Nachrichten vom Höllenhund


Wagner
27. September 2022, 15:51
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Jan Costin Wagner:
Sommer bei Nacht

Ein Gedanke ist eingerastet. Der Gedanke ist schwarz gewesen.
   Landmann hat gewartet. Auf irgendein Wort.

Jannis ist verschwunden, beim Flohmarkt der Schule. Die Überwachungskamera zeigt ihn an der Seite eines schemenhaften Mannes, in der Hand einen großen Teddybären. Ermittlungen werden eingeleitet: Ben und Christian, wir dürfen sie mit Vornamen kennenlernen, Landmann, schon im Ruhestand, Lederer. Bald wird auch der Entführer genannt, Marko, auch der Hausverwalter Holdner scheint beteiligt. Die Spannung geht vom Whodunit zum Howcatchem, den Methoden der Aufklärung. Die Spurensuche führt an erwartbare Orte: das Hochhaus, der Wald, ein ähnlicher Fall in Innsbruck. Das könnte ein Fernsehkrimi sein, Worte wirken jedoch eindringlicher, wenn man sie akribisch setzt.  Jan Costin Wagner interessieren mehr die inneren Regungen der Ermittler, speziell die Erschütterungen von Ben und Christian, die auch von außerkriminalistischen Geschehnissen angestoßen werden. Das verlangsamt die Erzählung, jedes Wort, jede Geste wird reflektiert.

Christian fragt sich, was Ben geträumt hat. Ob es schön war oder nicht. Eine Frage der Perspektive. Traumlos, das hat er gelesen, sei in aller Regel nur der nächtliche Tiefschlaf. Das könnte dafürsprechen, dass man im Traum eine Anbindung an die Realität bewahrt. An das Leben. Während der Tiefschlaf Kontakt zum Tod aufbaut.
  Gleich, wenn er in die Szene hineintreten wird, muss er in der Lage sein, seinen Text aufzusagen. Fehlerfrei.
  Er läuft ein paar Schritte, behutsam, stellt sich vor, ein ermittelnder Beamter zu sein. In einem Vermisstenfall. Möglicherweise einem Entführungsfall. Ein Brennen ist hinter seinen Augen, ein stummes Lachen vibriert auf seinen Lippen. Einige Sekunden lang, dann zieht es sich zurück.  Er läuft. Stellt sich vor, der leitende Ermittler zu sein, der er tatsächlich ist.

Das langsame bis zähe Voranschreiten der kriminalistischen Arbeit, von Gedanken über Worte bis zu deren Umsetzung, kompensiert Jan Costin Wagner durch den rasanten Wechsel der Perspektiven. (14 hat Peter Körte in der FAZ gezählt.) Kaum mehr als eine Seite bleibt er bei einer Person, zunehmend werden auch die – bekannten oder vermuteten – Täter einbezogen. Auch die Eltern der Opfer oder Familienmitglieder der Kommissare kommen zu Wort.

Die Art der Darstellung macht den Reiz dieser Kriminalgeschichte aus, sie wirkt feinsinnig, beobachtet genau und empathisch. In knappen, nüchternen Sätzen skizziert Wagner zum Pathos und dann daran vorbei. Der Stil kann aber auch affektiert wirken, vor allem, wenn sich manche Motive häufig wiederholen. Die Wirkung von Worten etwa:

 Seine eigenen Worte klingen nach. Er ist selbst überrascht, von der Wucht, mit der er sie ausgesprochen hat. Und darüber, dass er jedes Wort genau so gemeint hat. (…) Die Worte klingen nach. Er gleicht sie mit seinen eigenen ab. Ähnlich hat er die Frage gestellt. Ungezählte Male. Er war Ermittler. Er hat Menschen befragt, denen   Schlimmes widerfahren ist.
  Was, denkt er.
  Was.  Ist. Passiert?
  »Nein«, sagt er. (…)

»Ja«, hat er entgegnet. Hat dem Wort nachgelauscht. (…)   Dann hat der Polizist berichtet. Landmann hat zugehört. Worte, die im Raum schweben, ihren Platz finden, eine Aussage kristallisiert sich heraus, eine Nachricht.

Die Figuren sind einsam, müssen neben den Tätern auch sich selbst finden. „Wagner erzählt (…) nicht um der Sensation willen, sondern um die Abgründe der menschlichen Seelen zu erforschen.“  (Marcus Müntefering, SPIEGEL) Man kann Jan Costin Wagner natürlich auch Routine unterstellen. „Die Zusammenhänge   zerfasern, lösen sich voneinander ab, bis sie in Fetzen herabhängen. Alles wird beliebig, beiläufig, weil sich etwas festgebissen hat, etwas, das er noch nicht benennen kann.

Schattenhafte Bilder zucken auf, während er sich nähert, er fokussiert sich auf Marlenes Lächeln, die Bilder sind Erinnerungen. Ferne Erinnerungen. Eine ganze Nacht weit entfernt. (…) Ben schließt die Augen, jetzt ganz umschlossen von dem einen Gedanken, dem, den er nicht mehr zu Ende denken wird.

Mit „Am roten Strand“ hat Jan Costin Wagner 2022 eine Fortsetzung der „Ben-Neven-Krimireihe veröffentlicht.

2020 – 310 Seiten

2-

Leseprobe beim KiWi-Verlag



Felenda
16. April 2021, 11:19
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Angelika Felenda: Wintergewitter

Wenn man nicht weiter nachdenkt, warum man das liest, liest sich das wie ein knuspriger Schweinsbraten. Ja, so ein Vergleich ist ein Schmarrn und das schon gleich, weil es in der Zeit, in der die Handlung spielt, nur Sparversionen eines gescheiten Essens gab und dazu Dünnbier. „Pfui Teifel“, fluchte er und spuckte es angewidert in die hohle Hand. „Was ist denn das?“ Er klappte die Brothälften auseinander und starrte auf die bräunlich grauen Fladen, bevor er alles neben die Akten schleuderte. „Das soll ein Fleischpflanzl sein?

1920. München. Babylon, aber auch das in einer abgespeckten Version. Angelika Felenda bereitet daraus einen durchaus geschmackigen Roman. Den schon recht eingekochten Krimi-Plot verrührt sie mit einer passenden Portion „Zeitkolorit“ zu einem immerhin fast 450-seitigen „Wintergewitter“. (ZIT)

Es hatte wieder zu nieseln begonnen, und von oben drückte Nebel herunter, der die Türme der Josephskirche in schmut­ziggraue Schwaden hüllte. In der Luft lag ein scharfer Geruch nach qualmenden Kohlefeuern, und das Licht war so trüb, dass Reitmeyer Mühe hatte, sich auf dem Klingelbrett mit den mehrfach überklebten Zetteln zurechtzufinden. Eine Cäcilie Ortlieb entdeckte er nicht. Er deutete auf das Hoftor ein paar Schritte weiter. »Schauen wir da rein«, sagte er zu seinem Kol­legen.
Steiger rüttelte ein paarmal an dem Tor, bevor es knarrend nachgab. Sie durchquerten die dunkle Einfahrt und gelangten in einen Hof, wo eine Frau gerade einen Sack von einem Lei­terwagen hievte. Neben ihr stand ein kleiner Bub in einer viel zu großen Jacke und sah die beiden Männer misstrauisch an. Steiger ging rasch zum Hinterhaus und suchte nach einem Klingelschild. Als er keines entdeckte, machte er wieder kehrt.
»Am besten, wir fragen vorn in dem Gemüseladen«, sagte er.
»Sie wohnen doch hier?«, sagte Reitmeyer zu der Frau. »Kennen Sie eine Cäcilie Ortlieb?«
Die Frau sah ihn ängstlich an, zog ihren Schal tiefer ins Gesicht und schüttelte den Kopf.
»Eine junge Frau«, versuchte es Reitmeyer noch mal. »Cilly Ortlieb …«
Die Frau schüttelte erneut den Kopf, nahm den Sack und schleifte ihn in Richtung Kellertreppe.
Warten S‘, ich helf Ihnen«, sagte Reitmeyer und folgte ihr.
Die Frau machte eine scheuchende Bewegung und stieß ein paar Wörter in einer Sprache aus, die Reitmeyer nicht ver­stand. Der kleine Junge stellte sich schützend vor sie und hob das Kinn.

Zwei junge Frauen sind ermordet worden. Man würde darüber hinwegsehen, sind die beiden „Damen“ doch eher „Kleindarstellerinnen“, in die große Stadt gekommen, um hier gesehen, besser: entdeckt zu werden. Der Film erlebt gerade eine erste Blüte und die Hascherln sind – nicht viel anders als heute – begehrte Objekte. Allerdings haben sich die Cilly und die Marie das Begehren anders vorgestellt als die Begehrer. (#meToo war noch Jahrhunderte entfernt.) Jedenfalls war das Scheitern der Damen genug Anlass für „Kommissär“ Reitmeyer, sich an Ermittlungen zu machen.

Reitmeyer hetzt dauernd auf seinem Fahrrad durch die Straßen, zu Fuß über Treppen, klopft bei Bekannten, Beobachteten, bei seinen Vorgesetzten. Allein, die Aufklärung kommt nicht recht voran, verzweigt und verläuft sich, wird – auch von Vorgesetzten – behindert. Klar, das in solche Kriminalromane eingelesene Publikum erwartet dicke Bücher und will/wird sich nicht über Zähungen in der Handlung beschweren. Vor allem die Münchner Leserin wird mehr als Ludwigs- und Widenmayerstraße wiedererkennen und sich kompetent durch ein frühmodernes, postkriegerisches und präfaschistisches München begleitet fühlen. Inden besseren Abschnitten hat Angelika Felenda die Wörter der – trotz allem – guten alten Zeit zur Verfügung.

Reitmeyer setzte sich ebenfalls und betrachtete die magere Frau in dem fadenscheinigen Mantel. Sie wirkte verhärmt und ausgelaugt, die Wangen waren eingefallen, die Augenränder rot, wie entzündet, das fahle Haar zu einem Knoten festgezurrt. Die Hungerwinter und die schwere Arbeit hatten sie ausgelaugt.
»Frau Hofmann«, begann Reitmeyer ruhig, »was ist denn eigentlich passiert? Haben Sie den Streit mitbekommen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin so gegen sechs heimkommen. Wissen S‘, ich bin Spülerin im Hackerbräu. Da hab ich’s dann gsehen. Ein Aug war völlig zu, und blau und ganz verschwollen, und ihre Lippe aufgerissen, und alles voller Blut. Deswegen wollt ich auch das Jod holen.«

Die Bausteine des urbanen Krimis setzt Angelika Felenda gekonnt ein. Kommissär Reitmeyer (nicht Leitmayr!) hat einen pfiffig-sympathischen Polizeischüler als Gehilfen (Rattler, nicht Kalli Hammermann), dem Vorgesetzten (Oberinspektor Klotz) ist nicht immer zu trauen, Drogen und Filmindustrie fehlen ebensowenig wie ein Schuss züchtig-schlüpfriger Erotik. Mafiotische Strukturen gibt es in den rechten Verbindungen, etwa dem „Deutsch-Völkischen Schutz- und Trutzbund“.

Immer mehr Interessen widmet Reitmeyer der Studentin (?) Gerti, die nach München kam, um ihre Schwester zu suchen und dabei ins Visier der rechten „Bürgerwehr“ gerät. Gerti versteckt sich, sie flieht von Bekannten zu anderen, die Kreise weiten sich, ich verliere öfters die Übersicht übers Personal und den Stand der Dinge. Die Streuung der Spannung sorgt nicht für gesteigerten Lesewillen. München ist ein eher provinzielles Babylon, die Gastwirtschaften haben nicht den mondänen Glanz der Moka-Efti-Unterwelt, getrieben wird es in bürgerlich-dekadenten Privatwohnungen. Eine bessere Zeit war es nicht, doch trotz der hetzenden Kommissäre geht es eher griabig zu. Das Fleischpflanzl ist mit Bröseln gestreckt. Dennoch: Lebendig, atmosphärisch, detailreich erzählt, geschichtlich gut informiert, angenehm zu lesen.

2016 – 440 Seiten

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Lustiger
16. September 2020, 18:55
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Gila Lustiger:
Die Schuld der anderen

Es gab zu viele widersprüchliche Informationen. Zu viele Ansatzpunkte. Zu viele Geschichten. Und doch spürte Marc, dass das alles irgendwie zusammengehörte. Nur wie? Er wusste es nicht. Wo ansetzen? Welcher Spur musste besonders nachgegangen werden? Was war vorrangig und was konnte vorläufig zur Seite gelegt werden?

Ich habe beim Lesen den Eindruck, dass die zu vielen Themen im Kopf von Gila Lustiger waren und dass sie in Marc Rappaport und über diesen in den Roman platziert wurden. Sie „irgendwie“ zusammenzubringen, wird Marc durch den Roman geschickt, er hat als Journalist mehr ermittlerische Freiheiten – und mehr biographisch motivierten Elan, als wenn er Kommissar wäre.

Pierre kannte ihn und kannte die Antwort. Seit fünf Jah­ren schrieb er, Marc Rappaport, Abiturient des renommier­ten Privatgymnasiums Stanislas, Spitzenschüler der Prepa Henry IV, Absolvent der Ecole Normale Sup&ieure und der Hochschule für politische Wissenschaften, kurz: je­mand, der alle selektiven Aufnahmeprüfungen aller Kader­schmieden der französischen Gesellschaft spielend bestan­den und gleich zwei »Grandes écoles« besucht hatte, seit fünf Jahren schrieb er nichts anderes als Meldungen und Artikel über Morde, Sexualverbrechen und Finanzskandale, und immer türmte er Fakten auf und begrub darunter jegliches Leben.

Der Faden durch den Roman: Eine junge Frau ist ermordet worden, die sich aus der Provinz nach Paris geflüchtet hatte und sich dort mit Sex-Diensten ihren Unterhalt erarbeitete. Der Fall liegt 27 Jahre zurück und wurde nicht aufgeklärt. Marc ahnt irgendwelche Verflechtungen in obere Wirtschafts- und Politikkreise, er beginnt erneute Nachforschungen, fragt sich durch eine Vielzahl irgendwie Beteiligter und (Gila Lustiger) hat dabei Gelegenheit, ein Kaleidoskop von Personen und Milieus zu durchleuchten: das Französisch-Sein, das Jüdisch-Sein, Pariser Arrondissements, Industrie-Gebiete, Schul-Systeme, Chemie-Konzerne, Milieus. Vertuschungen, Bestechungen, Abfindungen, Verstrickungen, Resignation. “Was als klassische Ermittlungsgeschichte beginnt, entpuppt sich bald als Gesellschaftsroman über ein ganzes Land und unsere Gegenwart.” (Klappentext)

Und so wird der Leser durch den Roman gezogen, von Gespräch zu Gespräch. Hin und wieder taucht im Hintergrund der Mordfall “Emilie” auf, zunehmend  verlagern sich Marcs Ermittlungen auf üble Chemie-Konzern-Praktiken. Um profitabler zu produzieren, setzen sie Arbeiter Giftstoffen aus. Als viele an Krebs erkranken, verzichten diese auf Klagen, damit der Konzern seine Schweinereien nicht in billigere Länder verlagert. Die “Skandale”sind immer und überall und allbekannt, (Der Konzern heißt im Roman Nutrissor, in Wirklichkeit “Adisseo”.), Gila Lustiger stellt sie als Recherche-Ergebnis von Marc Rappaport aus und nimmt damit den Leser nicht recht ernst. Was soll erwiesen, bewiesen, aufgedeckt werden? Dass der Journalist nicht aufgab, um sich selbst gerecht zu werden?

Wollte er etwa einen Ab­stecher zu den großen, metaphysischen Fragen machen? Nun, vielleicht nicht gerade das, aber zumindest wollte er dem nachgehen, was die endgültige Erfahrung des Todes in so einem Menschen wie Neuhart bewirkt hatte. Hatte der Mann Gewissensbisse? Hatte er all die Jahre danach an  “Emilienie T. gedacht? Hatte der Mord vielleicht sogar den Lauf seines Lebens verändert? War er ein anderer Mensch ge­worden? Oder hatte Neuhart die Prostituierte aus seiner Er­innerung gelöscht? Mit welchen Mitteln hatte er sich, wenn überhaupt, Frieden verschafft?
Fragen, Fragen, Fragen.

Er wusste von Nietzsche, dass sich für jeden Men­schen ein Köder fand, an den er anbeißen musste. Geld, Ehre, Macht, das waren alles nette Lockspeisen gewesen, und sie hatten diejenigen, denen er den Kampf anzusagen gedachte, satt gemacht. (…)  Epiktet hatte ihn gelehrt, dass es nicht die Dinge waren, die die Menschen beunruhigten, sondern die Meinung von ihnen. Nicht der Tod, sondern die Meinung, dass er etwas Schreckliches sei, ließ die Menschen seiner angesichtig bangen. Diese Herren würde daher nicht der Ruin, den er ihnen in allen Farben ausmalen würde, son­dern die Sorge, mittellos zu werden, in die Knie zwingen, nicht die tatsächliche Herabwürdigung, sondern die Vor­stellung von öffentlicher Demütigung, nicht die Bestrafung, sondern die Angst, in die Fänge des Strafvollzugs zu ge­raten. (…) Denn von Hobbes wusste er, dass man seine Gegner entweder durch rohe Gewalt oder durch Zusagen überzeugen konnte, sichzu ergeben, und dass es immer lohnend war, dem Feind die Vorteile einer Kapitulation vor Augen zu führen. Er brauchte sich nur einen dieser Schweinehunde herauszupicken. Einer würde genügen. Und Marc würde in aller Diskretion mit ihm verhandeln. Denn verborgene Vereinigungen wa­ren, so Heraklit, besser als offene. (Auch Hannah Arendt oder Max Weber werden zitiert.)

Als Marc alle alle befragt hat, stellt sich – angedeutet – heraus, dass die schuldigen „Anderen“ gar nicht so weit entfernt gewesen waren/wären.

Auf diese Wendung muss man aber sehr lange warten und so zerfließt der Skandal in zu viele Verästelungen. Die Seiten sind souverän vollgeschrieben, Lustiger hat umfassend recherchiert, wie sie in ihrer „Danksagung“ offenbart. Die Charakteristika des Genres sind versammelt: der anstachelnde und zugleich bremsende Vorgesetzte, der eifrige Praktikant als Zuträger, die emanzipierte Geliebte („Drei Wochen hatten sie ausschweifen­den Sex gehabt, so wild und aufregend.”), die genaue Beobachtung und Bescheibung von Schauplätzen und Personen: “Erst als Marc ihr gegenübersaß, unterzog er sie einer kurzen Musterung und stellte überrascht fest, dass sie nicht schlecht aussah, ja, sogar ausgesprochen gut. Sie hatte einen blassen Teint, ein fein geschnittenes Gesicht, eine Nase, die geradezu perfekt erschien. Sie war eine dieser Naturblondinen mit schimmerndem Haar, das ihr auf die Schultern fiel, und man erriet unter ihrem etwas unförmi­gen Baumwollkleid, das nichts zur Geltung brachte, weil es nichts zur Geltung bringen sollte, einen sportlichen Körper. Sie war von einer zeitlosen Attraktivität, und doch fehlte es ihr an Sinnlichkeit. Aber gerade das machte sie in seinen Augen begehrenswert.
»Sie wollen also einen Artikel über unsere Schule schreiben?«, fragte sie.”
Die Autorin als Macho-Imitat.

Sicher war Charles Riant sich im Nachhinein nur in einem: Es gab keinen Rechtsweg, keinen Staat, keine regio­nale oder nationale Instanz mehr, die die Bewegungsfrei­heit des Kapitals, die Freiheit des Marktes einschränken konnte. Es hatte eine Umverteilung der Macht stattgefun­den. Und der Freiheit. Weltweit. Und niemand hatte diese Entwicklung aufgehalten oder auch nur bemerkt.

“Es sind Wut und Verzweiflung der Autorin, die diesen Roman durchziehen.” (Martin Ebel) Das Motto  hat sich Gila Lustiger von Marx geborgt:

Kam endlich eine Zeit, wo alles, was die Menschen bisher als unveräußerlich betrachtet hatten, Gegenstand des Austausches, des Schachers, veräußert wurde. Es ist dies die Zeit, wo selbst Dinge, die bis dahin mitgeteilt wurden, aber nie ausgetauscht, gegeben, aber nie verkauft, erworben, aber nie gekauft: Tugend, Liebe, Überzeugung, Wissen, Gewissen etc ., wo mit einem Wort alles Sache des Handels wurde.

2015 – 490 Seiten

Leseprobe beim Piper-Verlag

Gespräch im Lizeraturclub des SRF (10 Minuten)

Druckfrisch: Denis Scheck im Gespräch mit Gila Lustiger (ab 4:30)

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Lutz – Wilhelm – Kellerhoff
12. Juni 2020, 13:15
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Lutz Wilhelm Kellerhoff:
Die Tote im Wannsee

toteimwannseeAus dem Autoradio klingt Jimi Hendrix mit Hey Joe und Good Vibrations von den Beach Boys. Im Kings-Club singt ein „junger Mann mit Gitarre (…) etwas von einem gewissen Orpheus“, ja, „der Mann hieß Reinhard Mey“.

Mittendrin ermittelt Kommissar Wolf Heller, „und Heller hatte das Gefühl, dass der Wahnsinn sich ausbreitete und irgendwann auch ihn befallen wür­de. Er war zweiunddreißig Jahre alt, unverheiratet und wohnte in Kreuzberg bei einer Mutter von zwei Kindern zur Untermiete. In seinem Ausweis stand: eins zweiund­achtzig groß, fünfundsiebzig Kilo schwer, blaue Augen, dunkles Haar. Die Frauen standen auf ihn.” Er steuert seinen roten Karmann-Ghia mit Stoffverdeck durch den Stadtplan Berlins. “Weil der Ku’damm wegen eines Feuerwehreinsatzes gesperrt war, nahm er die Kantstraße, was sich bald als Fehler herausstellte. Einmal pro Woche marschierten zweihundert bis dreihundert Studenten am Amerika­haus in der Hardenbergstraße vorbei, warfen Farbbeu­tel und Eier und riefen USA-SA-SS, Ho-Ho-Ho-Chi-Minh und andere Parolen. Wolf Heller wusste nicht, was damit gemeint war. Die Studenten schienen auf Krieg aus zu sein, als würden sie bedauern, beim letzten nicht dabei gewesen zu sein. Es ging gegen die Spießer, gegen die Amerikaner, gegen Vietnam. Und vor allem ging es gegen Axel Springer und die Bild-Zeitung.”

Man ist gefangen im Fluidum der umzäunten Stadt, des Vorpostens der westlichen Welt, und das ist das Merkmal und das Besondere an den Krimis von Martin Lutz, Uwe Wilhelm und Sven Felix Kellerhoff. Die Handlung ist in diese “politisch aufgeheizten Zeiten” (Cover) hineingepflanzt und streift die Schauplätze der Weltpolitik und deren Randakteure. Louise arbeitet in der Kanzlei von Horst Mahler, Karl-Heinz Kurras hat Benno Ohnesorg erschossen, die Kommune in der Wielandstraße träumt von der Revolution und die DDR hat ihre Finger im Spiel. Heidi Gent besucht aus unerklärlichen Gründen eine Hütte an einem geheimen Ventil im Grenzzaun zur DDR. Dann fischt man sie aus dem Wannsee und sie trug als Leiche unerwartet und für ihr bürgerliches Leben unpassend rote Schuhe und schwarzes Kleid.

»Haben Sie Gummistiefel dabei?«, fragte er und deu­tete auf Hellers Lederschuhe. »Da unten ist alles nass.«
In den letzten Tagen hatte es geregnet wie schon seit Jahren nicht mehr. Als wollte der Wettergott all die Schuld und die Wut von der Stadt abwaschen.
Heller passierte den Eingang, stieg auf der Seeseite die Treppen hinab und lief zum Ufer. Etwa zwanzig Meter entfernt dümpelte ein Schiff der Wasserschutz­polizei mit laufendem Motor. Ein Schupo, ein Beam­ter der Kripo, Oskar Schubert von der Spusi und sein junger Assistent standen um eine Frauenleiche. Hellers Kollege Albert Doll grinste.
»Na, Heller, auch schon da?«, spottete er. Sein Ge­sicht war schief, als hätte sein Schöpfer sich einen Spaß machen wollen und zwei unpassende Hälften zusam­mengesetzt.
Die Tote trug ein schwarzes, knielanges Kleid mit schmalen Trägern. Es sah so ähnlich aus wie das von Audrey Hepburn in Frühstück bei Tiffany. Vor einiger Zeit hatte Heller den Film zusammen mit Paula in der Filmbühne Wien am Ku’damm gesehen. Die Tote lag auf dem Bauch, Oberkörper und Kopf reichten ins seichte Wasser.
»Haben unsere Freunde mal wieder den Ku’damm stillgelegt?«, fragte Schubert.
»Das sind nicht meine Freunde«, erwiderte Heller.
»Aber du hast Verständnis für die Spinner«, sagte Doll.
Ja, das hatte er. Nicht für den Krawall und die wö­chentlichen Demonstrationen, die die Gegend um den Bahnhof Zoo lahmlegten. Aber er konnte verstehen, dass die Studenten wütend waren.

Die Aufklärung des Mordes erweist sich als schwierig und zeitaufwendig. Zu viele Instanzen behindern Kommissar Heller: die Vertuschungen der Täter, die Verweigerung potentieller Zeugen, die Influencer aus der DDR, die studentischen Staatsfeinde, Hellers Familie(n) und auch seine eigene – korupte – Behörde in der Keithstraße. Das ist alles wichtig, verbreitet Atmosphäre und lässt Heller viel Raum für die Darstellung der Facetten seines Berufs und seines Lebens seiner Stadt und seiner Zeit. Aber: Ich habe selten einen Krimi gelesen, der sich für die – schließlich auch dank des weißen BMW 2000 C doch erfolgte – Lösung derart viel Zeit und Nebenwege nimmt wie “Die Tote im Wannsee”. Was mögen jüngere Leser empfinden, denen Erinnerungen an 68er Global- und Subkulturen fehlen. Ein stärker geraffter erster Serienband hätte die Neugier auf weitere Fälle erhöht.

2018            380 Seiten (incl. Glossar)

2-3

 



Reski
28. Januar 2018, 15:36
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Petra Reski: Palermo Connection

reskipalermoSizilien. Palermo. Mafia. Da kennt Petra Reski sich aus. „Wenn nichts funktioniert, wenn der Staat nicht da ist, dann tritt die Mafia an seine Stelle, sagte Giovanni und fuhr dabei wie blind durch das Gewühl von Palermo, in dem Wieneke keinerlei Anzeichen für eine wie auch immer geartete Ordnung erkennen konnte – bis auf einen Polizisten, der im Lichtkegel der Abendsonne stand und sich mitten auf der Kreuzung mit einer Frau unterhielt. (…)Die Mafia hat alles, was der italienische Staat nicht hat, sagte Giovanni. Sie funktioniert, hat feste Regeln und Strukturen, sie kann sich durchsetzen, die Menschen können sich auf sie verlassen. Versteh mich nicht falsch, ich wünschte mir auch, dass es anders wäre, aber auf Sizilien sind siebzig Prozent der Jugendlichen arbeitslos, Höchststand in Europa. Wie soll man da einem Jugendlichen vorwerfen, dass er sich an einen Boss wendet, um einen Job zu finden?

Um Sizilien, Palermo und die Mafia genauer auszuleuchten, schickt Petra Reski zwei Protagonisten durch ihren Roman. Zum einen den etwas abgetakelten deutschen „FAKT“-Reporter Wolfgang Widukind Wieneke, der endlich einen Coup braucht, um über die Runden zu kommen. „Herrgott, Sie machen es sich wirklich schwer, Widukind. Es geht darum, dass nicht jeder Italiener ein Mafioso ist. Wenn Sie eine Geschichte über die Mafia schreiben wollen, dann bringen Sie mir ein Interview mit einem echten sizilianischen Mafioso, alles andere ist doch Quatsch.” WWWs Handicap: Er kennt weder Sizilien noch spricht er Italienisch. Deshalb hat ihm Petra Reski den Sensationsfotografen Giovanni beigesellt. Der allerdings Italiener ist und auf eigene Rechnung arbeitet. (Anm. Solche Nebensätze trennt Reski gerne durch Punkt vom Haupsatz ab.) “Giovanni fuhr ein altes, sehr elegantes Mercedes Benz Cabrio. Mit dunkelroten Ledersitzen und Wurzelholzarma­turen. (…)Als Wieneke auf dem Beifahrersitz des Cabrios saß … empfand er plötzlich ein dringendes Bedürfnis nach einer Sonnenbrille, was Giovanni keineswegs für außergewöhnlich hielt, sich auch nicht darüber lustig machte, sondern vor dem Geschäft eines Optikers hielt, und gleich nach Betreten den Optiker so herzlich umarmte, als sei er ein lang vermisster Verwandter.”

Im Untertitel heißt der Roman “Serena Vitale ermittelt” und so ist die Staatsanwältin die Hauptperson im Kampf gegen die Mafia. Sie ist in Bottrop aufgewachsen, nachdem ihre Eltern Sizilien als “Gastarbeiter” verlassen haben. Sie ist die unbeugsame, eigensinnige, widerspenstige Figur, die sich in der Staatsbürokratie nicht gerade Freunde schafft, als sie im Prozess den Minister wegen Kontakten mit der Mafia anklagt. Da die Ermittlungen immer wieder gegen Gummiwände stoßen, schenkt ihr Petra Reski zum emotionalen Ausgleich ein nächtliches Eigenleben. “Sie zog sich Strümpfe an, Seidenglatt 15den, Stilettos mit Zwölf-Zentimeter-Absätzen und ein enges schwarzes Kleid. Dann verließ sie das Haus. Sie fuhr am Hafen und am Gefängnis vorbei und stellte ihr Auto in einer Seitenstraße der Via Calvi ab. Sie drückte auf die Klingel und hörte, wie der Türsummer betätigt wurde.” Wie dürfen (müssen?) sie auch zwecks Blondierung zum Friseur und ins Nagelstudio begleiten.

Es ist schön, dass die Autorin ihr Personal nicht ernst nimmt; wie könnten auch Figuren, die “Widukind” oder “Crocefissa” heißen, glaubhaft sein. Widukind wird am Schluss zum Lachobjekt für die italienischen Aufklärer, Signora Vitale wird dem Fall entzogen.

Es ist viel schlimmer: Die Wahr­heit wird hier für ein großes Missverständnis gehalten. Alles muss sich ändern, damit alles so bleibt, wie es ist. Wir leben in einer Gummizelle. Du läufst gegen eine Wand und wirst zu rückgeschleudert.
Im günstigsten Fall, sagte Romano.
Ich weiß, sagte Serena. Sie blickte in den Spiegel und wischte sich etwas verlaufene Wimperntusche unter dem Auge weg.

Mit der Seriosität des erhellenden Personals schwindet auch die Seriosität der Entlarvung der Mafia. Für ein bloßes Spiel aber ist die “Palermo Connection” nicht spannend genug. Das bisschen Mafia-Tralala erweist sich als heiße Luft, auch das Lokalkolorit ist weder neu noch originell in Petra Reski “Ermittlungsfall”, der sich inzwischen zur Serie ausgeweitet hat. Als Journalistin untersucht Petra Reski auch die Deutschland-Connections der Mafia, sie findet Gefallen an der Cinque-Stelle-“Bewegung” des Beppe Grillo.

2014             290 Seiten

3-4

 



Lüders
26. Juni 2017, 18:28
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Michael Lüders: Dunkelmacht

dunkelmachtMichael Lüders rührt ein Mashup deutscher Verschwörungen der letzten Jahre an. Er reklamiert für „alle Hauptfiguren (…) Fiktion, bittere Wirklichkeit sind die geschilderten NSU-Fahndungspannen, sowie die beschriebenen rechten Traditionslinien im Bundeskriminalamt.“ „NSU-Aufklärung“ und involvierter Verfassungsschutz, Flüchtlingsströme und –heime, mediale Quoten-Verflechtungen, reaktionäre Dunkelmänner, gewürzt mit ein bisschen Liebe, ein bisschen Exotik, ein bisschen Prügelei und Sprengstoff und Action.

Matthias „Mitch“ Berger arbeitet für Star-TV, eine Produktionsklitsche für TV-Dokus. Sein aktuelles Projekt ist ein Feature über eine syrische Flüchtlingsfamilie, ausgewählt sind die Marwans, nett, ängstlich und zahm, die nach der „Erstaufnahme“ in Bayern ins thüringsche Friedenau transportiert wird. Hier schließen sich kurz Kontakte zu Fred Wagner, einem lokalen Neonazi, der als V-Mann des Verfassungsschutzes auch in den Akten zur „NSU“ stand. Mitch Berger erhält eine DVD, die beweisen, dass die NSU-Mordbuben von rechten V-Männern erschossen werden. Fred Wagner war dabei, eine Telefonnummer führt zunächst ins Nichts, stellt sich aber als gesicherte Geheimnummer des hohenVerfassungsschützers Werner Dickmann heraus. Dickmann erweist sich als Spinne und Drahtzieher eines verschworenen Geheimbunds reaktionärer Nationalisten, der ein Attentat auf eine Flüchtlingsunterkunft plant, eine ehemalige US-Kaserne, in die auch die Marwans verlegt werden .

Taylor kratzt sich am Kinn, man sieht, der Mann fühlt sich unwohl, fühlt sich überrumpelt. Generalmajor Neubert mischt sich ein, legt dem Amerikaner vorsichtig eine Hand auf den Unterarm und deutet mit der anderen Hand auf Dickmann: »Marc, das ist nicht seine verrückte Privatidee, dahinter steht eine große Gruppe hoher deutscher Offiziere und Geheimdienstler. Wir haben lange über diese Aktion debattiert und sie einstimmig gebilligt. Dickmann hat recht, wir sind in einer Notwehrsituation. Wenn wir Angela Merkel gewähren lassen, dann wird in zehn Jahren in dem Odenwalddorf deiner Großmutter ein Taliban zum Bürgermeister gewählt. Dies ist kein Terror, das ist Abschreckung. Das ist ein Kollateralschaden, so heißt das doch bei euch in Afghanistan.«

Weshalb schreibt Harald Lüders kein Sachbuch? Weil da nicht mehr drinstehen könnte als man eh schon weiß oder vermutet? Was ist der Mehrwert eines „Thrillers“ – über die Spannung hinaus? Lässt die fiktionale Verdichtung mehr Betroffenheit entstehen? Und, wenn ja, was ist damit gewonnen? Agitation oder eher Wutabfuhr? Vielleicht sind all diese Fragen obsolet.

Indem er die Ungeheuerlichkeiten geschickt verschlingt, gelingt Lüders ein Krimi zur aktuellen politisch-sozialen Lage. Mit Mitch Berger hat der Leser eine Identifikationsfigur, man hofft gebannt mit dem Außenseiter, dass der perfide Anschlag misslingt. Es ist nicht zu viel verraten, dass die meisten der Guten überleben. Man sollte aber in der Fiktion bleiben und sich von Verbrecherliteratur keine segensreichen Wirkungen auf die Realität erwarten.

2016          350 Seiten

2-

Leseprobe beim Westend-Verlag



Ani
5. Mai 2017, 16:57
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Friedrich Ani: Der namenlose Tag

anitagKriminalhauptkommissar Jakob Franck ist in den Ruhestand gegangen, doch lässt ihn das Ermitteln nicht los. Vor zwanzig Jahren hat er den Fall der siebzehnjährigen Esther bearbeitet, die sich in einem Park erhängt hat, jetzt besucht ihn der Vater von Esther mit der Aussage, Esther sei umgebracht worden und er erwarte, dass Franck die Untersuchungen wieder aufnehme. Franck befreit diese Tätigkeit von der Leere und Einsamkeit seines Rentnerlebens und er macht sich auf, verschiedene Leute – nein, nicht zu verhören – aufzusuchen und mit ihnen zu reden.

Diese Methode kommt auch dem Autor Ani entgegen, denn seine Ermittler haben Erfolg, weil sie zuhören, weil sie gerade durch ihre scheinbare Passivität die Leute zum Sprechen bringen, als hätten sie auf die Gelegenheit gewartet, sich zu öffnen und von ihren Hirngespinsten zu befreien. Jacob Franck taucht ein in eine Welt voller haltloser Personen, voller verdrängter Familientragödien, voller abgründiger Alltagsschicksale. Die Aufklärung rückt in den Hintergrund, auch wenn Franck natürlich so einiges herausfindet.

Auch während der folgenden Stunde blieb seine Haltung unverändert; ihm fiel nicht einmal auf, dass er gelegentlich ein Wort, einen Satz auf seinen Block kritzelte – wie neben­bei oder aus Versehen – und dabei nickte und den Blick nicht abwandte und so sein Gegenüber zu weiteren Aussa­gen ermutigte.
Tatsächlich fühlte sich Winther ermuntert; er genoss die aufnahmebereite Nähe seines Gastgebers auf eine Weise, die er nicht für möglich gehalten hätte. Vor der Haustür hatte er vor Unsicherheit und Beklemmung noch nach Luft ge­rungen und mehrere Minuten benötigt, bis er es endlich schaffte, auf die Klingel zu drücken; und als er ein Knacken in der Sprechanlage hörte und der Summer ertönte, brachte er seinen Namen nicht heraus.
Mittlerweile schien er – ähnlich wie Franck – ein anderer zu sein, womöglich ein »Besserer« als am Morgen dieses Ta­ges, des Tags der Toten.

Anis Romane nennen sich zwar Krimi, doch sind sie oft mehr psychologische Tableaus. Der Ermittler ist Teil dieser Welten, man nimmt ihm die angebotene Partnerschaft im Leiden ab. „Scheinbar tröstet er die Menschen, aber tatsächlich begleitet er sie durch die Katakomben und Verliese ihrer Lebenslügen, um auch selbst ans Licht zu kommen.“ schreibt Gerhard Matzig in der SZ. So, wie der Kommissar den Befragten Zeit für Antworten lässt, so nimmt sich auch Ani Zeit für neue Ergebnisse der Recherchen, oft geht es in seinen Romanen nur langsam voran, sodass man sich schon auf Um- und Irrwegen wähnt. „Gelegentliches Ornamentieren“ (Matzig) ist etwas untertertrieben. Franck sieht es als „das Ausgraben halb verwester Wahrheiten“, das seine Zeit füllt und womit er dem Leben der Unglücklichen, die überlebt haben, einen gewissen Sinn vermittelt. Doch Ani findet das Ende, bündelt die Fäden, versöhnt den Leser mit seiner umständlich erscheinenden Darstellung“.

Und die Mutter? Die Mutter hat ihren Mund gehalten, der Alte war der Chef im Ring. Hören Sie mir zu? Sie wirken irgendwie abwesend.«
»Ich bin nicht abwesend«, sagte Franck gegen das Stim­menchaos um ihn herum. »Esther war verzweifelt.«
»Keine Ahnung. Hat sich nichts anmerken lassen.«
»Sie wussten, dass sie verzweifelt war.«
»Ich? Nicht direkt. Hinterher reden alle gescheit daher. Und die Mutter? Bringt sich auch um. Was ist das für eine Familie? Lebt der Alte noch?« Er trank einen Schluck, be­dächtig, ohne erkennbare Regung. Er hätte auch von einem Ausflug aufs Land zu unbegreiflichen Menschen oder Pflan­zen erzählen können.

Kein Meisterwerk, sondern ein weiterer Stein in Friedrich Anis Werk, ein neuer Ermittler, aber einer, der Tabor Süden nicht unähnlich ist. Ergiebig, wenn man sich beim Lesen auf die gedehnte Zeit einlässt und auch über manche banale Tiefschichtigkeit hinweglesen will.

2015            300 Seiten



Lüders
1. September 2016, 19:02
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Michael Lüders: Never Say Anything

luedersanythingSophie Schelling ist Reisereporterin einer angesehenen deutschen Wochenzeitung. Sie will in Marokko die „Himmelstreppe“ von Said Attar sehen und besucht dazu mit ihrem einheimischen Begleiter Hassan den Ort Gourrama im Süden des Landes nahe der algerischen Grenze. Wie es der Zufall will, erleben sie einen Drohnenangriff in unmittelbarer Nähe, bei dem ein Hirte zerfetzt wird. Auf einem Raketenteil entdecken sie ein Schild, das auf den US-Usprung hinweist. In der nächsten Nacht wird das Dorf von Helikoptern angegriffen, alle Bewohner werden getötet, auch hier liegt der Verdacht bei privaten US-Söldnern, die den Erschossenen die Kugeln aus den Körpern schneiden, um das Massaker zu anonymisieren. „Find, fix & finish“ – Finden, festnageln und fertigmachen lautet das Motto von JSOC, des Joint Special Operations Command.

Als Erstes sah Sophie den Arganbaum, dann, beim Aussteigen, das, was in ihm hing. Ihr Körper reagierte so unvermittelt, wie sie es noch nie erlebt hatte: Sie erbrach sich augenblicklich, ein Schüttelfrost überkam sie, am Ende spuckte sie gelb­grüne Gallenflüssigkeit. In ihrem Kopf hörte es nicht auf zu hämmern: Ein Bild wie von Dali, surreal, verzerrt, entrückt. Der Oberkörper des Hirten, etwa bis zur Höhe des Gürtels, hing wie hingeworfen rücklings über den Äs­ten. Seine Arme waren ausgebreitet in Form eines Vs, sein unversehrtes Gesicht wirkte so friedlich, als schliefe er. Die Augen waren geschlossen. Sein Unterkörper lag über mehrere Meter verteilt, unzählige Male zerrissen und zerfetzt. Allein sein rechter Unterschenkel einschließlich des Fußes war erhalten geblieben. Die Gedärme schlan­gen sich teils im den Baum.

Sophie Schelling ist, wieder ein Zufall, die einzige, die überlebt. Sie schlägt sich nach Berlin durch und hofft, ihre Erlebnisse und Erkenntnisse in ihrer Zeitung unterbringen zu können. Hier beginnt Michael Lüders’ Lehrstück. Sophie, die Frau, also ideologisch unverdächtig, wird zur Protagonistin und erfährt, stellvertretend für den lesenden Stubenhocker, wozu die „Weltpolitik“ des frühen 21. Jahhunderts fähig ist. Zum Aus-der-Haut-Fahren.

Die Zeitung ziert sich, die Fakten seien nicht überprüft, nicht überprüfbar, der transatlantische Chefredakteur empfiehlt Zurückhaltung.   Sophie schreibt einen neutralen Artikel, erhält darauf Informationen von amerikanischen Investigativ-Journalisten und stellt diese auf ihrem Privat-Account ins Netz. Lüders beschreibt die Konsequenzen als Thriller.

Sophie Schellings Wohnung wird durchsucht, auf ihrem Konto geschehen rätselhafte Überweisunugen, worauf es gesperrt wird, ihr Facebook-Account wird gehackt, das Auto, das sie fährt wird Ziel einer Cyber-Attacke, man lässt sie überleben, weil man weitere Informationen bei ihr vermutet. Klischees, aber vorstellbar, die Wirklichkeit ist meist brutaler.

Michael Lüders „war lange Jahre Nahost-Korrespondent der Hamburger Wochenzeitung DIE ZEIT“, er analysiert die globale Einbettung der Konflikte und Zustände in der arabischen Welt des Nahen Ostens, sein zentrales und mit Verve vertretenes Anliegen ist zu zeigen, was „westliche Politik im Orient anrichtet„:Wer den Wind sät“ von 2015)

Im Thriller schickt er Sophie Schelling in den Kampf mit den USA. Sie hat keine Chance, aber sie schlägt sich gut, gibt nicht auf, ihre Beharrlichkeit soll dem Leser die Augen öffnen über die Machenschaften von Militär und NSA („Never Say Anything“), über die Einbettung von Medien, über die totale Unterordnung von Menschlichkeit unter die Machtinteressen, über Drohnenkrieg und Enthüllungsplattformen.

Die Warnung ging Sophie nicht aus dem Kopf. Sie konnte schweigen oder sterben. Zu ihrem eigenen Erstaunen verspürte sie keine Panik, nicht einmal übersteigerte Angst. Weil sie mittlerweile gelernt hatte, mit Gefahren umzugehen? Die beinahe zu ihrem Alltag gehörten? Sie dachte in jede Richtung, erwog alle Optionen. Einfach alles hinzuwerfen, wäre gleichbedeutend mit Selbstaufgabe. Allein die Vorstellung bereitete ihr körperliches Unbehagen. Es gab nur einen Weg, sagte ihre innere Stimme: Dir selbst treu zu bleiben. Auch wenn Sophie sich keineswegs als Heldin sah.

Lüders müsste nüchterner Realist sein, der Roman darf aber – zumindest – hoffen lassen. Es gibt die kleinen Nischen, es gibt Länder, die sich ein Eckchen Souveränität bewahrt haben, es gibt den Leser, der Menschen wie Sophie Schelling braucht. Was der Leser nicht braucht, ist die Episode im “Berghain”-Club in Berlin, auch wenn auch hier “Schlachten” geschlagen werden.

Er suchte ihren Blick. «Eigentlich sollten Zeitungen Hintergründe liefern. Das tun sie aber nicht. Überall steht derselbe Quatsch, den ich längst im Internet gelesen habe. Durch deine Erfahrungen ist mir das zum ersten Mal so richtig bewusst geworden.»
«Weil Qualität Kosten verursacht, Günther. Ein Meinungsartikel ist schnell geschrieben. Recherche braucht Zeit und kostet Geld.»
«Du würdest mir also zustimmen, wenn ich sage: Da besteht eine Marktlücke?»
«Ja, natürlich. Das ist allgemein bekannt. Nur mag sie niemand füllen, weil völlig offen ist, ob sich das am Ende auch rechnet.»
«Sophie, da muss ich dir widersprechen. Dieser Niemand steht vor dir.»
Er führte aus, wie er sich das vorstellte: eine Enthüllungsplattform, die Nachrichten und Analysen veröffentlicht, die in den weich gespülten Medien untergehen. Geschichten wie die aus Gourrama. Geschichten wie die von Marc Lindsey. Geschichten wie jene, die Hassan Maliki in seiner Zeitschrift veröffentlichte. Wie hieße die noch gleich?
«Outland», warf Sophie ein.
Ja, was für ein schönes Wort. Es mache neugierig, wecke Lust auf Neues, verheiße einen Blick hinter die Kulissen.

Trotz der Vorhersehbarkeiten ist der Roman spannend, er ist auf der Höhe der Zeit, er leistet sich und den Helden ein bisschen Sentimentalität, die Idylle ist immer gebrochen. Der Stil hat sich dem Anliegen unterzuordnen, Lüders schreibt aber gut lesbar.

Der wolkenlose Sternenhimmel spiegelte sich im ruhig daliegenden See, als suche er sein Ebenbild. Sophie saß neben Helga auf der Bank eines Stegs, der wie ein Dolch in die Vollmondnacht hineinstach. Schlafende Enten trie­ben an ihnen vorbei, vom Wind bewegt, die Köpfe im Gefieder verborgen. Frösche quakten, in der Ferne bellte ein Hund. Spätabendliche Ruhe lag über dem idyllischen Ort, doch Sophie kämpfte gegen die jähe Einsamkeit, die sie befallen hatte. Mit großer Heftigkeit wurde sie von ihren Erinnerungen heimgesucht – wie sie mit Hassan Maliki unter dem Sternenzelt gesessen hatte, in seinem Heimatort, dessen Besuch sie beinahe mit dem Leben bezahlt hätte. Was würde sie geben, wäre er jetzt mit Helga an ihrer Seite. Er fehlte ihr, er fehlte ihr sehr. Fast sehnte sie Sturm und Regen herbei, um ihre Gedanken zu vertreiben. Warum starben immer die Guten viel zu früh, während die Verderber der Welt sich eines langen Lebens erfreuten?
«Woran denkst du?», fragte Helga.
«An die vielen guten Gelegenheiten, die ich nicht ge­nutzt habe.»
Sophie sah das Lächeln auf Helgas Gesicht.
«Geht dir auch so, ja?»

2016     365 Seiten

Michael Lüders liest aus “Never Say Anything” (hier auch weitere Video-Links)

Kritik von Knut Cordsen in der kulturWelt von BR2



Manotti
10. August 2016, 15:44
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Dominique Manotti: Letzte Schicht

manottiletzteschichtDer Wirtschaftskrimi hat ein Handicap.Wirtschaft ist System, Struktur, abstrakt. Man kann analysieren, Theorien erstellen, Prozesse offfenlegen. Der Roman aber braucht Figuren, Personen, Handlungsträger, Jean Paul hat das einst Charaktermasken genannt, Typen, die ihr Handeln für autonom halten. Aber anstatt „die Wirtschaft“ zu gestalten, werden sie vom System getrieben, es wird physisch.

Als Erstes möchte er fliehen, weit, weit weg. In die Mongolei, ein alter Traum, die kleinen Pferde mit dem waagerechten Hals reiten, dem Schneetiger mit seinem dichten weißen Fell und den schwarzen Streifen endlos hinterherjagen. Aber er flieht nicht. Mehrere besorgte Gesichter fragen ihn, ob es besser gehe. Viel besser. Sehr gut sogar. Ein kleiner Schwächeanfall wegen Überarbeitung, die Anreise auf leeren Magen, es ist nichts. Er hört sich mit den Zähnen knirschen. Ermittlungen der Börsenaufsicht dauern mehrere Monate. Bis dahin … Er weiß nur, dass bis dahin nichts mehr sicher ist und dass er Angst hat.

Die Möglichkeiten liegen darin, sich an die Stelle des Konkurrenten zu drängen, noch etwas brutaler, raffzahniger, korrupter zu sein. Das ist ihre Welt. Sex und Drugs und Geld und das selbstgeglaubte Gefühl, Macht zu haben. Accessoires, Talmi.

Dominique Manotti zeigt diese „Welt“ in ihrer hemmungslosen Dürftigkeit. Wer sich ihnen in den Welt stellt, liegt dort bald als Leiche, Geld ist rigoros. Natürlich kann auch Manotti das „System“ nicht darstellen, aber sie zeigt in all ihrer Realität die vom System Getriebenen und Gezeichneten. Sie zeigt, dass hinter den Mördern Männer stehen, die das System am Laufen halten, die es für legitim halten, dass ihnen dabei viel Geld zufließt. Manotti zeigt sie als Masken, sie lässt sie nicht davonkommen. „Die Wirtschaft“ juckt das nicht, sie dreht sich weiter.

Die „Letzte Schicht“ ist keine Fiktion, die Privatisierung des französischen Rüstungs- und Elektronikkonzerns Thomson sollte 1996 erfolgen. Lothringen ist weitgehend deindustrialisiert, das Kapital verfolgt sein Hauptanliegen, Arbeitsplätze sind rar und umkämpft, auch die Solidarität ist auf der Strecke geblieben, so etwas wie Klassenbewusstsein zuckt gelegentlich noch auf. (Didier Eribon beschreibt, wie es – nicht nur in der Region – in die rechte Ecke gedriftet ist.) Die Arbeitsbedingungen in der Thomson-Bildröhrenfabrik sind desolat. Ein Unfall soll die Abläufe nicht weiter stören, doch deckt er die brüchigen Strukturen auf. Wem gehört eigentlich die Fabrik, wer hat das Sagen, wer bezahlt die Arbeiter? Weshalb werden ihnen die zugesagten Prämien versagt? Es zuckt! Betriebsbesetzungen à la française, plötzlich brennt das Werk. „Die Polizei wird sich zunächst für die Arbeiter interes­sieren.”

Alcatel, Matra und Daewoo streiten um die Übernahme, Manotti nennt die Namen. Es stellt sich immer deutlicher heraus, dass die geheimen Fäden ganz oben gesponnen werden. Die Gelder kommen von der EU und die Raffzähne sorgen dafür, dass sie nicht in der Region und bei den Arbeitern ankommen. Die “oberste Liga der Korruption”, „Blut und Tod, so weit entfernt und doch so nah an der Welt der großen Geschäfte. (…) »… Es war, als wäre die ganze Fabrik eine Kulisse, und wir führten ein Stück auf, ohne es zu verstehen …«”

Er grüßt ihn mit einem Knurren, lässt sich auf die Rückbank fallen und breitet die Titelseiten der drei französischen Tageszeitungen aus, Ein und dieselbe Meldung in allen Schlagzeilen: Landesweiter Streik und Demonstrationen der Beschäftigten von Thomson Multimedia gegen die Übernahme durch Daewoo. Erleichte­rung. Nicht nötig, die Artikel zu lesen. Was kann ein Streik schon gegen die großen Deals der internationalen Finanzwelt ausrichten? Nichts. Das ist bestenfalls lachhaft. Diese Leute wer­den es nie verstehen.
Er faltet die Zeitungen wieder zusammen. Dann kehrt die Unruhe zurück. Die Presse hat vor allem Daewoo im Visier, schon zum zweiten Mal. Ohne Deckung von Matra. Riskant. Mit diesem Schnüffler in der Nähe, der sogar schon bis zu Tomaso vorgestoßen ist. Der Kommissar sagt, er ist sauber. Aber dem kann man leicht ein X für ein U vormachen. Ich werde ihn noch mal darauf ansprechen. Er lässt sich zurücksinken und betrachtet bewundernd die in Nebel gehüllten letzten Ausläufer des Waldes, die sich auflösen, als sie mit der Stadt in Berührung kommen. Die Bäume färben sich rot, bald werden die Blätter fallen, und im Forst kann gejagt werden. Ich muss mit dem Wildhüter eine Runde durch den Wald gehen, um zu sehen, wo in der Grande Commune die Fasane sind. Die Zeit vergeht.

Dominique Manotti verflicht ihr Personal zu einem – wie in der Realität – oft unübersichtlichen Knäuel von Raffzähnen, lässt die Arbeiter und mehr noch die Arbeiterinnen hilflos zappeln und leiden und sterben. Das Glück ist fern und klein und kurz. Ein paar Reste von Guten gibt es auch. Rolande Petit, die aufrechte und attraktive Frau – wie lange kann sie widerstehen? Charles Montoya, der von außen kommt und als angeblicher Journalist viel herausfindet. Letztlich aber sinn- und nutzloses Wissen, denn der Fall kann und darf nicht gelöst werden. »Damit können wir die ganze Republik hochgehen lassen, was ja nun nicht unsere Absicht war. Alle würden dabei verlieren.« Immerhin führt es zu einem “peinlichen Rückzieher” (Die ZEIT zur Privatisierung des Thomson-Konzerns) der Regierung. Das Thema ist geparkt – beim “Alumniclub”.

Manotti schreibt im Arbeitstakt, heftig, sich überschlagend, präzise. (Mehr zu ihrem Stil hier.) Die Geschichte beschleunigt, kommt nicht voran und wird dadurch immer spannender. Ein Wirtschaftskrimi, nahe an der Realität, die man sich nicht so brutal vorstellen mag, die aber wohl jedes Klischee übertrifft.

Oberkörper richten sich auf, am Ende des Bands Rolande, prü­fender Blick, ob die Lötpunkte korrekt sitzen. Klack, zischsch, das Band läuft weiter, Kopf leer, Hände und Augen arbeiten von selbst, klack, eins, zwei, drei, vier, Blick drauf, klack, zischsch, zwischen zwei Röhren Aïshas Gesicht, abgespannt, zwanzig Jahre, könnte besser gehen, klack, eins, ging’s dir mit zwanzig besser, zwei, schwanger, sitzen gelassen, drei, Mutter Alkoholi­kerin, aggressiv, vier, lag dir damals schon auf der Tasche, Blick drauf, klack, zischsch, Aïsha, leerer Blick, brutaler Vater, klack, eins, mein Sohn, Hände streichen übers Haar, zwei, übers Gesicht, liebevoll, drei, niemals in die Fabrik, nie, vier, lerne, lerne, Blick drauf, klack, zischsch, Aïsha, die Arbeit, sie kann nicht mehr, klack, eins, seit dem Unfall, zwei, der Unfall, das Blut, drei, überall Blut, vier, der durchtrennte Hals, Blick drauf, klack, zischsch, Aïsha voller Blut, klack, eins, sie hat Angst, zwei, ich auch, drei, wir alle, vier, Angst geht um zwischen den Blech­wänden, klack, zischsch, Aïsha, ihr Vater, immer am Rumbrül­len, klack, eins, greller Blitz bei der Reihe gegenüber, bis zu den Neonröhren, eine Röhre brennt durch, ein Schrei, der auf dem höchsten Punkt abbricht, fast platzt das Trommelfell, Emilienne ist starr hintenübergekippt, Rolandes flache Hand schnellt von selbst zum Sicherheitsknopf, das Band bleibt stehen. Ein Kabel brennt bis hinauf zur Neonleiste, gelb-orange Funken und ein scharfer Geruch nach verbranntem Gummi, Gummi oder etwas anderem, zum Erbrechen.
Stille.

 

2006            250 Seiten

Rezension der crimi-couch

Perlentaucher-Rezension

Interview mit Dominique Manotti beim Argument-Verlag



Disher
19. Juli 2016, 13:38
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Gary Disher: Drachenmann

disherdrachenmann“Disher ist und bleibt einer der besten.” schreibt Michael Saager. Der “Drachenmann” erhielt 2003 den Deutschen Krimipreis. Matthias Brandt lobt Disher aus dem „Polizeiruf“ heraus für seine Dialoge. Was ist dran?

»Garry Disher webt viele Erzählstränge ineinander und behält doch den Überblick”, weiß das Frankfurter Rundschau Magazin. Die Kapitel sind nur wenige Seiten lang und innerhalb dieser wechselt der Blick oft alle paar Zeilen. Viele Personen spielen mit: die Guten auf der Seite der Polizei haben manchmal auch ihre Macken, sind sprunghaft, aggressiv, übermüdet, resigniert, die Bösen vom pyromanischen Kleindieb bis zum psychopathischen Mörder sind gar nicht zu zählen auf der Halbinsel vor Melbourne, im Städtchen Waterloo. Für mich als Leser ist es nicht so leicht, den Überblick zu behalten, wer ist wer, in welches Kästchen muss ich ihn/sie stecken. Disher fühlt mein Problem:

“Lassen Sie mich rekapitulieren. Zwei junge Frauen wurden ermordet, und ein Brief, den wir für authentisch halten, kündigt einen weiteren Mord an. Kymbly Abbott verließ eine Party in Frankston in der Nacht vom zwölften Dezember, wurde gesehen, wie sie am Beginn des Old Peninsula Highway eine Mitfahrgelegenheit suchte, und schließlich am nächsten Morgen vergewaltigt und erwürgt neben der Straße gefunden. Nicht ganz eine Woche später, am siebzehnten Dezember, zeichnete die VAA den Notruf einer gewissen Jane Gideon auf, deren Wagen vor einem Verkaufsstand am Old Peninsula Highway zusammengebrochen war. Das Band deutet auf die Gegenwart einer weiteren Person hin. Gideon war nicht mehr da, als die Polizei und der VAA-Mechaniker eintrafen, und ihre Leiche wurde am Mittwoch am Rand des Devil Bend Reservoir aufgefunden.«
Challis machte eine Pause, um an seinem Kaffee zu nippen. Er nahmdie Gesichter von Ellen Destrys Leuten und jedem der neuen Beam­ten in sich auf und betrachtete sie gelassen. Er hatte keine Ahnung, was sie von ihm dachten. Es war ihm egal. Aber er wollte sie wissen lassen, dass dies seine Ermittlung war und sie in seinen Augen alle gleich waren.

Hal Challis ist der (Serien-)Held, der Dragon Man, er möchte gerne an seinen alten Flugzeugen basteln, doch die überbordende Fülle von Verbrechen auf der Peninsula lässt ihm keine Zeit, kaum welche auch für seine Beziehung zu Tessa, der Lokalredakteurin. Challis ist, wie sich’s gehört, nicht hundertprozentig von seinem Job und von der Gerechtigkeit überzeugt, ein Außenseiter, eigenwillig, aber, natürlich, tüchtig. Das schnelle Umschalten macht den Roman lebendig, man ist fast live dabei, sollte aber beim Lesen nicht innehalten, um nichts zu versäumen und nichts zu vergessen. Bei mir hat’s etwa 100 Seiten gedauert, bis ich mir einen halbwegs nachvollziehbaren Überblick angelesen hatte, ich bin auch am Ende noch nicht sicher, ob ich Täter und Opfer richtig identifiziert habe. (Was aber auch an meinem kriminalistischen Unverständnis liegen kann.)

Die Übersetzung wirkt auf mich stellenweise etwas hölzern. “Sie musste über eine Reihe weiß gestrichener Fahrwegsteine und niedrige Büsche hinwegsteigen, um ihn zu erreichen. Der Boden war von Blättern und Kapseln der blühenden Eukalyptusbäume übersät. Sie nahm das Summen und Flirren der Sommerhitze in der Luft in sich auf, den Duft der Eukalyptusbäume und den salzigen Geruch des nahen Meers. Sie reichte ihm ihre Karte. Er war sehr gut aussehend, hatte geschmeidige Bewegungen und eine sanfte Stimme, und sein Lä­cheln war wirklich charmant. Kein Wunder, dass all ihre Sinne erwacht waren.”

1999       280 Seiten

3



Ani
16. April 2016, 17:49
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Friedrich Ani: M

ani_mEdith Liebergesells Sohn Ingmar wurde entführt, Lösegeld wurde bezahlt, er ist nicht mehr aufgetaucht. Sie ist die Chefin einer kleinen, familären Detektei, die sich auf das Aufspüren verwchwundener Personen spezialisiert hat und recht und schlecht ihr Dasein fristet. „Hinter dem chaotisch anmutenden Schreibtisch der Chefin saß ein schmächtiger, grau gekleideter alter Mann mit einer Hornbrille aus den sechziger Jahren und kurzen, nach hinten gekämmten graubraunen Haaren. Sein lächelnder Gesichtsausdruck wirkte im Vergleich zu seiner Erscheinung – billige Windjacke, billiges Hemd, billige Hose – geradezu farbig. Leonhard Kreutzer war achtundsechzig, Witwer. Früher betrieb er gemeinsam mit seiner Frau ein gutgehendes Schreibwarengeschäft, das er nach einem Herzinfarkt aufgeben musste. Wenig später verstarb seine Frau“ und wenig später bietet ihm Edith Liebergesell den Posten an: »Auf geht’s, Leo, versuchen wir’s.« und Leonhard Kreutzer hatte einen neuen Job als Detektiv. Aufgrund seines verhuschten Wesens, wie er es nannte, hielt er sich für einen idealen Beschatter, einen aus der grauen Masse, der kein Aufsehen erregte und den später niemand beschreiben könn­te. Münchens »grauester Schattenschleicher«. Die vierunddreißgjährige Patrizia Roos “mit der akkurat geschnittenen und knapp über den Augen­brauen endenden Ponyfrisur arbeitete zusätzlich drei Tage in einer Szenebar in der Müllerstraße, nicht weit von der De­tektei entfernt”. Sie hat eine Vorliebe “für dekolletierte und grobmaschig gestrickte Pullover” (…) Davon abgesehen, schätzte sie das offene Wort, und Patrizia ließ sich in dieser Hinsicht nicht zweimal bitten. In ihrem Elternhaus zählte die freie Meinungsäußerung zu den Grundregeln im Umgang miteinander. (…) Ihr künftiges Leben stellte sie sich in einem überschaubaren Kosmos aus Ehrlichkeit, Grad­linigkeit und entspannter gegenseitiger Befeuerung vor. (…) Im Kreis von Edith Liebergesell, Leonhard Kreutzer und Tabor Süden hätte Patrizia Tag und Nacht observieren, recherchieren und vor Ort ermitteln können, so sehr entsprach diese Gemeinschaft ihrem Nähe-Empfinden. Und wenn Süden, dachte sie, weniger schweigen und sich öfter mal auf einen wilden Dis­put einlassen würde, hätte sein ungelenkes Flirten eine echte Aussicht auf Erfolg, auch ohne Pullover.“

Tabor Süden war Hauptkommissar gewesen, ist aber nie über den Tod seines Vaters und den Suizid seines Kollegen und Freundes Martin Heuer hinweggekommen. So ist er mitsamt seiner Verformungen und Eigenheiten in Edith Liebergesells Detektei gelandet. Er spricht nicht viel, hört zu, wartet, bis die Aussagen zu ihm kommen, ist aber doch der aus der Zeit gefallene, graulanghaarige schrullige Held der Detektei. „Er war zu professioneller Rücksichtslosigkeit nicht fä­hig, weil das Rücksichtnehmen Teil seines Anwesenheitsver­haltens war (…) Schon als Polizist galt Süden als Eigenbrötler am Rande dienstlicher Befug­nisse.” Der neue Auftrag erscheint zunächst wie Alltagskost. Und dennoch: „Die Frau mit den Zöpfen, die an diesem Montag hereinkam, hielt sie vom ersten Augenblick an für unaufrichtig, auch wenn sie nicht den geringsten Beweis dafür hatte.
Etwas an der Frau war falsch, dachte Patrizia Roos und warf Süden, der reglos, wie unbeteiligt, mit hinter dem Rücken verschränkten Händen vor der Wand stand, einen Blick zu. Etwas an der Frau wirkte abweisend und kalt. Ihr Blick erzählte eine andere Geschichte als ihre Stimme, dachte Süden beim Zuhören.” Mia Bischof beauftragt die Detektei, ihren abhanden gekommenen Freund zu suchen, Siegfried Denning, einen Taxifahrer.“

Dieser Auftrag war ein Fehler, denn ihr Wunsch, von diesem Siegfried Denning ein Kind zu kriegen, öffnet ein kleines Ermittlungsfenster in die Welt der Rechtsextremen. “Als Leser muss man sich aber erst überwinden zu akzeptieren, dass bei einem eiskalten Nazigeschöpf Liebe zu einem Mann wichtiger werden kann als die selbst gewählte Lebensaufgabe, das deutsche Volk und die nordische Rasse rein zu halten.“ (Rudolf Neumaier, SZ) Dieser Fehler setzt die Handlung in Gang. Ganz allmählich erkennen sie, dass ihr Fall diesmal politische Hintergründe hat. Sie stoßen auf ein Geflecht von Kameradschaften, das landesweit agierende Freie Netz Süd, “Burschenschaften in der Stadt, bei der gelegentlich braune Schläger Unterschlupf finden.” Sie stoßen auf Hoteliers, die braunen Gruppen Gastrecht gewähren, auf eine Journalistin, die Frauenhilfsgruppen aufbaut und mit ihren rechtsextremen Ideologien infiltriert. Und sie müssen erkennen, dass ihre Recherchen nicht nur lebensgefährlich sind, sondern sie auch überfordern und von dem Verbund von staatlichen Behörden wie LKA, Verfasungsschutz und Mordkommission, die sich eher gegenseitig bekämpfen als den brauen Sumpf. »In Maßen. Wir können nicht überall gleichzeitig sein. Aber wir sind auf einem guten Weg. (…) Falls niemand uns dreinpfuscht und unsere mühsam aufgebauten Kontakte torpediert.« »Jetzt«, sagte Welthe, »wird Ihnen klar, warum dies nicht Ihr Fall ist, sondern unserer, und warum Sie den Auftrag, den Frau Bischof Ihnen erteilt hat, ab sofort ruhen lassen müs­sen. Ich darf Ihnen mitteilen, dass wir bis zum heutigen Zeit­punkt Frau Bischof nicht zum rechten Umfeld ihres Ex-Man­nes zählen. Sie verhält sich absolut unauffällig, sie arbeitet, wie Sie wissen, bei einer Tageszeitung und engagiert sich ehrenamtlich in ihrem Stadtviertel Neuhausen. Ihr Vater be­sitzt ein Hotel in Starnberg, das zeitweise in Verruf geraten war, weil angeblich Funktionäre der NPD dort abgestiegen sind. Nach den Ermittlungen der örtlichen Polizei und mei­ner Behörde haben solche Treffen in dem Hotel tatsächlich stattgefunden, jedoch ohne Wissen des Besitzers. Vorfälle dieser Art sind seither nicht mehr gemeldet worden.“

Die Detektei wird aus den Ermittlungen gedrängt, doch Edith, Patrizia und Süden geben nicht auf. “Ich will keine Marionette sein, Süden. Ich will mich wehren und weiß nicht, wie. (…) Ich weiß nicht weiter, dachte Sü­den und sagte es nicht. Ich hab Angst, dachte Edith Lieber­gesell und sagte es nicht. Wenn sie, wie zwanghaft, an ihren Sohn denken musste, kniff sie die Augen zusammen, als würde die Nacht dann aus ihrem Kopf verschwinden. Wenn Süden, was ihn verwirrte, plötzlich an seinen toten Freund Martin denken musste, blickte er zur Tür, als käme Martin gleich herein und sähe verboten aus.”

Friedrich Ani lässt den Leser Anteil nehmen an den Leiden und Leidenschaften der Ermittler, man wird fast zum Mitglied der Kleindetektei und geht und fährt mit ihnen zu den Schauplätzen, zu den Beobachtungen, zu den Misserfolgen und Niederlagen. Die braunen Netzwerke werden nicht zerschlagen, aber Ani nennt sie, sagt, dass sie sich bei den Spielen von 1860 treffen, dass die Behörden kungeln und abwiegeln. Das ist nichts Unbekanntes, auch nicht für den Kriminalroman und wird in anderen Büchern präziser beschrieben. Aber die politischen Verstrickungen bewahren Süden und sein Team vor zu allzu viel Innenschau und auch vor Ausflügen ins Mythische und Melancholische. “M” zeigt, dass es in München nicht nur die Busseria gibt, sondern die kleinbürgerlichen Ecken und Vororte, die Stüberl mit den braunen Gästen und eine bürgerlich camouflierte rechte Szene. Reale Ereignisse werden verwoben, etwa der verhinderte Bombenanschlag bei der Grundsteinlegung des jüdischen Zentrums in München von vor zehn Jahren. Schön zu lesen, wenn man Leute wie Süden mag, in der Ermittlungslogik nicht immer ganz überzeugend.

 

2013         365 Seiten



Billingham
18. August 2015, 16:15
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Mark Billingham: Die Lügen der Anderen

billinghamMark Billinghams „Die Lügen der Anderen“ („Rush of Blood“) wird als „abgründiger Thriller“ angekündigt. Billingham nimmt sich 410 Seiten, um die Spannung ganz allmählich zu erhöhen und die Abgründe in die Menschen einzugraben. Obwohl der Klappentext viel verrät, trägt auch er dazu bei, dass man wissen muss, wer es denn nun war.

Drei Paare aus England haben sich bei ihrem Urlaub in Florida kennengelernt. Kurz vor ihrem Rückflug verschwindet eine lernbehinderte Schülerin, erst nach Wochen wird sie tot und stark verwest in den Mangrovensümpfen gefunden. Die Ermittlungen stoßen auch auf die englischen Urlauber. Billingham, der „im Norden Londons und in Florida lebt“, knüpft transatlantische Kontakte zwischen dem Detective Jeff Gardner und der britischen Trainee Detective ConstableJenny Quinlan, die Romanze bleibt kleinmädchenhaft. Natürlich werden auch die drei englischen Urlauber verdächtigt, die Schülerin ermordet zu haben und der Verdacht verstärkt sich, als auch im Norden Londons ein behindertes Mädchen umgebracht wird. Sechs Personen könnten sich gegenseitig als Täter vorstellen.

Billingham nähert sich der Aufklärung über die sechs Personen an: Angie und Barry, Sue und Ed, Dave und Marina. Jedem widmet er Kapitel und beobachtet ihre zunehmenden Ängste und Ablenkungen, ihr zunehmendes Misstrauen, auch den jeweiligen Partnern gegenüber. Auch als sich die drei Paare abwechselnd zum Dinner einladen, wird die Oberfläche immer brüchiger, immer auffälliger werden „die Lügen der Anderen“. Der Andere ist man natürlich auch selbst, Billingham richtet die Vermutungen des Lesers auf alle, man ahnt bald, dass der am negativsten Gezeichnete nicht der Täter sein wird. Oder fällt man auf das Kompositionsgeschick Billinghams oder gar auf einen „Red Herring“ herein?

Immer wieder fügt der Autor ein Kapitel ein, in dem der Mörder von sich und seiner Tat erzählt. Mehr weiß man dadurch auch nicht. Die Auflösung erscheint mir dennoch einigermaßen unplausibel. (Was aber auch an mir liegen kann.)

Billingham arbeitet viel mit Dialogen, die auch den Effekt haben, den Text zu verlängern; anfangs erscheinen die Gespräche oft banal und belanglos, peinlich entlarvend, sie spitzen sich aber zu wie die Untiefen der Sprecher, die nach und nach hinter den biederen Fassaden sichtbar werden. Abgründe, kein Thriller, man braucht Geduld.

2014       410 Seiten

2-3

2-3



Weiler
2. April 2015, 12:54
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Jan Weiler: Kühn hat zu tun

weilerJan Weiler verrät seinen Roman – an einen Psychopathen und an ein zufriedenes Ende. Das erste ist das, was mir gar nicht gefällt, das zweite kann auch als zarte Ironie gelesen werden. Der Krimi ist bedacht konstruiert und hat als Helden einen „ganz normalen Familienvater“ (Weiler), dem aber mehr im Kopf herumgeht als Frau, Kinder und Karriere. Er heißt Martin Kühn, ist fast zwei Meter groß und 44 und wird von dem, was ihm Jan Weiler alles auflädt, schier erdrückt. Kühn hat zu tun. Sein Hauptjob ist die Ermittlung von Verbrechen, er ist Leiter der Mordkommission in München, ein präpotenter Staatsanwalt setzt sich ihm vor die Nase, daneben hat er Frau und Kinder, Tochter Alina wünscht sich ein Pferd zum Geburtstag, Sohn Heiko pubertiert, spricht nicht mit dem Vater und droht ins rechte Milieu abzugleiten, das Gehalt ist gering, dass er kein Auto hat, wird ihm fast zum Verhängnis, die Altersversorgung ist abhängig von der beruflichen Zuverlässigkeit und das Reihenhaus auf der „Weberhöhe“ mit Altgiften aus der Munitionsfabrik des Nazis – und Namenspaten der Siedlung – Weber kontaminiert.

Kühn gerät aus der Konzentration, aber erst das Trauma, das er aus seiner Jugend mit sich schleppt, überflutet ihn und lässt ihn kollabieren. Er hat „Milchreis in seinem Kopf“, Doch die erzwungene Ruhephase führt zur Aufarbeitung des Traumas und zur Lösung des verzweigten Falles. Das Verbrechen ist unübersichtlich, bis es sich in Form des unauffälligen Psychopathen aus dem Nachbarhaus auflöst. Opa Kocholsky wird erschlagen, ein krebskranker Rentner ermordet, der Grieche hängt sich auf und die Freundin seiner Tochter wird entführt. All das verflicht sich mit den sozialen Spannungen in der ehemaligen Mustersiedlung auf der Weberhöhe. Jan Weiler muss ein bisschen kompositorischen Zwang anwenden, um die Zusammenhänge unter Kontrolle zu halten. Er weiß kleine Andeutungen zu machen, damit die Spannung nicht absackt, schweift aber doch häufig ins Private, bevor die stockende Ermittlung weitergeht. Nachbar Dirk wird als hilfsbereiter, aber doch etwas eigenbrötlerischer Einzelgänger eingeführt, was ihn natürlich von Anfang an suspekt macht. Zentrales Thema Weilers sind die Turbulenzen im Kopf seines Helden. Der Gedankenbrei ist typografisch abgesetzt und lässt Kühn immer stärker ermatten. Er verliert die Übersicht und dann auch die Beherrschung, auf die er stets stolz war.

Reden, reden, reden. Susanne wird mit Alina darüber reden. Ein Pferd ist nicht drin. Ein Pony auch nicht. Am Ende wird es auf einen Kinobesuch hinauslaufen. Mit allem Drum und Dran, aber nur Kino, ein Buch und eine CD. Hoffentlich schlagen sie mir nicht eines Tages den Schädel ein. Das ganze Blut, Opa Kocholsky hatte denselben Linoleumboden wie wir früher. Blaugraue Schlieren, bei uns irgendwann total verkratzt. Und dann fuhr Papa mit seinem Subaru zur Arbeit. Als ich auszog, habe ich den Subaru bekommen. Man kriegt die Dinger nicht kaputt, hieß es immer. Aber jetzt ist die Einspritzpumpe hin. Das lohnt sich nicht. Und morgen wollten wir Blumenerde kaufen. Wie soll ich die nach Hause bekommen? Mit Alinas Pferd! Alle wollen ständig etwas. Wünsche. Wünsche. Was wünsche ich mir? Eine Lampe für den Flur und dass endlich Ruhe ist in meinem Kopf.

Der Showdown verlässt die Münchner Siedlung und ist filmmäßig in den Dünen Norderneys inszeniert. Damit schließt sich der erzählerische Kreis, denn genau hier erfuhr Kühn sein traumatisierendes Jugenderlebnis. Aber alles endet gut, fast alles, doch „genau in dem Moment, in dem Kühn an der Kasse des Supermarktes in den Weber-Arcaden die Augen schloss, mutierte in seiner Prostata bei der Teilung eine Zelle” und kündigt damit eine Fortsetzung zur Serie an. Die seltsamen Ausblühungen in den Kellern der Häuser der „Tetris-Siedlung“ sind noch nicht aufgeklärt, doch hat Weiler den Hintergrund in einem vorgeschalteten Rückschaukapitel schon verraten, das Motiv aber nicht weiter verfolgt, auch das wird im Sequel folgen. (Falls es sich bloß um eine Allegorie für die vergifteten menschlichen Verhältnisse handeln sollte, würde mich das als Leser enttäuschen.) Weiler schreibt in unangestrengt lockerem Ton des verbeamteten Familienvaters, die anfänglich zum Teil witzigen Episoden – etwa vom Tod von Kühns Vater – und die Anspielungen auf die zeittypischen Eigenheiten des Siedlungslebens verlieren sich im bemühten Ernst der Pathologien.

Kühn spürte, dass Sven sich diese Worte gut überlegt hatte. Offenbar wollte er ihn, den Polizisten, als Waffe für seinen Selbstmord benutzen. «Sven, das kannst du vergessen. Ich erschieße dich nicht. Ich nehme dich mit, und du wirst für alle Taten einstehen, die du begangen hast. Schon um der Angehörigen willen.» Sven Schuster lachte. Noch in diesem Moment schien er die Lage völlig unter Kontrolle zu haben. Er hatte diese Situation geplant. Wer wusste, wie lange schon? Er stand auf und ging mit dem Messer in der Hand einen Schritt auf Kühn zu. «Du hast keine Wahl. Entweder du schießt, oder ich schneide mir die Oberschenkelarterie durch. Eine durchtrennte Arteria femoralis verliert innerhalb von vier Minuten drei Liter Blut. Du kannst es nicht stoppen. Es ist vorbei. Jetzt und hier.»

Weiler zündet das Feuerwerk von Mord, Totschlag und Blutorgien.ß, Ausländerhatz und aus den Kellern dringender Nazi-Vergangenheit – nur, um dem Serienkiller Absolution im Tod und nur um Martin Kühn die Aufarbeitung seiner Traumata zu gewähren. Die Themen werden an den Rand geschoben, das haben sie nicht verdient und das verstimmt. „Die Probleme, die der Mann hat, die könnte er auch haben, wenn er kein Polizist wäre. So ist er halt Polizist, damit noch was Spannendes dazukommt.“ (Jan Weiler) Reich an Ideen, und dass die Realitäten immer wieder zum Klischee werden, liegt in der Natur des Klischees. Gerhard Matzig euphemisch in der SZ: „Der Hochgewachsene, der die Niederungen auslotet, hat das Zeug dazu, ein Großer zu sein in seinem kleinen Rand-Leben, das vom Rand deshalb handelt, weil man dort jederzeit aus dem Leben fallen kann. Es ist deshalb egal, ob der Krimi ein Roman oder der Roman ein Krimi ist. Kühn lebt. Das reicht. Er darf nicht sterben, er hat noch zu tun.“ Was wird er ohne seinen Milchreis im Kopf machen?

2015           320 Seiten

Dennis Scheck setzt Jan Weiler „druckfrisch“ in Szene

Leseprobe beim Rowohlt/Kindler-Verlag

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Bannalec
23. November 2014, 14:09
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Jean-Luc Bannalec:
Bretonische Brandung

bannalec

Solenn Nuz begrüßte ihn mit einem doppelt warmen, doppelt aufmunternden Lächeln, als würde sie ihm signalisieren wollen, dass sie wisse, welche Tortur die Nacht gewesen war. Sie sah blendend aus, ausgeschlafen, in bester Form, sie war wirklich eine schöne Frau. Sie stand genau dort, wo Dupin sehnsüchtig hinsteuerte, bei der großen Kaffeemaschine.
»Petit café?«
»Doppelt.«
Sofort machte sie sich an der Maschine zu schaffen. Der himmlische Klang wurde von Dupins Handy gestört. Unwillig warf er einen Blick auf die Nummer. Kadeg. Natürlich.
»Einen Moment.«
Dupin steuerte zur Tür und trat hinaus. »Ja?!«
»Sie waren den ganzen Abend nicht zu erreichen, Monsieur le Commissaire. Bis spät in die Nacht nicht.« In Dupins Ohren klang das vorwurfsvoll. »
Was gibt es, Kadeg?«

Damit ist ein Großteil der Aktivitäten des Kommissars Georges Dupin beschrieben. Er ermittelt den Fall dreier bei einem Bootsunfall ums Leben gekommener Männer, die auf dem Sand der Inseln des bretonischen Mini-Archipels Lés Glénan gefunden wurden. Dupin ist nicht gern auf dem Wasser, fährt nur sehr ungern mit auf dem Boot, er braucht viele viele cafés und isst fast alles, gerne Hummer, denn der bretonische ist natürlich der beste, auch mal eine Cotriade, den südbretonischen Fischtopf, am liebsten aber Entrecôte frites mit einem schweren roten Languedoc, Château Les Fenals im Amiral in Concarneau. Er ist damit genügend eigensinnig, aber sympathisch charakterisiert. Der Leser mag ihn und er darf auch die viele Guten mögen, viele der Bösen sind ja schon tot. Das Zentrum der Ermittlungen ist das Restaurant Les Quatre Vents auf der Insel Saint-Nicolas.Etwas schwarzweiß sind die Personen schon eingeteilt im blauen Archipel. Und es passiert auch recht wenig, denn Dupin ist eben meist mit seinem Handy beschäftigt und gibt damit die Anweisungen. Gottseidank gibt es auf den kleinen Inseln oft keinen Empfang, was die Ermittlungen aufhält, den commissaire aber allein sein lässt mit seinen Gedanken – deren er sich nicht immer ganz sicher ist.

Der Unfall stellt sich schließlich als Mord heraus, die Motive liegen in unterschiedlichen Vorstellungen von der Entwicklung des Tourismus auf den Glénan, also im Geld, aber diese Gewissheit erhalten Dupin und die Leser erst sehr spät im Roman. Deshalb lässt die Spannung auch nicht nach, obwohl die Aufklärung oft auf der Stelle tritt.

Dupin fiel das alles schwer. Dieser Fall. Die »Auflösung«. Auch seine eigene Entscheidung. Die Entscheidung, es bei dem zu belassen, was formuliert worden war. Was aber nicht der Wahrheit entsprach, da war Dupin sich sicher. War das richtig? Er dachte an den alten Mann. Er dachte an Solenn Nuz. An Nolwenns Worte. Dass die Glenan ihr Reich seien. Ein magisches Reich. Und daran, dass Solenn Nuz einen Traum gehabt hatte, gemeinsam mit ihrem Mann. An diesem Ort zu leben. An ihrem Ort. (…) Dupin war klar, dass er es sich zu einfach machte, wenn er die Frage nach dem »richtig« als die »falsche Frage« abtat. Denn es war eine grundlegende Frage, aber: Vielleicht war es nicht die einzige? Oder es gab zwei wahre Antworten.

Natürlich liegt der Reiz des Romans auch im Flair des Schauplatzes. “Die sagenumwobenen Glénan-Inseln wirken mit ihrem feinen weißen Sand und kristallklaren Wasser wie ein karibisches Paradies.” (Klappentext)

Es war tatsächlich wie in einem wunderlichen Traum. Madame Lefort hatte mit der Vollmondnacht nicht übertrieben. Es war eine ganz neue Welt, die dieses andersartige Licht mit seinen fremden Farben hervorbrachte. Eine Welt in einem fernen Universum, mit anderen Gesetzen und Gegebenheiten. Der Mond schien mit einer silberweißlichen Kraft, die Dupin, da war er sich sicher, noch nie erlebt hatte. Wie am Tag das Sonnenlicht wurde jetzt das Mondlicht vom Meer reflektiert. Es war hell, richtig hell. Aber es war nicht die Helligkeit des Tages. Die ganze Welt sah verändert aus: die Felsen, der Strand, die kleine Steinmauer vor Muriel Leforts Garten. Das Licht warf diffuse Schatten, die sich an den Rändern verbanden. Die Mondwelt und die Dinge in ihr glänzten matt, ein Glänzen zwischen Geheimnis, Schönheit und Unheimlichem. Das Verrückteste war das Meer: eine vollkommen bewegungslose, wie eingefrorene quecksilbrige Fläche, in die hinein sich die bizarren schwarzen Formen der Insel schoben. Es war eine perfekte mystische Szenerie. Wenn man Groac’h, die Hexe der Schiffsuntergänge, hier und jetzt über das Wasser hin zu ihrem sagenhaften Palast schweben sähe, es würde ganz natürlich wirken.
Dupin war ein paar Meter gegangen, hatte bereits das Handy am Ohr gehabt und war dann unwillkürlich stehen geblieben. Alles schien unendlich – auch die Stille, die jetzt noch mächtiger war als am Tag. Selbst das Meer war nur ein stetiges, gleichförmiges und harmonisches Rauschen.

Dupin steuerte geradewegs auf die Bar zu und ließ die beiden Inspektoren buchstäblich links liegen. Was zu verdutzten Blicken führte. Er brauchte überaus dringend einen café. Und ein großes Glas Wasser. Nach dem Verlassen der Bakounine hatte mit einem Schlag das heftige Gefühl eingesetzt, dass die Welt, obwohl er jetzt festen Boden unter den Füßen hatte, noch schlimmer schwankte als auf dem Boot.

Jean-Luc Bannalec soll ein Pseudonym sein für Jörg Bong, Programmgeschäftsführer der S. Fischer Verlage.

2013         380 Seiten



Alef
29. August 2014, 16:49
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Rob Alef: Das magische Jahr

alefjahr

Die Personen heißen Prometheus Praumann , Xenia Yolantha Zabriskie oder auch, affig und apart, Quetzalcoatl Schmidt. Das sagt schon vieles. Rob Alef erzählt, flapst und ulkt sich durch einen Mordfall, der viel mit dem „magischen Jahr“ 1968, zu tun hat. „Praumann war der größte Luxusantiquitätenhändler der Stadt”, er sammelte und verkaufte z.B. “einen merkwürdig gekrümmten schwarzen Stein. »Der allererste Spülschwamm der Kommune 1. Der Fön von Rainer Langhans. Das Mundspray von Klaus Rainer Röhl.” Jetzt ist er tot und Kommissar Pachulke und sein Team müssen den Mord aufklären. Xenia Yolantha Zabriskie ist die engste Mitarbeiterin von Pachulke und “brütete seit einigen Tagen über einer Wasserleiche, weiblich, die sie mit einem Kran aus dem Landwehrkanal gezogen hatten.” Quetzalcoatl Schmidt geht mit seiner Klasse ins Museum und spielt dann keine Rolle mehr. Aber das ist so bei Rob Alef, es geht ihm mehr um den Gag. Der Einfall wird eingepasst, oft passend gemacht, leider oft auch wiederholt. Die Nebenerwerbsprostituierten tragen die Namen von Apfelsorten, die Pinguine nennen sich nach Whiskymarken und viele Randpersonen heißen wie Figuren aus Beatles-Songs. Das ist lustig, aber eher beim ersten Mal. Die originelle Grundidee verlottert, da hilft auch eine von Pinguinen betriebene Seenotrettungsstation wenig, wo mitten im Juni auf dem ständig zugefrorenen Großen Müggelsee eine Demonstrationsmeile für akreditierte Schlittschuhläufer betrieben wird.

Als Krimi ist der Roman konfus, auch wenn Morde vorkommen, abseitige Motive haben und chaotisch aufgeklärt werden. Aber auch das ist wurscht.

Ein paar Auszüge, die isoliert schon amüsant sind:

Dann kam der Schreibtisch. Pachulke sah eine Tastatur und einen Bildschirm. Er betrachtete das Foto auf dem Display. 80 Euro für vergammeltes Puddingpulver. Er traute seinen Augen nicht. Ein Schreibfehler, vermutlich 80 Euro, aber 80 Euro waren genauso absurd. 80 Cent. Er ging zurück zu dem Katalog und blätterte darin herum. Sein Blick fiel auf ein Foto, das ein Trinkglas zeigte. »Nr. 64 326 Wasserglas, Mensa Freie Universität. Herstellungsjahr unbekannt, vor 1967. Aus diesem Glas trank Herbert Marcuse während seines Vortrags >Das Problem der Gewalt in der Opposition< am 11. Juli 1967 im Audimax (Henry-Ford-Bau) der Freien Universität. Ein Hausmeister konnte dieses Glas nach dem Ende der Veranstaltung beim Aufräumen sichern. Es ist durch mehrere Augenzeugen eindeutig identifiziert. Dieses besondere Unikat verleiht jedem Wohnzimmer kritischen Glanz und sollte nur in Liebhaberhände geraten. Preis: 28.000Euro. «

Eine halbe Stunde später knackte Löffelholz mit den Fingern, Dorfner hockte zwischen zwei großen Stapel Büchern, und Stiesel und Bördensen standen vor einem Tapeziertisch. Stiesel nahm einen Locher in die Hand, suchte das Etikett und las vor: »Nr. 694 523«.
Bördensen blätterte im aktuellen Katalog. »Hier, Treffer: Locher von Theodor W. Adorno, Frankfurt am Main 1967.« Er pfiff durch die Zähne. »Zweitausend Steine wollte er dafür haben.«
Stiesel fragte: »Wer war noch mal Adorno?«
Bördensen zuckte mit den Achseln. »Wahrscheinlich ein Fußballer. Klingt italienisch.«
»Und wozu braucht ein Fußballer einen Locher?«
»Für die Fanpost wahrscheinlich. 1967 hatten die noch keine Manager. Das haben die alles alleine gemacht.« Er drehte sichzu Löffelholz. »Könnten Sie mal Theodor W .Adorno nachsehen, bitte. Oder unter Eintracht Frankfurt.«
Löffelholz löste sich von einem Text über Praumann, machte ein neues Fenster auf und betätigte die Tastatur.
Dorfner registrierte mit einem Ohr zwar den Namen Adorno, aber hauptsächlich las er in einem Kursbuch, wie es sich nannte, einen Text über Kindererziehung. Er stammte von einem gewissen Raspe. Das war doch einer von denen, die sich dann in Stuttgart alle zusammen … Erst durchgeknallt, dann abgeknallt, das war Dorfners häufigster Kommentar zu allem, was zwischen 2960 und 1980 passiert war. Dass dieser Raspe mit Kindern zu tun gehabt hatte, hatte er nicht gewusst. Die Kinder sind bereits seit ein paar Stunden wach und toben durch die Wohnung. Sie haben sich aus der Küche Bananen geholt; ebenso die Rosinen. In der Küche ist Mehl verstreut worden. Es sieht ziemlich wüst aus. War also ganz offensichtlich ein Weichei gewesen mit seinen Blagen. Und dann weggekippt ins andere Extrem. So waren sie gewesen, diese labilen Nichtsnutze. Dorfner suchte den Titel im Katalog und markierte ihn als vorhanden. Er seufzte und legte das Buch nach links. Keine Widmung, keine Anstreichungen und kein Exdingsbums. Und Löffelholz pimpert an meinem Rechner herum. Ein schöner Samstag. Dorfner griff sich das nächste Kursbuch. Die gab es hier meterweise.

»Und die Hendersons kommen auch?«
»Die Hendersons werden alle da sein«, erwiderte der Wirt.

2008      320 Seiten

Im gleichen skurrilen Stil parodiert Rob Alef die Monstrositäten des Konkurrenzkampfs zum Übertritt auf das Gymnasium. Als “Kleine Biester” fungieren hier keine Pinguine, sondern Ameisenlöwen. Der Roman ist etwas konsistenter, weil das Thema nicht so uferlos ist.