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Lorenz Langenegger: Nord West 59
Inszenierung: Charlotte Koppenhöfer
Die Personen nach der Bestzungsliste: Mika, ein verurteilter Marionettenspieler – Mats, ein fröhlicher Wiederholungstäter – Conny, eine talentierte Zeichnerin – Flo, ein erfolgreicher Werber – Rashid, ein billiger Möbelpacker – Alia, eine gute Lehrerin. Diese sechs Personen suchen nach der Handlung und entwickeln das Geschehen nach und nach in ihren Dialogen und ihren Interaktionen. Aber niemand darf, kann oder will etwas sagen. Das wird kompliziert. Jede(r) versteht nur seinen(ihren Part, aber nicht die Verwicklungen, alle reden erstaunt, oft aneinander vorbei, setzen immer wieder von vorne an, viele Sätze enden zu früh. Wie im richtigen Leben. Man misstraut den Worten der anderen, traut sich nicht mal, sie anzuschauen oder gar zu berühren, auch und gerade, wenn man sie bräuchte. Die Welt ist unsicher geworden.
Langenegger serviert dem Zuschauer keinen fertigen Plot, keine naheliegenden Plausibilitäten. Er mischt die Karten immer wieder neu und ruft die Personen in wechselnden Kombinationen auf die Bühne, wo sie meist zum Publikum sprechen. Die Lösung soll ja im Zuschauer entstehen, er soll helfen, die Fäden und Verknüpfungen zu finden.
Die Methode ist nicht neu, wird aber von Autor und Regisseurin konsequent angewendet. Drei graue Wände lassen sich auf der kleinen Bühne (Julia Weideli) leicht vor- und zurückschieben, minimale Veränderungen der Konstellation; realistische Kulissen würden nur ablenken. Die Darsteller in weißgrauer Homewear: Erdulden ist angesagt, bloß keine Prätention. (Kostüme: Maria Preschel) Sogar Mats sitzt seine eingeübte Coolness im Retrosessel ab. Robert Herrmanns hat damit nicht viel Mühe. Auch den anderen gestattet die Inszenierung skizzierte Charaktere: Josef Simon als fluffiger „Ich-kann-nichts-dafür“ Flo, Daniz Baser, der als Mika auch im unverstandenen Unglück friedlich-freundlich bleibt, Mika-Flos Freundin Conny als donna mobila, wendig beweglich, resolut ins Nichts stürmend. Schön und trendy, dass die Figuren trans-ethnisch besetzt sind: Zeynep Buyrac als Conny, Philipp Quest als syrischer Rashid, die harsche Verena Maria Bauer als flüchtige Alia.
„Ein herzensguter Zirkusartist, der von den beiden Menschen, denen er am meisten vertraute, betrogen und zum Justizopfer wurde, ein Kunstfälscherring, Erpressung, illegale Migranten, eine Kindesentführung und eine Leiche. Das könnten auch die Zutaten für einen kolportagehaften Fernsehkrimi sein.“ (Petra Hallmayer, SZ) Aber diese Zutaten wie auch das persönliche Leiden sind eben nur die Ingredienzen, aus denen das Stück zusammengeflochten ist. Es ist das Flechten, die Form, die die Vorstellung über 80 Minuten reizvoll macht. Zur Auflockerung dekoriert Charlotte Koppenhöfer mit ein paar bunten Luftballons und Federbällen, die man, wenn man will, als Metaphern sehen kann. Videos von Arpad Dobriban schaffen stimmige Atmosphären. Die Schauspieler machen ihre Sachen sehr gut.
Theater Regensburg – Aufführung am 16. Dezember 2017
Fotos: Jochen Klenk
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