Nachrichten vom Höllenhund


The Who and the What
26. Februar 2020, 16:57
Filed under: Theater

Ayad Akhtar: The Who and the What
Inszenierung: Daniela Wahl

Der Islam spielt im Stück die Rolle des Beschleunigers. Der nahöstlichen Glaubenslehre wird gerne unterstellt, was im „westlichen“ Glaubenskreis Leitkultur war und ist und erst in den letzten Jahrzehnten ins Gerede kam: Männer sind die Herren, die Patriarchen, Paschas. Sie konnten sich immer verlassen auf ihre Dominanz, ihre Präpotenz, meist war keine Begründung dafür nötig. „Du musst sie brechen!“ Kaum ww1wird die männliche Herrschaft auch nur leise in Frage gestellt, findet MANN irrwitzige Begründungen: die religiöse Überlieferung aus fernvergangenen Jahrhunderten, zurechtgebogen von religions-stiftenden Männern, die Tradition (Damit kam auch der Bauer im Niederbayerischen lange durch – in CSU und Vatikan gilt das noch immer.), die Nachbarn, die im Dorf die totale Kontrolle ausüben, am Ende der wirtschaftliche Erfolg. (Tuba Sarica beschreibt die Mechanismen in „Ihr Scheinheiligen!“)

Afzal hat sich in Atlanta/USA/Südstaaten ein Taxiunternehmen und eine Suppenküche aufgebaut, doch seit seine Tochter Zarina die Gleichberechtigung geritten hat, kündigen die Fahrer, bleiben die Kunden aus. Die bockbeinige Frau gefährdet das Geschäft, eine ww3brutal einfache Formel. Das ist die Botschaft von Ayad Akhtars “The Who and the What”. Bei Afzal fängt der Hader schon damit an, dass er nur Töchter hat: Zarina und Mahwish. Er steckt zwar all seine Liebe und Fürsorge in sie, aber doch nur, um Männer für beide zu finden, welche sie nach Männerart beherrschen können, denen sie gehorchen, denen sie Söhne gebären. Die jüngere Tochter hat schon einen Mann, mit dem sie aber nicht zufrieden ist. Er fickt sie vor der Hochzeit in den Arsch, damit sie bis dahin als Jungfrau gelten kann. (Wenn ich das richtig verstanden habe?) Sie fühlt sich mehr zu ihrem Yoga-Lehrer hingezogen.

Die Problem-Tochter aber ist Zarina. Der Vater richtet eigens ein Fake-Profil für sie ein bei muslimlove.com. Aber Zarina ist schwer vermittelbar. Sie glaubt an die Selbstständigkeit von Frauen, pocht auf Gleichheit, sie betreibt „Gender-Studien“ und arbeitet an einem Buch über die Menschlichkeit – das meint: Fehlbarkeit – des Propheten. Ein Sakrileg. Sie beschreibt die sexuelle Gier Mohammeds nach seiner Schwiegertochter Zainab. “Du kennst das arabische Wort für Vorhang.« – »Hijab.« – »Und ww4wegen Mohammeds allzu menschlicher Ungeduld, mit seiner Frau zusammen zu sein, tragen Generationen muslimischer Frauen seinen Schlafzimmervorhang im Gesicht.“ Der Vater bekniet Zarina, hält ihr die Duldsamkeit ihrer Schwester Mahwish vor Augen. Nichts. Bis endlich Eli anklopft, ein Konvertit aus atheistischem Elternhaus. Wider Erwarten lässt sich Zarina mit ihm ein, weniger aus Leidenschaft denn aus intellektueller Nähe, sie werden ein Paar und erwarten ein Kind. Afzal giert nach der Erlösung: Wird’s ein Junge? – Die Antwort erlöst uns aufgeklärte Zuschauer.

Die Bühne ist schlicht. Nur einige Sitzblöcke, die man verschieben, unter die man kriechen kann. Nichts lenkt ab.* Die vierPersonen gruppieren und distanzieren sich. Sie sind als Familie aneinander gebunden, mögen sich auch, leben aber doch in verschiedenen Welten. Mann und Frau ringen, Mahwish will sich platzieren, wird aber nicht glücklich. Inga Behring spürt man das an, sie spricht ungewöhlnlich leise, wirkt noch beim Schlussapplaus bedrückt. Philipp Quest (Eli) will sich in die Familie einfügen ww2und dabei er selbst bleiben. Für den Vater verbiegt er sich unter die spüle, um sie zu reparieren, seine Frau ist ihm natürlich näher, er kämpft nicht gegen ihre Stärke an, ein weichgespülter Schlaffi, strickbemützt. Gerhard Hermann ist der ernste, suchende und leidende, tricksende Vater, bis zuletzt hoffend. Ein Widerling, den man trotzdem in seinen Nöten akzeptiert. Schon Verena Maria Bauers Erscheinungsbild gleicht nicht dem der bodenständigen Mutterfrau, man sieht ihr ihre Intellektualität an. Sie ist die Kluge, erklärt mal eben den Ödipus, ist aufgeklärt, modern. Sie hat das letzte Wort: Ein MÄDCHEN.

„The Who and the What „ ist eine Auseiandersetzung mit gewissen Ausprägungen des Islam. Der US-Autor Ayad Akhtar, Sohn pakistanischer Einwanderer, maßt sich keine Relgionskritik an, er verhandelt den Zusammenstoß von tradierter Islamauslegung und Denk- und Lebensformen der westlichen Gegenwart. Die Sicht, das Problem sei ein Defizit des Islam, die Exotisierung, lenkt ab vom eigentlichen Thema: der Einhegung der Frau, den krampfhaften Bemühungen der Männer um Wahrung ihrer atavistischen. Macht. (Das Stück stammt aus 2014.)

* Es gibt eine öffentlich verborgene Ablenkung: Auf dem Bildschirm im Bühnenhintergrund wird ein video abgespielt, auf dem sich die Familienmitglieder zum Gruppenbild einen. Es endet im Still – und fährt Bild für Bild zurück zum Auseinanderstehen. Mir ist das zuerst beim Blinzeln von Zarina aufgefallen.

Viel Applaus nicht nur für das Stück, sondern vor allem für die Darsteller, vorzüglich für die Sympathieträgerin, die vergnügte Frau Bauer.

Theater Regensburg – Aufführung am 18. Februar 2020

Fotos: Martin Kaufhold


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