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Werner Fritsch:
Shakespeares Schädel in Fausts Faust
Inszenierung: Bernd Liepold-Mosser
Der Zauberer Prospero lebt auf einer Insel. Eine Insel ist umgeben von: Wasser. Also flutet man die Theaterbühne. Schließlich wird aus dem „Sturm“ zitiert und Prospero spielt auch mit. Mehr Sinn für die Wässerung lässt sich nicht ausmachen. Aber wo man das Wasser schon einmal eingelassen hat, setzt man szäter noch ein gelbes Schlauchboot drauf und stapelt auf das Gummiboot die Akteure. Ein Einfall, wie viele an diesem Abend. Flach wie der Bühnentümpel.
Auftritt Prospero in glitzerndem Zaubermantel und irr-unwitzigen Plateausohlen. Ein pompöser Anblick, kurz blendend, schnell verblasst, denn Prospero ist hier kein Magier, sondern biederer Zeremonienmeister, der abundzu fingerschnippen darf. Sonst stapft er auf hohen Sohlen durchs seichte Wasser. Plateau nicht wie erhaben, sondern wie platt. Wie das allermeiste am Abend. Keine Rolle, Frerk Brockmeyer verschenkt. Versenkt.
Auch Gunnar Blume irrt über die Bühne. Seine „Rolle“ steht im Titel: Faust, vielleicht auch Goethe, kann sein auch Fritsch. Würde seine Rolle wegfallen, man hätte nichts vermisst. Auch wenn er eine Brille trägt, die irgendwelche Bedeutung anzeigen soll. Immerhin hat er eine schöne Szene, als er im leisen Wechselgespräch mit Andine Pfrepper den Dialog über die Apokalypse aufsagen darf. Dann ist da noch Jacob Keller, der Gute. Der hier meist mit Schädel auf dem Kopf herumwaten muss. Was er sagt, versteht man nicht bessser als alles andere an diesem Abend Aufgesagte.
Es wird nicht gespielt, sondern zum Publikum gesprochen – ohne dass der viele Text ins Publikum eindringt. Dialoge, denen man den Bühnenpartner nimmt, verlieren ihren Anspruch, ihre Plausibilität, ihre Schärfe. In diesem „Stück“ gibt es keine Spannung, nur Geplätscher. Shakespeare, gesampelt, in eine neue Ordnung gebracht von Werner Fritsch, zum 400. Todestag. Eine geübte Methode, die Neukonstruktion isolierter Teile soll neue Sichtweisen eröffnen. Aber an diesem Abend öffnet sich nichts – auch, weil wir Zuschauer die Bausteine nicht rekonstruieren können. Die neue Welt, die sich aus Shakespeares Geistern entfalten soll, ist eine hermetische, springt nicht aus Fritsch’ komplex gefülltem Schädel ins Theater. Vielleicht bin ich auch zu verkrampft, will Sinn aus dem Detail präparieren und vergesse darüber das Universum.
Allerdings ist das Bühnenuniversum ein arg diesseitiges. Karla Fehlenberg erschafft eine Disco mit Glitzervorhang ind Glitzerkugel, am Ende schwebt ein Raumschiff mit Leuchtstabbeinen herab mit einer huldvollen Susanne Berckhemer als liebe Göttin. Die Inszenierung ist zu brav, zu statisch, bietet nicht „barockes Welttheater” (Egbert Tholl, SZ), die Fritsch’sche “Traumlogik” zerstiebt in belanglose Gimmicks, Sehen und Hören werden getrennt und blockieren einander. Die Darsteller haben viel Text gelernt, was von den Zuschauern im zu drei Vierteln vollen Haus gewürdigt wurde. In Fritsch’ Textbeiträgen sieht Peter Geiger (MZ) oft „witzig-verspielte Assonanzen“ und dürfte damit allein stehen: „Tranket Ihr doch schon sechs Bier!“ „Shakespeare?! Der Text ist von mir!“ – Kindergeblödel, wie auch der „Massendichtel und –möldel“ Mao. Was ein wenig versöhnt: Die drei Diktatoren singen mit bei „Sierra Madre“ der Shakespeareschen Schürzenjäger. „Das ist schon ziemlich schön.“ (Andreas Thamm, nachtkritik.de) Armes Theater.
Theater Regensburg – Aufführung am 22. Januar 2017
P.S. Man sollte aufpassen: Wo die Bühne zehenhoch im Wasser steht und dazu noch Aliens beschworen werden, ist nichts Gutes zu erwarten. Die Münchner Kammerspiele sind mit Reinhard Jirgls „Nichts von euch auf Erden“ im letzten Jahr auch Baden gegangen.
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