Jörg-Uwe Albig: Zornfried
Die Idee ist gut. Jörg-Uwe Albig schickt den Reporter Jan Brock in die Höhle des Braun-Bären auf die Burg Zornfried, wo der Verleger und Rechts-Impresario Freiherr von Schierling (!) mit seiner Entourage haust und wo auch Storm Linné völkisch dichten soll. Die natonale Trutzburg im Spessart. (Es könnte auch Schnellroda sein.) Brock ist auf die Werke von Linné gestoßen und hat eine entlarvende Kritik publiziert. Jetzt hofft er, auf den Dichter selbst zu treffen, mietet sich im Ortsgasthof ein und sucht die Burg auf in der Hoffnung, an Ort und Stelle Abgründiges über Zornfried zu erfahren. Dass er dort wohlgelitten ist, erwartet er nicht. Beides wird unterlaufen, der Empfang ist offen.
Wo rausches flamme wissen sehn und nährt
Wo schwarzes Blut aus hehren höllen fließt
Wo fleisches dickicht eitlen flug beschwert
Und purpur-wurz aus tiefsten tiefen sprießt –
Dort stößt der drud auf seinen eignen grund
Den fremder rassen schleichen nie betrat
Mit Faustens willen und Mephistos mund
Die Seele lodernd und den arm bereit zur tat.
Storm Linné, Höllenheil
Jedem kurzen Kapitel stellt Albig ein von ihm selbst verfasstes Gedicht Linnés voran: Wald- und Boden-, Blut- und Wiesen-Lyrik, übelstes Nazi-Geschwülst in zunehmend abstoßender Gleichheit und rechter Einfalt. Abgeschmackte Gravität, weihevolles Geseier in Schleife. Stilvorlage: stefan george. Brock „wusste plötzlich, dass ich diese Gedichte nur noch jetzt lesen konnte, hier in diesem Wald, dass sie mir in der Zivilisation vollends unerträglich wären.“
Die oberste Tür musste in die Werkstube führen, und tatsächlich glaubte ich, hinter ihr Geräusche zu hören, ein Husten, das Knarren eines Stehpults, womöglich das Kratzen einer Feder. Ich klopfte. Dann atmete ich durch und hörte nur noch Stille.
Aber es war eine Stille, die zu wachsen schien. Sie fühlte sich prall an, ein Luftkissen, das sich ausdehnte, den Turm ausfüllte und sich anschickte, mich an die Wand zu pressen. Ich drückte die Klinke, aber die Tür war verschlossen. Und ich fühlte mich wie nach drei Minuten unter Wasser, als ich meinen Posten aufgab und endlich die Wendeltreppe wieder hinunterstieg.
An einem Fenster mit Bleiglasscheiben blieb ich stehen. Ich war mir sicher, unten im Burggarten einen Mann zu sehen. Ich sah es genau: die gebeugte Gestalt, den Oberkörper, der sich bei jedem Schritt neigte und wieder erhob, das heilige Wanken von Betern in Klöstern oder Moscheen. Ich sah den hohen schwarzen Kragen, der starr aus dem schwarzen Radmantel stieg, und die linke Hand, die sich hinter dem Rücken öffnete und schloss. Und in der Rechten hielt er tatsächlich ein Buch, einen schmalen Band mit floral dekoriertem Umschlag.
Jan Brock erlebt auf Zornfried ein Spektakel, das so viele Facetten braunen Treibens aufweist, dass ihm selbst recht schwummerig wird. Rituelle Versamlungen, Horden reduzierter T-Shirt-„Bubis“, die im Burghof Kampftänze trainieren, nationale Waldwiedergänge nach Vorlage von Ernst Jünger, FriggaGudrunEdeltraud, die diensteifrigen Töchter des Burgherrn magische Pilze, geheimnisvolle Phantasmagorien des Dichters. „Eine Säulenhalle, sagte Schierling ergriffen. Ein gotischer Dom, asketisch, vergeistigt, himmelstrebend. Nicht das Geduckte der romanischen Kirchen. Die romanische Seele hat keinen Sinn für den Wald.“ Je länger ich lese, desto mehr wiederholt sich auch das Blendwerk und desto mehr ermattet es – auch den Leser. Auch die vielen Gedichte, eine Fleißarbeit Albigs, die ihm viel investierten Ekel abverlangt haben, töten Nerven und werden in ihren multiplen Variationen und Stabreimen wohl gerne überlesen.
Lächelnd schlug die Grüne die Augen nieder. Dann hob sie den Blick und schaute in die Runde. Im März, sagte sie. Und in gedämpftem, fast verlegenem Ton präzisierte sie: Im lenz-mond wenn die ernste ernte keimt.
Was erwarten Sie von diesem Abend, fragte ich.
Haben Sie den Meister schon einmal gehört, gab die Schwarzgoldene zurück. Ihr schmaler Blick schweifte zum Thronsessel, als säße der Dichter schon darauf. Wer nur das Buch aufschlägt, sagte sie, so kostbar es gebunden ist, erfährt nichts. Er sieht Buchstaben, Buchstaben in genialen Kombinationen sicherlich, aber immer noch Buchstaben. Er liest heilige Wörter, die aber Wörter bleiben. Er liest erlesene Sätze, die doch am Ende des Tages nichts weiter sein können als Sätze. Man muss den Meister erleben, sagte sie mit stufenlos steigender Stimme, man muss ihn erfahren. Dann erfährt man das Leben.
Auch die Konkurrenz-Journalistin Jenny Zerwien ist keine Hilfe bzw. Erlösung, sie lässt sich so zu sehr auf das böse Spiel ein, dass sie sich auf Zornfried einquartieren lässt.
Jörg-Uwe Albig führt die Satire nicht zur erlösenden Enlarvung, sie versickert in den kuriosen Klischees. Die Realität ist raffinierter. Die Rechtsmystiker des 21. Jahrhunderts kennen die Kodes und kleiden sie neu ein. Albig dekodiert die oldschool-Mythen, die als Atavismen natürlich auch in die internetbasierten Stätten überlebt haben. Blondie erscheint auf dem Cover gedoppelt: einmal ist die Stickerei im Rahmen als domestizierte Ikone.
Aber es geht gar nicht um eine Satire auf braune Mystik, vorgeführt werden sollen die Medien. „Jörg-Uwe Albig hat ein Buch geschrieben gegen die Obsession einzelner Journalisten mit rechtem Denken. Und er triggerte damit eine Obsession einzelner Journalisten mit rechtem Dichten. Vielleicht hat er mehr mit seinem Protagonisten gemein, als ihm lieb sein kann.“ (Oskar Piegsa) Dass der Reporter mit seiner „Homestory“ „dem Dichter weit über dessen eingeschworene Fanbasis hinaus Prominenz verschafft und auch unfreiwillig neue Anhänger zutreibt, darf den Reporter nicht irritieren. Er tut, wie man in Deutschland so sagt, nur seine Pflicht“, schreibt Albig in einem Gastbeitrag im Spiegel. Für Aufmerksamkeit sorgen auch die Protestanten, die vor Zornfried auflaufen. Hier geht es dann auch um das Thema, ob man „Mit Rechten reden“ soll. So die Überschrift von Albigs Text – und der referentielle Buchtitel von Steinbeis, Leo und Zorn.
Wie nicht zu vermeiden, ist der Grusel faszinierender als seine Dekodierung. Jörg-Uwe Albigs „Zornfried“ muss genauso ins Leere bzw. in die Irre laufen wie all die Einladungen rechter Geister in Talkshows.
Barbaren sind wir roh von fleisch und seele
Zersotten nicht in süßem sud noch seim
Versklavt nicht von der heuchler feiger zunge
Gelähmt nicht von des mitleids zähem leim
Wir greifen an. Und wenn die welt in flammen
Und morsche mauern rauchen schwarz im land
Dann lassen wir die fachel nicht verglimmen
Und setzen singend eignen leib in brand.
2019 160 Seiten
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