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Jakob Nolte : Don Quijote
Tragikomödie nach Miguel de Cervantes Saavedra
Wir sollten uns Don Quijote als einen überschwänglichen Menschen vorstellen. Sprunghaft, sentimental, traurig. Überspielter Weltschmerz. Er findet keinen Ort in seiner Zeit und im Ort nicht seine Zeit. „Er ist unzufrieden mit der Gesamtsituation der Welt. Er liest Ritterbücher, verliert sich, verdenkt sich das Gehirn in diesen Büchern und zieht dann aus, um die Welt zu retten.“ (Wolfram Eillenberger) „Er ist rausgerissen aus seiner jetzigen Existenz“ (Fritz Breithaupt), kann nicht hineinfinden in eine andere.

Paul Wiesmann erstürmt die Bühne als Superman, im wehenden Umhang, zieht sich ein Redbull aus dem Automaten und ist da! Im Paralleluniversum des Hier und Jetzt, wo ich bin, ist das Leben, mein Leben darf darf nicht trist sein. Dulcinea imaginiert er sich ebenso als Geliebte wie die Schafherde als feindliches Heer. Sein Pferd, „das man Rosi nannte“, tritt auch in Gestalt von Hometrainer, Kuscheltier oder Klappfahrrad auf. Im fulminanten Trip durch Regensburg angelt er mit seinem Langschwert am Donaustrand nach fantastischen Fischen und entdeckt in Don Juan am Fischgässel einen angefochtenen Gegner. (Trailer)


Jonas Julian Niemann darf keinen Superman-tel tragen, Sancho Panza ist nicht die bauernschlaue Einfalt, er wird zum Vertrauten, weil er meist einen Schritt weiter denkt als sein „Herr“. Zusammen bringen sie die Bühne zum Tanzen, hotten zu „No More Heroes“ von den Stranglers, gemeinsam durchradeln sie die Gässchen Regensburgs, gemeinsam lauschen sie den Phantasmagorien Don Quijotes. Im Überschwang machen sie sich nackig und busseln sich gar – im Zwielicht. Sancho Panza nutzt die Vertrauens-Seligkeit Don Quijotes für eigene Vorteile, er weiß sich von seinem „Partner“ gut gefüttert und nächtlich behütet – im „Wäldchen“ als Running Gag. Als Bote für Quijotes Brief an Dulcinea nimmt er sich eine kleine Auszeit.

Im Spiel von Jakob Nolte geht es nicht um Spanien, nicht um historische Konditionen, nicht um soziale Unterschiede, sondern darum, wie man aus der schier ausweglosen Tragik der Personen die Komödie für die Zuschauer ziehen kann. Man soll ja nicht über den Ritter lachen, sondern in seiner traurigen Gestalt doch den Helden sehen, der die Welt so dringend retten möchte. Die Schauspieler tun ihr Bestes. Sie wechseln die Kleider im Eiltempo, sie singen mit und ohne Mikrophon, Jonas Julian Niemann ist auch für die Musik verantwortlich, sie vergessen nicht, wo sie die vielen Requisiten finden, Paul Wiesmann kämpft gegen die Windmühle im Schattenspiel, das Bühnenlicht flackert zwischen Tag und Nacht, auf ihren Fahrrädern bewegen sie sich einen halben Meter den Hügel hinan, wo Don Quijote im Stakkato die komplexen Namen der visionären Feldherren deklamiert. Sie sinnieren auch. Gelegentlich hakt sich das Geschehen ein wenig fest, scheint nicht aus den musikalischen Loops zu finden.

Am Ende wird es leise – und Don Quijote reift zur Weisheit. Mission completed. Stringenz: egal. Der Abend ist ja auch fortgeschritten und anhaltender Aktivismus hätte wohl überfordert. So fühlt sich das Publikum gut unterhalten und spendet den beiden Wirbelwinden reichlich Applaus und die beiden Jungs freuen sich darüber sichtlich.
Theater Regensburg – Aufführung am 22. Oktober 2022
Fotos: Tom Neumeier
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