Nachrichten vom Höllenhund


Reski
28. Januar 2018, 15:36
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Petra Reski: Palermo Connection

reskipalermoSizilien. Palermo. Mafia. Da kennt Petra Reski sich aus. „Wenn nichts funktioniert, wenn der Staat nicht da ist, dann tritt die Mafia an seine Stelle, sagte Giovanni und fuhr dabei wie blind durch das Gewühl von Palermo, in dem Wieneke keinerlei Anzeichen für eine wie auch immer geartete Ordnung erkennen konnte – bis auf einen Polizisten, der im Lichtkegel der Abendsonne stand und sich mitten auf der Kreuzung mit einer Frau unterhielt. (…)Die Mafia hat alles, was der italienische Staat nicht hat, sagte Giovanni. Sie funktioniert, hat feste Regeln und Strukturen, sie kann sich durchsetzen, die Menschen können sich auf sie verlassen. Versteh mich nicht falsch, ich wünschte mir auch, dass es anders wäre, aber auf Sizilien sind siebzig Prozent der Jugendlichen arbeitslos, Höchststand in Europa. Wie soll man da einem Jugendlichen vorwerfen, dass er sich an einen Boss wendet, um einen Job zu finden?

Um Sizilien, Palermo und die Mafia genauer auszuleuchten, schickt Petra Reski zwei Protagonisten durch ihren Roman. Zum einen den etwas abgetakelten deutschen „FAKT“-Reporter Wolfgang Widukind Wieneke, der endlich einen Coup braucht, um über die Runden zu kommen. „Herrgott, Sie machen es sich wirklich schwer, Widukind. Es geht darum, dass nicht jeder Italiener ein Mafioso ist. Wenn Sie eine Geschichte über die Mafia schreiben wollen, dann bringen Sie mir ein Interview mit einem echten sizilianischen Mafioso, alles andere ist doch Quatsch.” WWWs Handicap: Er kennt weder Sizilien noch spricht er Italienisch. Deshalb hat ihm Petra Reski den Sensationsfotografen Giovanni beigesellt. Der allerdings Italiener ist und auf eigene Rechnung arbeitet. (Anm. Solche Nebensätze trennt Reski gerne durch Punkt vom Haupsatz ab.) “Giovanni fuhr ein altes, sehr elegantes Mercedes Benz Cabrio. Mit dunkelroten Ledersitzen und Wurzelholzarma­turen. (…)Als Wieneke auf dem Beifahrersitz des Cabrios saß … empfand er plötzlich ein dringendes Bedürfnis nach einer Sonnenbrille, was Giovanni keineswegs für außergewöhnlich hielt, sich auch nicht darüber lustig machte, sondern vor dem Geschäft eines Optikers hielt, und gleich nach Betreten den Optiker so herzlich umarmte, als sei er ein lang vermisster Verwandter.”

Im Untertitel heißt der Roman “Serena Vitale ermittelt” und so ist die Staatsanwältin die Hauptperson im Kampf gegen die Mafia. Sie ist in Bottrop aufgewachsen, nachdem ihre Eltern Sizilien als “Gastarbeiter” verlassen haben. Sie ist die unbeugsame, eigensinnige, widerspenstige Figur, die sich in der Staatsbürokratie nicht gerade Freunde schafft, als sie im Prozess den Minister wegen Kontakten mit der Mafia anklagt. Da die Ermittlungen immer wieder gegen Gummiwände stoßen, schenkt ihr Petra Reski zum emotionalen Ausgleich ein nächtliches Eigenleben. “Sie zog sich Strümpfe an, Seidenglatt 15den, Stilettos mit Zwölf-Zentimeter-Absätzen und ein enges schwarzes Kleid. Dann verließ sie das Haus. Sie fuhr am Hafen und am Gefängnis vorbei und stellte ihr Auto in einer Seitenstraße der Via Calvi ab. Sie drückte auf die Klingel und hörte, wie der Türsummer betätigt wurde.” Wie dürfen (müssen?) sie auch zwecks Blondierung zum Friseur und ins Nagelstudio begleiten.

Es ist schön, dass die Autorin ihr Personal nicht ernst nimmt; wie könnten auch Figuren, die “Widukind” oder “Crocefissa” heißen, glaubhaft sein. Widukind wird am Schluss zum Lachobjekt für die italienischen Aufklärer, Signora Vitale wird dem Fall entzogen.

Es ist viel schlimmer: Die Wahr­heit wird hier für ein großes Missverständnis gehalten. Alles muss sich ändern, damit alles so bleibt, wie es ist. Wir leben in einer Gummizelle. Du läufst gegen eine Wand und wirst zu rückgeschleudert.
Im günstigsten Fall, sagte Romano.
Ich weiß, sagte Serena. Sie blickte in den Spiegel und wischte sich etwas verlaufene Wimperntusche unter dem Auge weg.

Mit der Seriosität des erhellenden Personals schwindet auch die Seriosität der Entlarvung der Mafia. Für ein bloßes Spiel aber ist die “Palermo Connection” nicht spannend genug. Das bisschen Mafia-Tralala erweist sich als heiße Luft, auch das Lokalkolorit ist weder neu noch originell in Petra Reski “Ermittlungsfall”, der sich inzwischen zur Serie ausgeweitet hat. Als Journalistin untersucht Petra Reski auch die Deutschland-Connections der Mafia, sie findet Gefallen an der Cinque-Stelle-“Bewegung” des Beppe Grillo.

2014             290 Seiten

3-4

 


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