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Dominique Lorenz:
Wer hat Angst vorm weißen Mann
Inszenierung: Klaus Kusenberg
„Hau ned a den Himme zsamm!“, beschwört ihn sein trauerrednender Freund, denn solange er auf Erden lebte, zeichnete sich Metzgermeister Franz Maisacher durch Grobheit, Ignoranz, Sexismus u. dgl. mehr aus. Freilich auch durch seine Weißwürste, denen Zitronenmelisse den besonderen Geschmack verlieh und die der darbenden Metzgerei noch ein paar alte Kundinnen erhielt. Damit wär’s nach seinem Tod aus, doch die Geschichte entwickelt sich aus einer Idee, die im Theater schon öfter funktionierte (Liliom, auch Shakespeare hat sie gerne benutzt, z.B. im Hamlet): Der Maisinger Franz darf/muss – warum auch immer – als Geist nochmals auf die Erde, zurück in seine Metzgerei, die nicht mehr die seine ist.
Eigentlich soll sie die Tochter Zita erben und sie kümmert sich auch nach Kräften, doch droht die Insolvenz, denn es fehlt neben Geld auch an Arbeitskraft. Zudem will ihr Hallodri-Bruder Anton aus dem Laden mittels Umbau in eine „Lounge“ viel mehr Geld ziehen. Der heuchlerische Nichtsnutz klaut das Testament, sodass Zita mit ihren Möglichkeiten am Ende zu sein scheint.
Jetzt hat aber der Autor die rettende Idee. Zita hat im Großmarkt den jungen Alpha gefunden und als Hilfskraft eingestellt – und dieser Alpha, so das Konstrukt – ist die einzige Person, die den Geist des alten Metzgers sehen und hören kann. Der Maisacher Franz kann weiter alle schikanieren, wenn Alpha ihm als Medium hilft. Alpha aber ist ein Ingeniör aus dem Kongo, ein Schwarzer. Und Maisacher ist, wie sich’s gehört, auch Rassist. Er hat was gegen Neger.
Das Drehbuch setzt auf die Schicksalsgemeinschaft zwischen totem Misanthropen und kongolesischem Asylbewerber und erlaubt damit politisch unkorrektes Sprechen, weil es durch Alphas Präsenz neutralisiert wird. Als Zuschauer darf man sich über beides freuen. Es entwickelt sich ein amüsantes, aber nicht seichtes Spiel mit aktuellen Themen: Fremdenfeindlichkeit, Gentrifizierung, Bodenständigkeit, Anstandsverweigerung. Die Interessen prallen aufeinander und verbinden sich. Man weiß schon, wer gewinnt und ist stolz auf sich, dass man den Schwarzen auf der Seite der Guten eingeordnet hat. (Und auch der noch im Tod krawallige Metzger ist nicht ganz unsympathisch.) Es passt vieles zusammen.
Das Stück lebt stark von der Situationskomik. Alpha knetet nach spirituellem Rezept den Weißwurstteig und, Zauber, schon hebt er die fertigen Würste aus der Schüssel und Frau Simmerling tritt an zum „Zuzeln“. Alpha spricht die Redeanweisung von Maisacher brav nach, ohne zu realisieren, das das „alte Blunzn“ ein für sein Anliegen schädliches Schimpfwort ist. Die Spieler schauen in alle Richtungen ins Leere, weil sie den Geist nicht sehen und Alpha sein Geheimnis hüten muss. Als Maisacher eine Annäherung von Alpha und Zita verhindern will, blafft er: „Nur über meine Leiche!“ Alpha: „Du bist eine Leiche.“
Ein Aspekt der Wirkung der Komödie ist auch der Dialekt. „Wem g’hört denn der do?“ Auf Hochdeutsch könnte Anton das nicht so pointiert sagen. Da ist es gut, dass im Ensemble mit Michael Heuberger ein gstandner Bayer agiert und dass auch Verena Maria Bauer den Dialekt beherrscht. Manche(r) im Publikum hatte allerdings Mühe mitzuhalten, wenn schnell oder in die Bühne hinein gesprochen wurde.
„Wer hat Angst vorm weißen Mann“ war ursprünglich ein TV-Film (Besprechung von Rainer Tittelbach), doch Heuberger und Bauer stehen Andres Giebel und Brigitte Hobmeier nicht nach. (Giebel ist noch etwas massiger, Hobmeier münchnerischer.) Auch Gast Toks Körner spielt seinen Alpha verschmitzt und mit munterer Mimik. Die erste Inszenierung des neuen Schauspielchefs Klaus Kusenberg ist trefflich gelungen. Viel verdienter Applaus.
Theater Regensburg – Aufführung vom 19. November 2018
Fotos: Martin Kaufhold
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