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Gary McNair: Locker Room Talk
(Was Männer über Frauen reden)
Inszenierung: Patricia Benecke
Was erwartet mich? „Ein Querschnitt durch die männliche Gesellschaft“ (Ankündigung). Einspruch! Der „schottische Autor und Performer Gary McNair“ hat an Orten, „an denen Männer sich gerne versammeln,“ Gespräche aufgezeichnet. Umkleideraumgerede. Er hat die Mitschnitte auf 1/10 reduziert und dann wohl verschriftet. Was heißt, dass die Auswahl nicht repräsentativ, aber sicher symptomatisch ist. McNair, hat gefunden, was er gesucht hat. War er dennoch überrascht? Will er mich überraschen? Sind „die Worte oft schmerzhaft, sowohl für Frauen als auch für Männer“? (Ankündigung) Das mag für die Realsituationen stimmen – obwohl hier keine Frauen anwesend sind -, im Theater findet der Schmerz wenig Anklang. Man hört, was man gewusst hat, fühlt sich bestätigt, verliert das Interesse, die Gedanken schweifen.
Nicht, dass das Thema nicht aktuell wäre. Aber es sollte upgedatet werden, ergänzt um brisante Aspekte, stacheliger und provokanter. Worte können auch deshalb schmerzen, weil sie oft in Taten münden. „Alle zwei bis drei Tage wird eine Frau von ihrem Partner oder Ex getötet.“ (SZ, 16.11.2018) „Nach einer BKA-Statistik wurden im vergangenen Jahr 139 000 Menschen von aktuellen oder ehemaligen Partnern misshandelt oder bedroht.“ Kate Manne spricht in ihrem Buch „Down Girl. Down Girl. Die Logik der Misogynie“ (2019) von ‚Strangulationen’ und davon, dass Frauen, die Gewalt anklagen wollen, mundtot gemacht werden (‚Gaslighting’). Pussygrabber Trump ist auch in diesem Milieu angesiedelt.
Männer machen auch Kriege, vergiften Flüsse, manipulieren Abgase, schänden Welpen und blamieren sich und den Karneval. Viel Gewalt jenseits von „Gerede“. Man könnte auch thematisieren, wie sich Influencer-Mädchen selbst zu gefügigen Opfern stilisieren. Gary McNair grast gemähte Wiesen ab, er ahnt, dass seine Materialsammlung letztlich verharmlosend verpufft und ordnet deshalb an, die misogynen Sprüche müssten von SchauspielerINNEN gesprochen werden.
Ich ertappe mich ein paarmal beim bewussten Zurechtdenken, besonders bei Stellen, wo die aufgenommenen Männer sich als einsichtig geben, ihr diskriminierendes Gerede relativieren, als falsch verstanden herunterspielen: „Ich bin als Mann die personifizierte Ironie.“ HaHaHa. Der Täter bestimt, was das Opfer sich zu denken hat. Dass die Spruchtäter Schwächlinge sind, müssen sie nicht merken, weil sie immer das Geld verwalten und deshalb Recht und Macht behalten. Eine weitere verstörende Umkehrung der Geschlechtsrollen: Das von den Frauen gespielte Man-Spreading wirkt sowohl völlig natürlich als auch ungesehen bei Frauen. Mussten die Darstellerinnen sich das antrainieren?
Familienministerin Giffey sagt: „Das Problem geht durch alle gesellschaftlichen Schichten.“ (SZ) „Die vier Schauspielerinnen steckten in Rollenklischees fest. Doris Dubiel war die ältere Dame in Lila, sie stand für den Taxifahrer-Typus. Denia Nironen deckte den Bereich Schule und Universität ab, mit Sneakers und Baseballjacke, Susanne Berckhemer stand elegant im Banker-und Anwalts-Berufsleben. Silke Heise mit der grünen Latzhose sollte wohl den Arbeiter, den Handwerker und wohl auch den Kriminellen, den Würger, darstellen.“ (Claudia Böckel, MZ) eingeblendet wird die jeweilige Lokalität: Pub, Fitnessstudio, Praxis, Taxi, Umkleide auch. In einer ulkigen Szene machen sich die Männer-Mädels zu Kindern und plappern nach, was sie zu Hause hören. Christiane Lutz (SZ) hält das für „die erkenntnisreichste Szene des Abends“. Hat sie noch nie Jungs reden hören? Kinder sind schlimm – und es wird schlimmer: Gender–Marketing boomt. Die Bühne ist doch nicht mehr als Spielwiese.
Am Schluss legen die vier Damen mit den Hosen ihre diffusen Rollen ab, entblößen sich zum Mann an sich. Ist das mehr als ein Spiel mit Zuschauererwartungen?
Aus dem Talk wird kein Dialog, keine Konfrontation, kein Erkennen. Das Sprechen ins Publikum ist Zeichen der Öffnung des Theaters/desSchauspiels für diverse Vorführweisen, aber auch Zeichen der Ratlosigkeit. Der Autor kippt sein Material ins Theater, die Regisseurin malt ein paar Bildchen dazu. Catcalling. Das Theater am Haidplatz bietet ein Nachgespräch an. Ich hab’s geschwänzt. Was hätte ich als Mann fragen oder hören wollen?
Theater Regensburg – Aufführung am 7. März 2019
Fotos: Jochen Quast
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