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Friedrich Schiller: Maria Stuart
Inszenierung: Mélanie Huber
„Maria Stuart“ hat wenig mit der Geschichte britischer Dynastien zu tun, Maria Stuarts Leben ist Stoff für Friedrich Schillers Drama (1800), Stoff für den Himmel des deutschen Idealismus nach der erdverhafteten französischen Revolution (1789f). Schiller schrieb immer wieder ein Drama, das vom Schicksal des gescheiterten Moralisten (ob Frau wie Maria Stuart oder Mann wie Don Carlos), der im historischen Schicksalskampf nur im Tod überleben kann. Den Historiker Schiller drängte es weg von der Politik hin zum Wolkenhimmel. Schon 1800 war das obsolet.
2017 kann man „Maria Stuart“ anschauen, wenn man ideengeschichtlich darauf vorbereitet ist. Ansonsten wird Geschichte eingeebnet in die Konflikte von Personen, psychologisch natürlich zeitlos, aber verhaftet in romantischer Innenschau. In Regensburg spielen sie das „klassisch“ nüchtern, hoch konzentriert auf den Konflikt zwischen Macht und Moral. Die beiden Fast-Schwestern Maria und Elisabeth müssen sich bekämpfen – und sind sich doch so ähnlich, dass sie auf der Bühne in nahezu identischem Habit erscheinen. Elisabeth muss, um sich zu halten, sagen: „Sie ist ganz anders.“, Maria sagt: „Sie ist wie ich.“ Elisabeth, die Macht, Maria, der Mensch. Elisabeth überlegen in der harten Welt, Maria im Herzen Schillers.
Die Frauen sind nicht eindimensional, „beide sind Menschen“ (Verena Maria Bauer, Maria). Maria zeigt Härte, als sie Elisabeth im Rededuell als Bastard bezeichnet und die Krone für sich einfordert,, Elisabeth darf sich im Gram beugen und Tränen vergießen, darf mit sich und der Welt hadern. (Was sie am Schluss ausführlich und windungsreich tut.) Die Macht muss siegen, Elisabeth hat sonst nix. Maria hat Männer und einen Sohn, der – Treppenwitz – nach Elisabeths Tod König von England werden wird. Verena Maria Bauer und Andine Pfrepper sind die beiden Königfrauen, beide so jung, wie Schiller dies wollte, beide spielen intensiv, beherrschen Bühne und Saal. (Andine Pfrepper könnte noch ein wenig deutlicher artikulieren.) Hofschranzen gibt’s mehr als Personal im Ensemble und so übernehmen die meisten Darsteller (Benno Schulz, Franziska Sörensen, Gunnar Blume, Michael Haake, Philipp Quest, Josephine Raschke) mehrere Rollen. (Ich hab da bisweilen ein bisschen den Überblick verloren.) Alle bewältigen die vielen Auf- und Abtritte und ihre selbstsüchtigen Intrigen reibungslos und mit Verve. Silke Heise ist nicht nur Generalsekretär Davison, sondern steht als „Chor“ ständig auf der Bühne, kommentiert und akzentuiert zentrale Textstellen. Eine gute Idee.
Die Mauern von Fotheringhay imponieren in wuchtig-kupfernen Quadern, die sich auch mal verschieben lassen, Martin von Allmen kitzelt bedrohliche Töne aus dem Krummrohr, im Hintergrund singen die Spieler stimmungsvoll und erzeugen fast sakrale Klänge.
Regisseurin Mélanie Huber hat mit Stephan Teuwissen acht Monate lang das Stück „entschlackt“, hat „ellenlange Monologe“ gestrichen, die „Schillersche Erhabenheit weggenommen“. Dass Graf Leicester bei Elisabeth bleibt und nicht – wie bei Schiller – „romantisiert“ (Huber) zu Maria wechselt, wird nicht jedem auffallen. „Maria Stuart“ bleibt auch in Regensburg „klassisches Trauerspiel“ und wird nicht zum politischen Theater. Elisabeth und Maria können autonom handeln, wenn auch nicht frei. Freiheit gibt’s nur im Kerker oder im Tod. Volk kommt nicht vor, braucht’s auch nicht, auch wenn sich Elisabeth beim Todesurteil auf Volkeswillen beruft. Das ist nur psychogrammatisches Wegschieben der Schuld. „Die Könige sind nur Sklaven ihres Standes, Dem eignen Herzen dürfen sie nicht folgen.“ (Elisabeth – gemäß Schiller)
Mélanie Huber meint, in ihrer « Maria Stuart“ stecke „eigentlich alles drin, was im Moment gerade abgeht“: „rhetorische Schlachten“, interessengelenkte Deutungen, „Fake-News“. Diese Meinung ist – auch begrifflich – zu billig und lenkt von der Zeitgebundenheit des Stückes ab. Da könnte man auch sagen, dass es heute noch dicke Mauern gibt.
Schüler hab ich gar nicht so viele gesehen, eine Menge Zuschauer aber harrten bis zum Ende aus und spendeten reichlich Beifall. Ob rechte Wähler und Russlandaussiedler die Möglichkeit genutzt haben, sich der „Kultur“ zu nähern, die sie als deutsche retten wollen, ist nicht zu ermitteln.
Theater Regensburg – Aufführung am 29. September 2017
Fotos: Jochen Quast
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