Nachrichten vom Höllenhund


Tartuffe
5. Januar 2020, 11:27
Filed under: Theater

Molière: Tartuffe
Inszenierung: Peter Wittenberg

Inga Behring ist das Glanzstück in diesem sonst recht schwunglosen Vers-Drama. Ihre Rolle der Zofe Dorine gibt ihr die Fäden in die Hand – und sie zieht energisch daran. Eine Freude, ihr dabei zuzusehen. Das restliche Personal ist phlegmatisch bis verschnarcht. Theater RegensburgMariane und Valère wollen heiraten, doch als ihr Vater Orgon ihr einen anderen als Bräutigam vor die Nase setzt, denkt sie: „Mia wad’s wurscht.“ und auch Valère erhebt keinen Einspruch und macht sich von dannen. Inga Behring will die beiden, Denia Nironen und Kristóf Gellén, zusammenziehen. Vergebens.

Philipp Quest als Sohn Damir und Michael Haake als Schwager Cléante tauchen immer wieder auf, doch lassen sie sich bald entmutigen und rutschen hilflos von der schräggestellten (Symbol!) Bühne. Madame Pernelle, die Mutter, wird gerne männlich besetzt. Das ist erheiternd und Michael Heuberger nutzt die geringen Möglichkeiten. Elmire, die Frau des Hauses, reizt die Aufgabe, die Posse zu beenden, aber es ist ja nur der Trottelmann Tartuffe, den sie bezirzen und damit der Übergriffigkeit überführen will. Silke Heise, mit hochgestecktem Haar, müht sich, ein wenig Slapstick kommt ihr zugute.

Gerhard Hermann gibt den Hausherrn Orgon, die Hauptrolle. Er ist auf den bigotten Hochstapler Tartuffe hereingefallen und lässt sich seine Scheuklappen bis (fast) zum Schluss nicht abreißen. Weshalb er zum bornierten Deppen wurde, wird nicht verhandelt. Eine entscheidende Schäche des Stücks, das so eine mögliche Aktualität tart4verliert und bloß noch simple Einfalt ausstellt.

Bleibt noch: Jonas Hackmann – Tartuffe. „Von weitem scho kon a jeder sehng, des is a Depp!“ Erst im dritten Akt betritt er die Bühne, mit langsträhniger Perücke und bloßen Füßen in Sandalen ausstaffiert, ein Wappler ist das, ein heruntergekommener Blender im herrschaftlichen Haus. Der Effekt ist plump, der intellektuelle Reiz wird unterspielt. Alle, ob Zuschauer oder Darsteller, merken das – nur nicht Orgon.

Was aus dem 17. Jahrhundert bleibt, weil sich da wenig geändert hat: „Tartuffe ist so schweinisch unverschämt, dass er und andere an ihn glauben. Heuchler, Lügner, Erfinder von alternativen Fakten und lustigen Verschwörungstheorien gibt es natürlich auch heute noch in jedem gesellschaftlichen Bereich.“ (Michael Sommers „Weltliteratur to go“ auf youtube – Überblick über Sommers Playmobilvorstellungen unter http://sommers-weltliteratur.de/)

Wenn man es auf so allgemeingültige menschliche Defizite herunterschraubt, ist natürlich jedes alte Stück hochaktuell. Damit ist aber nichts erklärt, keine Erkenntnis gewonnen, nur wissendes Nicken: Ja, so sans. Ich kenn auch einen, der ist genauso: Theater RegensburgTrump! – Da sind selbst Elfriede Jelineks verquaste Sprachkekse erhellender (Am Königsweg).

Wenn ich sehe, wie – ein Beispiel – Andreas Scheuer (sich und) andere glauben lässt, er sei eine Kapazität, erkenne ich das und erschrecke darüber, ohne einen Tartuffe gesehen zu haben. Und wenn ein solcher Nichtsnutz von seiner Kanzlerin gelobt wird („Andy Scheuer macht eine sehr gute Arbeit.“), spricht das für sich, da brauch ich kein jahrhundertealtes Drama. Der österreichische Tartuffe Strache ist sofort in die Falle der Elmire getappt. Zu deppat! Ein Tartuffe ohnegleichen ist auch der AfD-ler Meuthen. Aber auch ein solches Schleim-Ekel wird nicht von Molière entlarvt. „Wir können nicht darauf warten, dass ein König die uns vom Hals schafft. Das müssen wir schon selber machen.“ (Michael Sommer, in dessen Tartuffe-Fassung der „Betrüger“ verhaftet wird. In Regensburg hilft dem Heuchler die Staatsgewalt. Das ist realistischer.) Was bei Moliére noch politisch brisant gewesen sein mochte, bewegt heute allenfalls die Moral.

Ein etwas langatmiger Abend endet mit dem Song „So sad“, was vorher schon als Leuchtschrift über den schrägen Brettern hing. »So sad!«, ein oft benutzter Ausspruch Donald Trumps, belehrt mich Elias Schäfer (lautschrift.org). Ich wusste das gar nicht, dieser Trump kommt mir nicht in meine Medien. Ich weiß aber immer noch nicht, ob T. diesen Ausspruch oft benutzt oder ob das andere tun. Die zwei kleinen Wörter sind aber auch so beliebig, dass man sich alles oder nichts dabei denken kann. Verdienter Applaus.

Theater Regensburg – Aufführung am 19. Dezember 2019

Fotos: Martin Sigmund


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