Nachrichten vom Höllenhund


Winterreise
20. März 2017, 13:17
Filed under: Theater

Elfriede Jelinek: Winterreise
Inszenierung: Mia Constantine

In der Umsonst&Wertlos-Zeitung lassen sie Nadine J. schreiben, Regisseurin Mia Constantine habe „sich um die “Winterreise” angenommen“. Das ist um den Inhalt her richtig, aber auch in Regensburg lässt sich mit Jelinek kein Theater machen. Lange haben sie – zurecht – gezögert, immerhin schienen sie vorgewarnt. Zum einen verlegte man die „Winterreise“ ins kleine Theater am Haidplatz, zum anderen kürzte man die Textfläche, die ansonsten in Quadratmetern gemessen wird, auf 1 ½ Stunden. Die Nähe der Darsteller und der Verzicht auf zuviel Schaumschlägerei macht das „Stück“ erträglicher.

winterreise8Dennoch: Es überwiegt das Geplänkel auf den Planken, die ein Schauspiel bedeuten sollten. Jelineks Text kann nichts dafür, dass er von 2011 stammt, er hat nichts von seiner Banalität verloren, auch wenn die verhandelten Sujets in die Jahre gekommen sind: Hypo-Alpe-Adria, Natascha Kampusch, Facebook als solches und dergleichen mehr. Das Motiv der Winterreise sind überzeitliche Befindlichkeiten: Wandern in verschneiten Regionen der Seele, die dunkle Seite der Romantik.

Jelineks Texte sind Texte. Keine Rollen. Nichts für die Schaubühne. Was das Theater über die Rezitationen (auch zweistimmig, auch gesungen, oft aus dem Off) hinaus liefern kann, winterreise3sind Bebilderungen. Textklöppeleien zur „verkauften Braut“ > ein ungelenkes Tänzchen zwischen Jacob Keller und Sebastian M. Winkler, Phrasen zum Ausverkauf der Alpen > Wir zwängen uns in stylish-enge Schianzüge und –brillen, Natascha Kampusch > Verena Maria Bauer steht im übergroßen Ringelpullover auf der Bühne und mimt Gefängnis, singt dabei ein bisschen. Trivial. Zu trivial. Kein Theater, allenfalls Diorama.

Nicht alles ist schlecht. Der Prospekt ist vertikal zweigeteilt: die Oberfläche/Oberwelt und das verborgene Unbewusste, in Österreich auch als Keller bekannt. (Ulrich Seidls Film „Im Keller“ legt so viel mehr offen.) In diesen Katakomben der Seele lässt sich gut kriechen, es gibt auch mühsam zu öffnende Klappen nach oben. Akzeptabel auch Ulrike Requadt als Jelinek herself, gottseidank phänotypisch nicht 1:1, auch zu heiter. Ulrike Requadt hat schon öfter gezeigt, dass sie mit ihren Erzählungen zu faszinieren weiß.

winterreise4Das größte Plus – wie bei der „Winterreise“ an den Münchner Kammerspielen: der abgeschobene Vater. In Regensburg wandert Michael Heuberger ziel- und orientierungslos durch die in die Unterwelt projizierte Winterlandschaft, in der realen Welt liegt er hilflos, bevor er aufsteht und sich bewegungslos an die Rückwand lehnt, die Hände haltsuchend angepresst. Michael Heuberger nimmt man das Lamento des dementen Vaters ab, was auch damit zu tun hat, dass der Text klug gekürzt wurde. Die Zeit ist verflogen, “im Dunklen wird mir wohler sein.” (Wilhelm Müller)

Nicht zu vergessen: Das Licht in den Kästen der Unterwelt geht an und aus. Kostümiert sind alle in geschlechtsneutrale Sackkleider. Die Musik umspielt elektronisch den Schubert.

Wenig Spektakel, und das ist gut so, doch mit Jelineks Texten ist schwer Theater zu machen. Dennoch starker Beifall.

Theater Regensburg – Aufführung am 14. März 2017


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