richtig für die Team-Arbeit in einem Großraumbüro. Er bringt nichts auf die Reihe, aber alle Kolleg(inn)en gegen sich auf. Der Angelpunkt in Jonas Karlssons kleinem Roman: Björn entdeckt an seinem Arbeitsplatz „Das Zimmer“, das keiner außer ihm kennt oder auch nur sieht und das es nach den Plänen des Büros gar nicht geben kann.

Das ist Stoff für eine Parabel. Das Zimmer könnte als privater Gegen- oder Rückzugsraum für die „moderne Arbeitswelt“ herhalten. Aber das bleibt im Buch als bloße Behauptung des Protagonisten Björn stehen. Karlsson umeiert dieses Motiv in simpler Sprache und spiegelt damit die Gedanken des Simpels Björn. Ich werde die Geschichte vom Undercover-Raum so schnell leid wie micht Björn nervt, mir erschließt sich keine Symbolik, ich sehe keinen „modernen Mensch im Hamsterrad und seine Suche nach Glück“ (Klappentext). Björn ist der, der seine Kollegen mobbt und sie und den Leser quält, „Glück“ sucht er nicht und hat der Depp auch nicht verdient, was er machen möchte, ist: Karriere. Hybris. “Lange nicht mehr wurde die Absurdität der scheinbar normalen Arbeitswelt so treffend eingefangen“, schreibt Anne-Dore Krohn vom kulturradio. Nein, das ist allenfalls Mittelstufenschreibe, der Kampf um den Platz fürs Schulmäppchen. „Liest sich, als wäre Kafka in der Postmoderne auferstanden und hätte einen schwedischen Krimi geschrieben.“ (Konstantin Ulmer/ZEIT ONLINE) Ich kenne Konstantin Ulmer nicht. Er scheint sich sein Leben in der Postmoderne eingerichtet zu haben. Der Hinweis auf Kafka ist borniert.

Philipp Tingler (SF-Literaturclub) überhöht das Motiv ins Tragische, er erkennt gar Dostojewskihafte Figuren. „Am gelungensten ist, wie es der Autor schafft, dass wir uns widerwillig mit diesem Björn identifizieren.“ Ich sehe nur Gründe, weshalb ich das nicht tue. Es geht Karlsson auch nicht um die „Umzumutbarkeit unserer Arbeitswelt“, wie das Elke Heidenreich „lange nicht mehr gelesen“ hat. Björn bildet sich ein Zimmer ein und der Leser verweifelt, weil er nicht erfährt, ob das Lug oder Trug ist. Es ist egal!

In manchen Büchern finde ich viel zu zitieren – ein Qualitäts-Indiz, bei Karlsson entdecke ich nichts, was jenseits der kargen Handlung von Interesse wäre. Tingler liest die Sprache als „sehr dicht“. Ich versteh das nicht.

Da Karlsson Schauspieler ist, kann befürchtet werden, dass „Das Zimmer“ bald auf der Bühne auftauchen wird.

Angemessene youtube-Rezension aus Mel´s postmoderner Bücherwelt

Diskussion im SF-Literaturclub (15 Minuten)

 

5


Kommentar verfassen so far
Hinterlasse einen Kommentar



Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..



%d Bloggern gefällt das: