Filed under: Theater
Eric Gedeon: Ewig Jung. Ein Songdrama
Inszenierung: Kathleen Draeger-Ostermeier
Es ist immer zum Brüllen, wenn sich Leute nicht altersgemäß verhalten. Wenn Kinder altklug oder Alte kindisch sind. Wenn sie mit 50/60/70+ anfangen headzubangen, die Hüften zucken lassen oder mit dem Arsch wabbeln. Es ist nicht die mitfühlende Angst vor dem Kollaps, es ist das gefühlte Fehlverhalten, das einen lachen lässt. Und im Theater weiß man, dass alles nur gespielt ist, also keine Gefahr darstellt.
Das Szenario ist gar nicht neu und nur bedingt aktuell. Eric Gedeon hat es sich 2007 ausgedacht: Anstatt zu sterben, wollen’s die Insass*innen des Altersheims nochmal, noch immer wissen. „Too old to Rock’n’Roll, to young to die“ (Jethro Tull, jetzt auch schon über 40 Jahre her.). Was Gedeon wohl noch nicht ahnte: Mick Jagger wird in diesen Tagen 76, Paul McCartney (77) und Ringo Starr (79) haben sich eben mal kurz wiedervereinigt. Bob Dylan, geboren 1941, sang 1974 sein „May your heart always be joyful, May your song always be sung, And may you stay Forever young”. Alter ist heute Alltag.
Dass das Stück auch heute noch amüsieren kann, liegt nicht am Thema, das laut Michael Scheiner (MZ) „als ‚demografischer Wandel’ oder direkter als ‚Überalterung’ gesellschaftlich diskutiert wird“. Es liegt an der Zuspitzung, es liegt am Klamauk. Die Alten der Ü-80-Party sind nicht nur alt, sie spielen das übertrieben, mehr als face-app. Verena Maria Bauer trippelt und tattert (als Frau Bauer) ohne Unterlass, ist in ihrer Maske höchstens am Rhythmus in den Augen wiederzuerkennen, Herr Gellén (Kristóf Gellén) hält sich am Kuscheltier im Goldfischglas fest, Herr Hermann (Gerhard Hermann) schleift seinen Tropf zum Rocken, Bettina Ostermeier sitzt taub wie Beethoven am Piano und lässt es Rollen. Franziska Sörensen hat als Frau Sörensen jede Hemmung verloren und ist so präsent und zotig wie nie. Als Kontrastfigur ist den Alten eine jüngere bigotte Pflegerin beigegeben, Schwester Maria (Maria-Magdalena Rabl), von allen gehasst, am Schluss trachtet man ihr nach dem Leben.
„Ewig Jung“ lebt von den Slapsticks, welche die Absurdität ins Vergnügliche steigern, und von der Musik. Die Slapsticks sind die althergebrachten, durchaus derb. Sie müssen gut getimet gespielt werden und das machen die Darsteller mit sichtlicher Freude und lassen sich auch nicht aufhalten, wenn mal die Perücke oder die Prothese abhanden kommt. Und wenn der Goldfisch in Nöte kommt, wird er reanimiert. Lustig. Die Musik ist fürs Herz, das können auch jüngere Herzen sein, die die Songs nicht mal vom Streamen kennen. Balladen (Sounds of Silence – Paul Simon wird im Oktober 78 -, Green Green Grass of Home, …), Schlager (Buona Sera …), die gefürchteten Arien der Schwester Maria (Sterben, Verrecken, Verröcheln, Friedhof), alle
passend zum Zustand und dann – natürlich – „I Love Rock’n’Roll“ (Ich dachte: Queen, aber es waren die Arrows bzw. mit noch mehr bumbumtschak: Joan Jett), herzzerreißend dargeboten von Frau Sörensen, begleitet vom Stampfen der Gehhilfen, „boom – boom – tschak“ (Michael Scheiner). Ein letztes Aufglühen, die Luftgitarre ekstatisch heulend, younger than ever. Hinreißend wiederholt in der Zugabe. Wir dürfen alle mitstampfen, mitpatschen, mitrocken. Mitsingen: „We Shall Overcome“, we „love Rock’n’Roll“, We„Will Survive“.
Die Inszenierung ist sommerlich gelungen, was soll man bei einem Stück, das sonst nichts zu sagen hat, auch falsch machen. Man sieht den Schauspielern ihre Lust am Quatsch an. Die Regensburger Aufführung gleicht in ihren Bildern (Bühne und Kostüme: Franziska Isensee) den anderen Inszenierungen von – gefühlt – allen Theatern der Nation. Im Herbst gibt es „Ewig Jung“ in Regensburg wieder zu sehen.
Theater Regensburg – Aufführung am 18. Juli 2019
Fotos: Jochen Quast
Kommentar verfassen so far
Hinterlasse einen Kommentar