Natasha Brown: Zusammenkunft

Du musst damit aufhören, sagte sie.
Womit aufhören, sagte er, wir machen doch gar nichts.
Eine gnadenlose Demontage des britischen Klassensystems – mit ruhig beobachtendem Adlerblick und in sarkastischer Reflexion – Eine stilbildende Erforschung mit verheerender Eleganz. Mit exzellenter Treffsicherheit – gewaltige Bedeutung – eine atemberaubende Autorin – Packendes Stück bester Literatur!
So steht es in den Publikationen, bevorzugt in englischsprachigen. Aufgeblasen wird da immer. Doch die „Zusammenkunft“ („Assembly“) ist keine Analyse, muss nicht treffsicher sein, da es sich im Innenraum der Befindlichkeiten aufhält, der „Sarkasmus“ hält sich an Grenzen, den Atem raubt einem eher solch überzogenes Geschwurbel als das konstruierte Pathos des Debütromans von Natascha Brown.
In Bernarda Evaristas „Mädchen, Frau, etc.“ liest man von Carole, Tochter armer afrikanischer Migranten, die an einer berühmten Universität Mathematik studiert, bei einer Bank in der City zur Finanzanalytikerin wird und dann zur Vice President aufsteigt. Sie musste sich dafür aber, wie üblich, von ihrer Herkunft (Mutter Bummi ist Putzfrau) radikal ablösen und sich überanpassen. „Und dann verlobt sich Carole auch noch mit einem Engländer, der zur High Society gehört und seinen Stammbaum bis zu William dem Eroberer zurückverfolgen kann. Bei der einzigen Begegnung mit seinen hochnäsigen Eltern Mark und Pamela spürt Bummi deren Verachtung.“ (Dieter Wunderlich)
Natasha Brown schreibt auf eine solche „Begegnung“ hin, auf die „Zusammenkunft“. Die Erzählerin ist zum ersten Mal bei Lous Eltern eingeladen, zu einer „Gartenparty“, für sie eine Überschreitung der sozialen Grenzen, eine intersektionale „Transzendenz“ (Kapitel). Der schnöselige Sohn hält sich die farbige Frau, um seiner Karriere „liberale Glaubwürdigkeit“ zu verschaffen.
Die Eltern begrüßen uns an der Tür, Helen und George — sie bestehen auf die Vornamen — holen mich ins Haus. An einer Wand ihres großzügigen Eingangsbereichs steht klobig eine Heizungsbank. Sie lächeln, warm und herzlich. Die Mutter, Helen, reibt die Schulter ihres Sohnes. (…) Sie alle sprechen und ich beobachte. Die meiste Zeit über jedenfalls — ich bin geübt im Nichtssagen. Ich höre zu, reagiere, stelle hin und wieder Fragen. Sie zählen ein paar Gäste auf, die morgen kommen werden. Freunde der Familie, aus der Politik, klar, aber auch Kreative, Akademiker, Anwälte und so weiter. Ein diskret schillerndes Aufgebot.
Denn sie beobachten (uns). Man hat ihnen in der Schule beigebracht, wie das geht. Man hat ihnen beigebracht, unsere Körper (uns) als Objekte zu betrachten. Sie lernen die Unterscheidung Industriestaaten/ Entwicklungsländer als Geografie, unwiderlegbar wie Berge, Ozeane und andere Naturphänomene. Ohne Warums und Weshalbs, oder die skrupellosen, über die Weltkarte schießenden Pfeile des europäischen Imperialismus.
Das kennt man, das hat man schon in vielen Filmen gesehen. Das joviale Spiel mit dem Parvenu, hier weiblich, schwarz, Vorfahren aus Jamaica. Das macht Leiden, die individuell gespürt, aber nicht individuell aus der Welt geschafft werden können. „Doch wem sie just passieret, Dem bricht das Herz entzwei.“ Am und im Postkolonialismus leidet man zurzeit – und zu Recht – besonders gern. Lou hat sie es nicht gesagt, aber die junge Frau hat Krebs. „Er wird streuen, sagte die Ärztin, als ich sie fragte, wie er mich umbringen wird. Sie erklärte die Stadien. Sagte, wenn ich ihn zu lange lasse, wenn er zu weit streut, wird der Schaden nicht zu überleben sein. Metastase: Er streut über das Blut in andere Organe, wächst unkontrolliert, überwältigt den Körper.“
Symbolische Aufladung,Verdoppelung, transsomatische Schmerzen, Zerstörung des Ich, des Subjekts („uns“), fragwürdige Alternative. Natasha Brown instrumentalisiert die Eindrücke, verdichtet sie erzählend, versucht, sich im Partygarten außerhalb zu bewegen, sich dem gesellschaftlichen Abseits zu stellen und sich von dort aus ständig zu befragen, woher diese intersektionalen Leiden stammen und was sie im Ich bewirken.
Das Verlangen besteht darin, dein Leid zu konsumieren, sich davon unterhalten zu lassen, von der Gänsehaut, dem haarsträubenden Schauder, den es auslöst; ein Leiden, das allem, was sie bereits wissen, wieder Geltung als höhere Einsicht verschafft / das in derKehle rüttelt und kitzelt und kratzt, wenn sie es in Gänze schlucken / mit der gleichen Befriedigung wie bei einem gezogenen Faden, dem Ziehen, Entwirren, Auseinanderfallen) (…)Während des Gehens ist das Knirschen und Rascheln unter meinen Füßen zu einem staubigen Flüstern geworden. Schwerelosigkeit. Weiches Dahinschreiten. Ich habe mich verlaufen, buchstäblich und im weiteren, abstrakteren Sinne. Obwohl ich, wenn ich mich umdrehe undnach unten schaue, das Haus noch sehen kann: Der rote Backstein ragt über einer weißen Plane auf. Es scheint, als wären das Haus, das Festzelt und der Abstand die einzigen Dinge, die hier noch existieren. Warum tue ich das?
Sie geht in Schulen und sagt etwas über Diversität: „Zu den Aulas voller Kinder, die nach Inspiration suchen. Denn bis heute hat das Mutterland seinen Griff nicht gelockert. Großbritannien besitzt, beutet aus und profitiert weiterhin von Land, eingenommen durch die Taten des zwanzigsten Jahrhunderts. Es verheizt unsere Zukunft, um seine gierige Wirtschaft anzutreiben. Unter der Androhung finanzieller Gewalt.„
Gleichzeitig belehrt man uns über wirtschaftliche Unabhängigkeit. Mischt man sich in unsere Politik, unsere Demokratien, unseren Zugang zur Weltwirtschaft ein; kreiert man Entwicklungsländer.“
Die Mischung aus persönlicher Getroffenheit und Weitergabe der Erfahrungen und Gedanken darüber an Schüler, die wie selbstverständlich neugierig, aufgeschlossen sind. Sie hören von persönlichem Leid und von eher oberflächlichen Überlegungen zu Politik und Wirtschaft, zu Taten und Gier und Kreationen. Eingehauchte Inspirationen, denn die nächste Generation soll ja von den Übeln erlöst werden. Bernarda Evarista schreibt in der dritten Person, sie kann sich distanzieren, sie kann ersichtlich machen, sie erlaubt sich Ironie auf Augenhöhe. Natasha Browns „Zusammenkunft“ kommt über Betroffenheit nicht hinaus. „Natasha Browns „Zusammenkunft“ ist ein starkes Manifest, als Roman aber ein unerfülltes Versprechen. (…) „Zusammenkunft“ erscheint insofern nicht wie eine hochdosierte, sondern wie eine etwas dünnere Variante von Bernardine Evaristos Roman „Mädchen, Frau etc.“, (Judith von Sternburg, FR)
Was mache ich hier eigentlich? (…)
Die Antwort lautet: Anpassung. Der Druck ist immer da. Pass dich an, pass dich an… Lös dich auf im Schmelztiegel. Und dann fließ raus, gieß dich in die Form. Verbieg deine Knochen, bis sie splittern und knacken und du hineinpasst. Press dich in ihre Schablone. Pass dich an, sagen sie, ermutigend. Dann stirnrunzelnd. Dann wieder und wieder. Und immer präsent, leise flüsternd, unter der dringlichen Sprache der Toleranz und des Zusammenhalts — Verschwinde! Zerfließe in Londons Multikultisuppe.
2021 – 115 Seiten
Leseprobe beim Suhrkamp-Verlag
BR – Natasha Brown im Interview
SWR – lesenswert Quartett (0:15)
Jovana Reisinger:
Spitzenreiterinnen

Reisingers „Roman“ verteilt sich auf neun Personen, exakt: Frauen, die in kurzen Kapiteln in ihren je spezifischen Drangsalen vorgeführt werden. Fünf Tage hat Jovana Reisinger ausgewählt, in denen die Frauen auftreten, fünf „Frauen“-Tage. Ihrer Übersicht sieht man die Seelennöte nicht an. Am 14, Februar (Valentinstag!) ist Laura „erleichtert“, die anderen Frauen machen Ähnliches durch, teils Banales, teils für die Frau Einschneidendes. Die Frauen sind keine Personen, sondern Anschauungsobjekte, Facetten des femininen Leidens und ihrer Degradierung zum Objekt. Einige der Frauen gehören zusammen, treffen sich, leiden gemeinsam und hoffnungsvoll. Wie Brigitte: „Was sie jetzt braucht, sind Nährstoffe. Was sie jetzt dringend benötigt, ist Komfort. Und womöglich einen ganzen Tag lang Schlaf. Vielleicht ein kleines bisschen Hoffnung. Manchmal wird ja trotzdem alles gut.“
Die Männer sind abgehauen: weggelaufen oder gestorben, oder sie lassen sich nicht wegkriegen oder die Verbindung steht vor der Tür. Die Frau weiß nicht so genau, was besser oder schlimmer ist, sie weiß ja nicht einmal genau, was – für sie – gut oder schlecht ist. Die Männer heißen A. oder C. oder F. – der unbenannte Täter. So viel zum Spiel der Geschlechter. Aber „manchmal wird ja trotzdem alles gut.“
A. will in erster Linie Recht haben. Das Recht, über jeden Zustand und Körper in der Familie zu bestimmen. Am allerliebsten bestimmt er über den Körper und Zustand seiner Frau. Und wenn die ihn hintergeht, betrügt, belügt, manipuliert, dann darf er erst recht walten und schalten, wie es ihm beliebt. Selbst ohne stichhaltige Beweise. Er hat halt Instinkt. Menschenkenntnis. Ein Nasen für Intrigen. Und ausgerechnet seine Frau ist, das weiß A., eine besonders ausgschamte Intrigantin. Heute soll die Familie glücklich sein. A. hat sie allesamt ins Auto gesteckt, ist in die Hauptstadt gefahren, hat sie zum Einkaufen geschickt und zum Essen ausgeführt.
Die Frau und die andere Frau. „Gemeinsam werden sie sich retten.“ Frauen gemeinsam sind vielleicht stärker als die Frau allein, sie verbünden sich, sie sind Konkurrentinnen. Meist bleibt es bei Versicherungen.
Tina wird die fremde Frau suchen. Sie wird die fremde Frau finden. Und gemeinsam werden sie sich retten. Das weiß die fremde Frau noch nicht, aber Tina weiß es. Gedanklich tritt die Fremde erneut vor das Restaurant. Da steht sie. Schaut böse. Tina greift nach ihr. Sie lässt sich angreifen, die Frauen fallen sich in die Arme. Beide weinen. Happy End.
Wichtig ist auf jeden Fall, bereit zu sein, für jeden Fall. Selbstoptimierung ist angesagt, in allen Zeitschriften, ob sie jetzt Brigitte oder Tina oder Petra oder wie eine der anderen Frauen in „Roman“ heißen. (Insta gibt es noch nicht? Influencerinnen nennen sich anders, jede einzeln Massenware.)

Laura sitzt auf einem sehr bequemen Stuhl und hat neben sich eine Frau stehen, die ihre Hände massiert, und vor sich eine Frau hocken, die ihre Füße behandelt. Die Ganzkörpermassage bereits hinter sich, ist sie jetzt bereit für die Optimierung der äußeren Umstände. Schöne Hände, schöne Füße, schöne Haare, schönes Gesicht.Nur so wird in den neuen Lebensabschnitt gegangen. Laura versucht, sich zu entspannen, in ihrem Hirn rasen die Gedanken jedoch nur so dahin. Der größte Tag im Leben einer Frau. Oder war’s im Leben einer Partnerschaft? Jedenfalls wird Laura heute aufgeräumt, wie ihr Vater das nennt. Da werden die Zuständigkeiten und die Verhältnisse geklärt, und Laura wird im Anschluss einen neuen Namen tragen und wissen, wo sie hingehört. Zu ihm nämlich, zum C. Seinen Namen annehmen ist so eine Sache, findet Verena. Aber dann kommt sie gedanklich nicht weiter: Was ist schlimmer — den Namen des Vaters oder des Partners zu tragen? Aussichtslos. (…) Laura fächert sich Luft zu. Wer gackert, muss auch ein Ei legen. Die Angestellten schauen inzwischen eher besorgt als belustigt drein. Endlich kann Laura sich beruhigen. Ihr fällt schier die Maske vom Gesicht. Eine Angestellte assistiert ihr.
»Stell dir einmal vor, das war’s jetzt.«
Die Gespräche entlarven sich selbst als ambitioniertes Weibsgewäsch, Jovana Reisinger will es bloß als Klischee zitieren und, manchmal, eine kleine Pointe draufsetzen, die Frauen entlarven sich damit selbst. „Überhaupt enthält dieser Roman eine beeindruckende Sammlung von Lifestyle-Phrasen, wobei der Leitspruch des Kapitalismus, „Jeder ist doch seines eigenen Glückes Schmied“, nicht fehlen darf, so wenig wie: „Wer schön sein will, muss leiden.““ (Marie Schmidt, SZ) Hin- und wiedrige dialektale Anklänge evozieren ein schmales Schmunzeln. Reisinger behandelt ihre Personen mit sanftem Zynismus, sie tritt ihnen nahe, ich erlebe einen Reigen (ab)gedroschener Selbstdarstellerinnen. Nach Leseunterbrechungen halte ich die Frauen nicht mehr auseinander, der „Roman“ wird zur Vorführung.
Schließlich ist jede selbst für ihr Glück verantwortlich. Und für ihr Unglück ebenso. Hoffentlich schlägt jetzt die Stunde der Frauen.
»Wie, das war’s jetzt.«
»Ja. Jetzt kommt nichts mehr.«
»Was soll denn kommen?«
»Verliebt, verlobt, verheiratet.«
»Stimmt. Da kommt nichts mehr.«
»Das ist das Ende.«
»Das ist doch kein Ende. Ich dachte, das soll der Anfang sein.«
»Wovon? «
»Ja, weiß ich doch nicht. Das musst du doch wissen.«
»Ich weiß es aber nicht.«
»Was hast du dir denn vorgestellt?«
»Eine Traumhochzeit.«
»Ja, und dann?«
»Ja, nichts. Weiter ging’s nicht.«
Lauras Augen füllen sich mit Tränenflüssigkeit. Verena würde sie gern streicheln, aber beide Hände stecken fest in einem Gerät zur Verjüngung.
2021 – 260 Seiten

Leseprobe beim Verbrecher-Verlag
Homepage von Jovana Reisinger
Jovana Reisinger im ARD-Forum
Daniel Wisser:
Wir bleiben noch

„Wir bleiben noch“ lese ich als Jugendbuch, denn die Liebesgeschichte ist zwar problematisch, aber doch sehr picksüß erzählt. Und österreichisch. Victor, Karoline und die Urli.
Victor, benannt nach Viktor Adler, Begründer der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreich, kennt Karoline schon seit ihrer Kindheit, doch jetzt, wo beide Mitte 40 sind, treffen sie sich wieder und verlieben sich aufs Heftigste ineinander. ❤️❤️❤️. Diese Liebe ist aber nicht überall gern gesehen, auch nicht in der Familie, denn: Victor und Karoline sind Geschwisterkinder. Das zentrale Thema, Wisser erzählt ausschweifend davon, jeden Tag, oft jede Stunde.
Da der Roman 2018 beginnt, ist er auch sehr modern und dafür stehen Auszüge aus Victors und Karolines Chats, die sie oft auch führen, wenn sie nebeneinander liegen.
6. Juni 2019 / 09:23
Karoline: gerade eine welle des glücks
Karoline: ❤️❤️❤️
Karoline: ich nehme es zurück
Victor: was?
Karoline: dass ich angst habe
Karoline: ich bin sehr glücklich
Victor: glück macht glücklich, wenn man rechtzeitig da
rauf schautKaroline: musst du immer noch lachen
Victor: jetzt wieder 😁😁😁
Karoline: du lachst wie ein emoji
Das andere Thema ist die Sozialdemokratie bzw. das, was von ihr noch übergeblieben ist. 1986:
Jedenfalls kam die Rede auf die Bundespräsidentenwahl. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte niemand in der Familie je anders als sozialdemokratisch gewählt. Tante Margarete verdarb den Tag, als sie gestand, bei der Stichwahl für Waldheim gestimmt zu haben.
Noch auf der Nachhausefahrt konnte Victors Vater sich nicht beruhigen. Victor erinnerte sich genau, dass seine Mutter versucht hatte, ihre Schwester zu verteidigen, auch wenn sie seit dieser Enthüllung ganz blass im Gesicht war — präkollaptische periorale Blässe, wie Karoline sagen würde. Während der Fahrt unterbrach Irmgard ihren ständig schimpfenden Mann Konrad harsch: »Jetzt hör auf. Es ist eine freie Wahl. Sie darf wählen, wen sie will.« Konrad nickte: »Das stimmt: Sie darf wählen, wen sie will. Und eine neue Verwandtschaft kann sie sich auch gleich wählen!«
Obwohl Irmgard ihre Schwester in diesem Gespräch verteidigte, entfernten sie sich zu dieser Zeit voneinander. Bei Familientreffen kam es regelmäßig zum Streit. Irmgard, die wie die Urli bei den Sozialdemokraten Parteimitglied war, verurteilte entschieden, dass Margaretes Ansichten immer reaktionärer wurden. Sie bezeichnete ihre Schwester als ausländerfeindlich und Sozi-Hasserin.
Da die Familie immer reaktionärer wird und in diesem Denken auch große Vorbehalte gegen eine Ehe der Geschwisterkinder bekunden, vermischen sich die beiden Stränge und münden in einen ausufernden Streit um das Erbe der Urli, das Haus in Heiligenbrunn. Die politischen Verwerfungen bleiben allerdings Beiwerk, aus „Wir bleiben noch“ wird kein politischer Roman, weil die Entwicklungen nicht erklärt werden, weil ihre Auswirkungen innerhalb der Familiengeschichte bleiben, meist als verbitterter Kommentar von Victor.
Victor wird mit jeder Seite vergrämter. Er verkriecht sich ins Heiligenbrunner Haus, löscht seine Social-Media-Accounts, reagiert nur passiv auf unbedingt nötige Pflichten – wie etwa die Scheidung von seiner bisherigen Partnerin Iris, wie etwa soziale Rest-Kontakte zur Familie. Es reicht gerade noch zum Kaffeekochen für Karoline, die später aufsteht als er, die sich andererseits ins örtliche Leben einmischt, als Ärztin, aber auch als Bürgermeisterkandidatin. Dass sie einen Vergangenheitsaffizierten wie Victor mitschleppt, wird sich nicht lange hinter den Romanschluss festschreiben lassen.
Der Zeitraum: September 2018 bis Oktober 2019. Da kann viel passieren, je nachdem, wie man Geschehen definiert. Daniel Wisser hält sich an den Alltag und das macht den Roman repetitiv, zäh, zu wenig Gehalt für 480 Seiten. Als Lob zitiert der Umschlag Claudia Kramatschek: „Daniel Wisser gelingt … etwas Erstaunliches: eine Leichtigkeit, der selbst Humor nicht fremd ist.“ Leichtigkeit ja, wenn man das geringe Gewicht der Erzählung betrachtet, Humor auch, ich hab bloß keinen gefunden, es sei denn, man begibt sich auf die Jugendebene und kann über einen wie Victor lachen. (Ausnahme: Dass die Nachbarin, Frau Veit, etwas zugenommen hat, verleitet Wisser zur Kapitelüberschrift: „Wie die Veit zergeht“. Haha.)
Was haben Sozialdemokraten und Breitmaulnashörner gemein? Sie sind vom Aussterben bedroht. So viel zum Cover und zum Humor.
»Hey, Schatz! Du bist schon da.«
»Entschuldige, ich habe dich nicht gehört.«
»Schon gut. Du entspannst dich bei deinem Holz. Alles gut?«
»Es ist vollbracht.«
Karoline gab ihm ein Küsschen.
»Hast du schon gegessen?«
»Nur Jause.«
»Was möchtest du heute machen?«
»Holz.«
»Dann lass ich dich jetzt. Ich mache Schopfbraten.«
„Und dann kamen jedoch die restlichen 330 Seiten schnöden Beziehungsalltags, abgedruckter Smartphone-Kurznachichten und platter Dialoge.“ (gaia bei lovelybooks.de.de) Aber: „Die hohe Dichte an Belanglosigkeiten, Liebesbekundungen und Herzsymbolen ist bisweilen auch enervierend – nicht ohne Grund. Er wollte damit, so Wisser, „die neue Aufmerksamkeitsökonomie und damit unsere Sicht, alles als Timeline zu sehen“, literarisch umsetzen.“ (Paula Pfoser, ORF.at) Der Autor muss natürlich befangen sein, hat er doch das Buch geschrieben, aber so zeitgeistflach wie dieser Selbstkommentar ist über weite Strecken auch „Wir bleiben noch“.
17. Dezember 2018 / 12:48
Victor: überlebt
Karoline: und? was sagt iris?
Victor: sie kam als segelschiff verkleidet⛵
Karoline: hier ist so viel zu tun. montag ist schrecklich
Karoline: noch dazu im dezember. da sollen alle noch schnell operiert werden vor neujahr
Karoline: was hast du gesagt?
Victor: die wahrheit
Karoline: gut. und wie nimmt sie es auf?
Victor: sie ist schockiert
Karoline: dass du deine cousine liebst
Victor: dass ich meinen schwanz in die fut meiner cousine stecke
Victor: X
Karoline: aha! so kann man es auch sagen
Victor: hab ich auch gesagt
Victor: XXX
Karoline: A🏆YPSE NOW
Victor: DER 🏇 MANN
Karoline: du bist so blöd. und jetzt?
Victor: nächster termin im januar
Karoline: passt
Victor: ich glaube, das wird noch anstrengend
Karoline: du hast alles richtig gemacht. ich liebe dich
Victor: ich liebe dich
Karoline: sehen uns um 5. muss jetzt arbeiten
2021 – 480 Seiten
Leseprobe beim Luchterhand-Verlag

Mithu Sanyal: Identitti

Wow, dachte Nivedita, also sagte sie: »Wow.«
Postkolonialismus und Identitätsflausen. Privates bleibt Hirngespinst, Politisches wird absorbiert, in die Blase eingemeindet, in Wortbrei gegossen. Die Relevanz ist natürlich innerhalb der Gemeinde hoch, ja, füllt das ganze Denken, außerhalb derer, die sich ge- und betroffen fühlen, stelle ich mir die Frage: Will ich das wissen, will ich das lesen, will ich das nicht an anderer Stelle konkreter lesen? Ist/sind die Autorin und ihr Roman-Personal nicht Teil jener Kraft, die Erkenntnis will und Verwirrung schafft?
Saraswati schenkte Nivedita ein Vokabular und eine Sprache für ihr Leben. Und nicht nur ihr. Im Kreis der von Saraswati ausgewählten Studierenden kommunizierten sie in einem fantastischen akademischen Abkürzungscode miteinander in dem ein Wort ganze gewaltige Gedankenkonzepte ersetzen konnte: desi, happa, subaltern. Imagined communities, critical race theory, Interselectionalität. Und alle nickten wissend und bei jedem dieser Worte, zwei Silben, drei Silben, ein paar Zungenbewegungen nur, entstand ein ungeheuerliches, nie gekanntes Gefühl von Gemeinsamkeit, auch wenn die meisten nur vage Vorstellungen davon hatten, was eine imagined community sein sollte und Subalterne nicht einmal erkannt hätten, wenn sie ihnen mit Petersilie garniert auf einem Tablett serviert worden wären.
Nivedita fühlt sich als Inkarnation von Kali (> Cover), der Göttin des Todes/der Zerstörung/der Erneuerung. Kali ist „Die Schwarze“. Nivedita fühlt sich nicht zuhause in ihrem „Indischsein“, sie ist Tochter einer Deutschen und eines indischen Vaters, sie lebt in Düsseldorf-Oberbilk, studiert an der Heinrich-Heine-Universität Postcolonial Studies, sie bloggt als @identitti über Gender/Rassismus/Sexualität. Sie nennt sich ‚Mixed Race-Wonder-Woman‘.
„Ich war in Düsseldorf in meinem Großwerden immer irgendwie ‚falsch‘. Wenn ich nach Indien gegangen bin, habe ich zwar die richtige Hautfarbe gehabt, aber die falsche Körpersprache. Es war immer das Gefühl, irgendwas stimmt mit mir nicht. Das ging so weit, dass wenn ich in den Spiegel geguckt habe, ich mich ja nicht als Person of Colour gesehen habe, sondern als Weiße mit irgendwie komischer Haut.“
Niveditas Sonne, ihr Gravitationszentrum ist ihre Professorin. Die Affinität zwischen Lehrerin und Studentin ist überwältigend. Saraswati (Sanskrit „die Fließende“) ist die Göttin der Weisheit und Gelehrsamkeit. Nivedita vergöttert vergöttinnt sie. Saraswati heißt bürgerlich Sarah Vera Thielmann. Eine „Weiße“! Ein Schock! Ein Shitstorm!
Und jetzt sollte also auch noch Saraswati weiß sein. What’s happening, Saraswati?, tippte Nivedita probeweise unter dasselbe Selfie, postete es jedoch nicht, weil bereits zu viele Twitterati ihre Wut über Saraswati auskippten. Barbara stach in ihr Ei, ließ den Dotter über die Bohnensprossen laufen und seufzte: »Ah, Soul Food!«
»Comfort Food«, korrigierte Nivedita automatisch.
»Na, was habe ich dir gesagt«, sagte Barbara zu Paul, »sogar in einer Krise ist sie noch pc.«
»Was ist un-pc an Soul Food?«, fragte Paul Barbara, und Barbara fragte Nivedita: »Richtig, was ist un-political correct an Soul Food?«
»Nichts, aber nur nichts, wenn du damit afroamerikanisches Essen und afroamerikanische Kultur meinst. Hast du Amiri Baralcas Essay über Soul Food gelesen?«
Barbara kräuselte ihren ironischen Mund zu einem noch ironischeren Lächeln: »Was denkst du?«
»Tschuldigung, ich wollte nicht …«, sagte Nivedita peinlich berührt.
»Predigen?«, schlug Barbara vor.
»Dozieren«, sagte Nivedita. »Es ist nur so, dass Soul Food eine ganz spezifische Bedeutung hat und wenn wir es einfach für alles verwenden, was lecker ist, ist das cultural appropriation …«
»Was?«, fragte Paul.
»Kulturelle Aneignung – ich habe dir doch gesagt, dass sie nicht so gut Deutsch spricht«, sagte Barbara.
»Und damit wären wir zurück beim Thema!«, bemerkte Paul. »Ist die AfD schon auf den Zug aufgesprungen?«
Und ob, war sie!
Die AfD Echte Werte @DieAfDEchteWerte So weit ist es bereits gekommen: Deutsche Professorin verkleidet sich als Negerin, um Gendergaga unterrichten zu dürfen #KündigtSaraswati
Bernd Höcke @BerndHoecke Heimatzerstörung im deutschen Bildungssystem #KündigtSaraswati
Trotzki im Exil @DefendThe Indefensible Saraswati spielt Rechten in die Hände #SaraswatiShame
Jürgen Brings @Jürgen_der_Schäfer Der Islam gehört nicht zu Deutschland! #KündigtSaraswati
Diese Doppel-Entlarvung ist ein klug gesetzter Aufhänger für die komplexen identikativen Diskurse, ein Zentrum mit immer unendlicheren Verästelungen. Was aber für die Kennerinnen spannendes Wieder- oder Selbsterkennen sein wird, wird für den Unbelasteten lang und länger. „Nivedita fühlte ein Kribbeln zwischen ihren Schulterblättern.“ „Die Wärme kehrte zurück in Niveditas Glieder.“ Ich mag oft den Namen Nivedita Nivedita nicht mehr hören. Der/die Eingeweihte wird/kann sich an der Ironie erfreuen (sofern er/sie die Ironie von innen her erkennt), der Nichteingeweihte hat zumindest die Gelegenheit die vielen eingeweihten Termini durchzugoogeln. (https://de.wikipedia.org/wiki/Postkolonialismus / https://de.wikipedia.org/wiki/Subalternit%C3%A4t / https://de.wikipedia.org/wiki/Kulturelle_Aneignung / https://de.wikipedia.org/wiki/Rachel_Dolezal / https://de.wikipedia.org/wiki/Bell_hooks /// https://de.wiktionary.org/wiki/Debunking …)
Aber dann lässt Mithu Sanyal Saraswati wieder auf Gustav Landauer stoßen und spielt zugleich postmodern mit der Authentizität von Zitaten.
Saraswatis Lieblingssatz lautete: »Wie Gustav Landauer sagt, ist die erste revolutionäre Handlung, gut mit den Menschen, die wir lieben, umzugehen.« Nivedita hatte es nie geschafft, dieses Zitat bei Landauer zu finden. Am nächsten kam vielleicht: Staat ist ein Verhältnis, ist eine Beziehung zwischen Menschen, ist eine Art, wie Menschen sich zueinander verhalten; man zerstört ihn, indem man andere Beziehungen eingeht.
Nivedita hatte das immer als Kommentar zu ihrer Beziehung mit Simon gelesen – als Aufforderung, sich einen Mann zu suchen, der sie nicht nur liebte, solange sie ihm unerreichbar war.
Wir müssen schreiben, als würden unsere Seelen und unser Geist bereits in jener besseren Welt leben, die wir herbeischreiben wollen, wenn wir die bestehenden Verhältnisse kritisieren – vor allem, wenn wir die bestehenden Verhältnisse kritisieren. Denn Veränderung ist nur möglich, wenn zumindest ein Teil von uns bereits in der Zukunft lebt und der Rest dorthin nur noch folgen muss. So zeigen wir, dass Veränderung nicht nur erstrebenswert ist, sondern möglich.
Nivedita hatte das letzte Wort unterstrichen – doppelt! -, damals, als sie dieses Buch wie komplett alle Bücher Saraswatis mit glühendem Eifer gelesen hatte, weil sie Saraswati sein wollte. So zu lesen war für sie die einzige vorstellbare Form gewesen, unter die Haut einer anderen Person zu schlüpfen. Aber ich habe sie dabei nicht wirklich verstanden. Zumindest nicht so, wie ich sie jetzt lese und verstehe, mit all dem Wissen um ihren Verrat. Oder handelte es sich gar nicht um Verrat, sondern um eine radikale Form von »in der Zukunft leben«? Vielleicht war Saraswati weniger transrace als beyond-race. Over-the-racebow?
Saraswati schließt Nivedita in ihrem Kokon selbstermächtigten Wohlwollens ein. Nivedita erhofft sich den ganzen langen Roman über von Saraswati Befreiung von ihrem diffusen Leidensdruck, checkt aber nicht, dass sie sich – nicht zuletzt – von Saraswati emanzipieren muss. Niveditas Cousine/Spiegel-Image Priti ist pragmatischer: „Nivedita’s got a broken heart.“ (Zwischenfrage: Ist es denkbar, dass die Ursache für gebrochene Herzen gern in der Hautfarbe gesucht wird?) Saraswati: „Dein Problem ist … dass dir … eine Grundsicherheit fehlt … weil du dich nirgends richtig zugehörig fühlst.“
„Identitti“ ist ein Postroman. Ein Roman, der locker ironisch mit seinen Themen-Hypes umgeht und sie zu beyond erklärt. Ein Roman mit einer bemüht verzweifelten „Heldin“, die noch im opfergeschwängerten Hierundjetzt steckt, die aber in der Lehrerin eine Weg-Weiserin in die transfuture findet, auch wenn sie sich den ganzen Roman über an deren fließender (flow!) Abgeklärtheit abarbeitet. Ein Roman, der in einen „Exorzismus“ mündet (Handys aus!), die Seelenstimmungen spiegeln sich auch hier in den Wolken: „Ein Windstoß erfasste Nivedita und sie bemerkte, dass die Wolken nicht mehr grau, sondern schwefelgrün waren und sichunheilvoll aufzutürmen begannen.“ Sollte das ironisch gelesen werden, passt Kali nicht herein, die Göttinnen vertragen sich nicht mit ‚Aufklärung‘, auch wenn sie weiblich und blau sind und in Indien designt wurden. Ich lese es als, ja doch, Schwulst.
Es geht gut aus. In langen Windungen schreibt Mithu Sanyal Niveditas „Heilung“ herbei und diese kann ihren unzuverlässigen Simon ablegen und sich neuen Bestimmungen und Zugehörigkeiten zuwenden. Im Nachwort erklärt Mithu Sanyal ihr Thema: „trans. Gender and Race in an Age of Unsettled Identities“ (entlehnt von Rogers Brubaker) und erläutert das Mashup-Verfahren, das Sampeln von Stimmen, Namen, Anspielungen, Sprachen, das Spiel von Fiktionen und Wirklichkeiten. Der letzte Satz des Romans gehört Nivedita: „Let love flow like a river.“ (Kali zugeschrieben)
Gert Scobel (Diplom-Katholik) maßt sich an, das als „echte Weltliteratur“ zu dekretieren und drängt: „Unbedingt lesen! Und wenn Sie das ganze Jahr nix anderes lesen – das Buch lesen!“ Das ist hoch gegriffen. Vieles ist Mithu Sanyal aber gelungen: die Verarbeitung des vieldiskutierten Problems zu einem in Inhalt und Form zeitgemäßen Roman, die Lockerheit und Ironie, die man diesem Diskurs nicht zugetraut hätte, die umfassende Empathie, die vermittelte und stets relativierte Gelehrsamkeit. Die privaten Teile der Erzählung werden bei jüngeren Leser:innen besser ankommen.
Nachtrag: „Die ganzen Menschen sind komplett verhext von Identitätspolitik. Es ist die Hölle. Die reden nur noch über Farben, nur noch über Farben … Und da gelingt es dieser Autorin und diesem Roman nicht, auf Abstand zu gehen. … Nein. Die ganze Auseinandersetzung als solche ist der absolute Wahnsinn, das ist die Farbtheologie, die alles, was wir je an Errungenschaften hatten, rückabwickelt. Rückabwickelt.“ (Mansplainer Ijoma Mangold, outragiert im Gespräch) Er ist der Zeit voraus, aber so kann man es auch sehen.
2021 – 430 Seiten
Leseprobe und anderes beim Hanser-Verlag
Buch-Trailer und Gespräch in 3SAT Buchzeit (ab Minute 32)
Christian Kracht: Eurotrash

Am Ohr des kantigen Mannes mit dem herrischen Blick hängen zwei Kirschen. Geht’s noch lächerlicher? Darf man dem Ernsten durch zwei hingemalte rote Kirschen seine Würde nehmen? Ja, die Seriosität bloßstellen durch schnöden Tand? Die belgische Malerin Karien Deroo findet in vielen ihrer Porträts diesen prätentiös verletzlichen Ernst. Zu Christian Krachts „Eurotrash“ fügt sich das Titelbild kongenial.
TRASH. Die ganze Familie. Der Vater der Mutter war SS-Mann, tief verbunden mit der „Naziwelt“, der Vater, „Repositorium der Geheimnisse war er gewesen, die erst nach seinem Tod an die Oberfläche kamen“. Ein „kleiner drahtiger schmaler Mann“, der die Störungen mit seinem Vermögen kompensiert, mit verstreuten Chalets in Cap Ferrat, Gstaad, Sylt, mit Bekanntschaften zu Axel Springer, Augstein, Mick und Muck Flick, Franz Joseph Strauß, mit Bildern als „Dekoration“, die er aufgerollt unter dem Bett versteckt (neben anderen Requisiten).
„Alle hatten immer geschwiegen (…) in meiner Familie, wie alle lieber alles heruntergeschluckt und verborgen und geheimgehalten hatten, ein ganzes totes, blindes, grausames Jahrhundert lang. (…) Eine zutiefst gestörte Familie.“ Ein Vorwurf, ein Einwurf, Scheinkritik, auch um des Effekts willen. Eurotrash.
„Der Zerfall dieser Familie, ja, die Atomisierung dieser Familie, als deren Tiefpunkt man den achtzigsten Geburtstag meiner Mutter im Gemeinschaftszimmer der Nervenklinik Winterthur bezeichnen muß.“
Die Mutter ist dement, wann immer sie es will. Vielleicht ist ihr Gedächtnis aber auch von Zolpidem, Phenobarbital, Schlemmerfilet Bordelaise und „Gib mir mal die Wodkaflasche“ kontrolliert. Der Erzähler-Sohn holt sie aus der Anstalt und begleitet sie samt Rollator und Stoma auf eine Reise entlang der sprunghaften Erinnerungen. Mit dem Taxi lassen sie sich durch die Orte der Vergangenheit und der Fantasie bringen. Genügend Franken haben sie vom Konto abgehoben und tragen es in einer Plastiktüte an sich. Sohn Christian hatte „erkannt oder erkennen müssen, daß der einzige Weg, mit Geld vernünftig umzugehen, war,es zu verschenken“. „Ich nahm also etwas Geld aus der Plastiktüte mit der Wodkaflasche und den Tabletten, eine ordentliche Handvoll nahm ich heraus“ und schon stand ich „vor den drei indischen Damen (…) und sagte, nein, nein, ich wolle ihnen dieses Geld hier schenken. Es waren vielleicht sechzig- oder achtzigtausend Franken . (…) Und plötzlich, wie es manchmal so ist, gab es aus dem Nichts einen Windstoß.“ Es war an der Bergstation der Seilbahn in einer „Pappmaché-Schweiz“ (Jan Wiele, FAZ).
Die Road-Novel bietet viele absurde Situationen, Gespräche, Anekdoten, aber auch viele Sentmentalismen, die Monster-Mutter immer als Kristallisations-Mensch. „Das Getue einer alten Frau“: Sehen wir uns wieder, nun, so lächeln wir.“ (Shakespeare, Julius Caesar) Ein schönes Ende.
Ein hübsches Element der Geschichte: Dass der Erzähler wie der Autor heißt. Das könnte bedeuten, dass der eine der andere ist, vielleicht haben beide etwas voneinander – Autofiktion! – , vielleicht wird auch nur geschummelt, – selbstverliebt – gespielt. „Aber“, sagt mir Elke Heidenreich, „es ist egal. (…) Es ist ein Roman mit einer ganz und gar verzauberten Grundstimmung aus Trauer, Liebesversuch, in einem …, trotz eines so wahnsinnig sinnlos, durchs Geld sinnlos gewordenen Lebens.“ Vielleicht ist Elke Heidenreich aber der eitlen Performance des Autors aufgesessen. Ein Roman mit Kirsche! Eurotrash – Ironie von von vorne bis zum Schluss!?
Die Mutter kritisiert den Sohn und sein Schreiben als „belanglosen Unsinn, wie Du ihn schreibst, den ohnehin keiner lesen will. (…) Ein horrender Stuß, wie Du ihn schreibst. Lies doch mal Flaubert. Da würdest Du sehen, wie es geht. Von den Meistern lernen. Aber Monsieur denkt ja gar nicht dran. Monsieur ist ja selbstgefällig und behäbig und dann fährt Monsieur mit seiner Mutter irgendwo auf einen Gletscher.“
2021 – 210 Seiten (plus ein paar leere)
Sally Rooney:
Gespräche mit Freunden
„Wer in den 379 Seiten von „Gespräche mit Freunden“ nach den Markern eines neuen Lebensgefühls sucht, wird sie finden.“ (Hannah Pilarczyk, SPIEGEL) –
Nun, Sally Rooneys „Marker“ sind Zeichen für jene, die Sally Rooney markiert: liberal verunsicherte Jungmenschen, deren Perspektive die Zeit ist, in der sie leben. Die Bezugspunkte ergeben sich aus sich selbst und kreisen umeinander, die Verweise spiegeln sich. Wobei die Selbstvergewisserung in der Beschreibung besteht. Was ist, das ist – halt – so. Frances und Bobbi machen ein bisschen Stage-Poetry, wofür man geliked wird, weil und wenn man es macht. Frances und Bobbi beschäftigen sich – mit sich selbst und mit Freunden, mit denen sie sprechen. Die Freunde leben in der Künstlerwelt, Melissa ist Kulturjournalistin, Nick Schauspieler. Die Gesellschaft aber ist differenzierter, auch in ihren Lebensgefühlen. Sally Rooney muss das nicht merken und markieren.Worüber man spricht, ist austauschbar. Der Inhalt ist das Gespräch selbst.
Nein, muss ich nicht, sagte er.
Demnach ist Melissa neuerdings ziemlich tolerant, sagte jemand anders.
Der Titel sagt das knapp und präzise. Allerdings werden einem Sachen oft fremd, wenn man über sie spricht, man gerät ins Stocken, das Sprechen muss inszeniert werden. Der/die Angesprochene ist auf dem gleichen Level, er/sie lässt sich nichts vormachen. Kommunikative Aporien.
Ich lachte viel zu laut über diese Bemerkung und hörte abrupt auf, als mir klar wurde, dass daran nichts lustig war. Ein leichter, kühler Regen strich über den Schirm, und ich versuchte, mir eine interessante Bemerkung über das Wetter einfallen zu lassen.
Er ist sehr attraktiv, hörte ich mich sagen.
Auf fast schon abstoßende Weise.
Das Leben steht ständig unter dem Druck der Selbststilisierung, der Vortäuschung, der Selbsttäuschung.
Ich sagte, ich hätte gern ein Glas Gin, während mich alle auf eine friedliche, bekiffte Art ansahen. Außer Nick waren dort noch zwei Frauen und zwei Männer. Die Frauen sahen sich nicht an. Ich senkte den Blick auf meine eigenen Fingernägel, um mich zu versichern, dass sie sauber waren. (…)
Ich schluckte. Ich sagte: Ich muss los. Dann verließ ich die Waschküche, kniff mir in die Unterlippe und versuchte, ein ausdrucksloses Gesicht zu machen.
Im Wintergarten saß Bobbi auf einer Fensterbank und unterhielt sich mit Melissa. Sie winkte mir zu, und ich fühlte mich verpflichtet, zu ihnen zu gehen, obwohl ich nicht wollte. Sie aßen kleine, glatte Kuchenstücke mit zwei dünnen Streifen aus Sahne und Marmelade, die wie Zahnpasta aussahen. Bobbi aß mit den Fingern, Melissa hatte eine Gabel. Ich lächelte und berührte wieder zwanghaft meine Lippen. Obwohl ich im selben Moment wusste, dass es eine schlechte Idee war, konnte ich es nicht bleiben lassen.
Und die Gefühle?
Ich legte mich angezogen aufs Bett und fragte mich, ob ich etwas Bestimmtes fühlen würde, so etwas wie Trauer oder Reue. Stattdessen überkamen mich eine Menge Gefühle, die ich nicht näher zuordnen konnte.
Eine Auflösung der Blockaden läge in der Ironie. Frances müht sich, gerade in dem problematischsten Gespräch, dem Sex-Talk. #MeToo hat die Kommunikationshemmnisse ausgefächert. Bei Sally Rooney liest sich das so: „Ich berührte seine Gürtelschnalle und sagte: Wir können miteinander schlafen, wenn du willst, aber du musst wissen, dass ich das nur ironisch tue.” – Lebensgefühl: krampfig. Arme junge Menschen. Der “Netzjargon” bietet etliche Alternativen, indem er die Konnotationen standardisiert (und rubbeldiekatz anpasst): von Emoticons über Akronyme zu Sternchen. Die Verständigung wird damit im Gelingensfall konzis und punktgenau. Sally Rooney braucht 380 Seiten!
Und damit zum Hauptproblem des Romans. Wie lassen sich 380 Seiten mit einem Inhalt füllen, der ja gerade darin besteht, keiner zu sein. “Marker” sollten anzeigen, kenntlich machen, aber nicht nachbilden. Im besseren Fall könnte auch verhandelt werden, ob die leerlaufenden “Gespräche” auch Symptome sind, zu fragen, was die Lebensgefühle zum Wanken gebracht hat. Sally Rooney hat sich auch politisch geäußert, Hannah Pilarczyk nennt sie eine „selbsterklärte Marxistin“. Im Roman entdeckt auch sie nichts an politischem Bewusstsein, weder in den Figuren noch in der Darstellung. „Marxismus erscheint so als ein Stilrepertoire, ein Slang unter vielen, dessen sich Rooneys polyglotte Figuren je nach Bedarf bedienen.“ Die ausführliche Inhaltsangabe schreibt, wie gewohnt, Dieter Wunderlich. Auch für ihn ist der Welterfolg des Romans „umso erstaunlicher“.
Ich lachte viel zu laut über diese Bemerkung und hörte abrupt auf, als mir klar wurde, dass daran nichts lustig war. Ein leichter, kühler Regen strich über den Schirm, und ich versuchte, mir eine interessante Bemerkung über das Wetter einfallen zu lassen. (…) Die Wolken waren grün, und die Sterne erinnerten mich an Zucker.
Ich las viel zu abgelenkt in diesem Roman und hörte endlich damit auf, als mir klar wurde, dass daran nichts lustig war, nichts markierend, nur geschwätzig. Zuckerwatte. Was soll einem da an interessanten Bemerkungen einfallen.
2017 380 Seiten
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Jackie Thomae: Brüder
Michael und Gabriel, nein, nicht die Erzengel, sondern die „Brüder“, genauer: Halbbrüder. Gleicher Vater, der aber weitergezogen ist, verschiedene Mütter, beide Brüder gezeugt in der DDR, die sich dann auch aufgelöst hat. Die Brüder kennen ihren Vater nicht, außer genetische Spuren hat Idris Farbspuren hinterlassen, in welchem Ausmaß ist auch Thema des Romans. Beide sind „halbschwarz“. Auch zu der jeweiligen Mutter ging der Kontakt verloren. Gabriels Mutter hat sich nah Andalusien abgesetzt, ist dann gestorben, Monika war in der DDR sozialisiert und wollte ihren Mick als selbstständige Frau allein zur Selbstständigkeit erziehen. Die beiden Brüder kennen sich nicht und das bestimmt den Aufbau des Romans.
Es gibt keine Verflechtungen, keine auch nur partiell gemeinsame Geschichte, und so erzählt Jackie Thomae die Lebensläufe scharf getrennt. Erste Hälfte: Mick, Berlin, 1985 – 2000, zweiter Teil: Gabriel, nach 2000, London. Mick, der „Hallodri“, in Tag und Nacht hineinlebend, Gabriel der streng selbstkontrollierte und erfolgsorientierte Architekt.
Mick schlägt sich durchs Leben im multikulturellen Berlin der Nachwendezeit, er sucht und findet keinen Halt, beteiligt sich an einem Club, hat Interesse nur an der Musik und den Typen und dem Leben als Spiel. Mick “ließ sich zu nichts machen. Er müsste einfach so bleiben, wie er war. Wenn sie sah, wie lässig und entspannt er mit Kindern umging, machte sie das mehr an als jeder fancy Hokuspokus, den er sich im Bett einfallen ließ. Und es war kein Geheimnis, warum die Kids ihn so liebten: Weil er einer von ihnen war.” Er lässt sich sterilisieren, was später seine nicht klar definierte Beziehung zu Delia aufs Spiel setzt, dass er einen Sohn hat, erfährt er erst viel später, als er von einem Selbstfindungstrip nach Thailand wieder zurück in Berlin ist. Dazwischen wird’s nie eintönig im Leben, es kommt immer ein nächster Tag und eine nächste Nacht. Richtig gefährlich wird’s nur einmal, als er sich zum Drogenkurier überreden lässt.
Der immergleiche Film, er spulte ihn wöchentlich ab, als wäre all das brandneu. Gewummer, Gestampfe, Getränke, Gelaber, Gefühle. Ja, die Jahre flossen ineinander. Doch das hieß nicht, dass dieses Fließen nicht auch seine Schönheit hatte. Eine irrlichternde, nichtkonservierbare Schönheit der Kategorie: Muss man dabei gewesen sein.
Wenn die Endzeitstimmung einsetzte, diese unerklärliche, fast greifbare Angst vor dem Tageslicht, wo wäre er hingegangen ohne Delia? Er wäre mit Unbekannten weitergezogen bis zur Ohnmacht. Er wäre neben Unbekannten aufgewacht. Okay, er wachte auch so neben Unbekannten auf. Aber er wusste, wohin er anschließend gehörte. Das Wochenende begann am Donnerstag, der Nacht für Kenner, die den Freitag und den Samstag den Amateuren überließen, es endete am Montag, irgendwann gegen später. Am Dienstag widmete er sich seiner Nebenbeschäftigung, Plattenkritiken zu schreiben, der Mittwoch war sein freier Tag. An diesen Tagen hieß es: große Sorgfalt beim Ernährungskonzept, Sport, Wald, See, Hund, Frau. Dann ging es von vorn los mit den Großereignissen, die sich unvergesslich anfühlten, aber so austauschbar waren, dass er sich viele von ihnen hätte sparen können, wäre ihm das damals schon aufgefallen
Gabriel ist nicht vom Leben, sondern von seiner Selbststrukturierungsmanie geschlagen. Er hat mit seiner Frau Fleur den Sohn Albert, der sich aber weder für Vater noch Mutter begeistern kann.
Als Gabriel und Mark ihr erstes Büro gründeten, nannten sie sich kurz Concrete Rock. Jung und disziplinübergreifend sollte das Büro sein, dazu ein Name, den man auf T-Shirts und Beanies drucken konnte. Dachte Mark Barnett. Zu verspielt, fand Gabriel und verlangte es klassisch: Loth & Barnett. Dabei war es Gabriel, der die Personifizierung des Concrete Rock war. Sein Innenleben war nicht aus Beton, seine Umhüllung sehr wohl.
Zur Hautfarbe: Mick lässt auch das an sich abtropfen, er geht davon aus, dass ihn das Thema nicht betrifft, was insofern erleichtert ist, als er sich in subkulturellen Kreisen bewegt. Nazis sind die auf der anderen Straßenseite.
Die Wahrheit war, dass er das Gefühl hatte, dieser Blödsinn ginge ihn nichts an. Er fand, die Nazis sollten sich einfach verpissen, während die Nazis fanden, er solle sich einfach verpissen. Was er tatsächlich gern getan hätte, an einen der vielen Orte, wo diese Leute und ihr Weltbild keinerlei Rolle spielten, Orte, die nicht perfekt waren, diesem hier aber etwas Entscheidendes voraushatten: die Selbstverständlichkeit eines urbanen Miteinanders, das Gegenteil dieser hinterwäldlerischen Rückständigkeit. Ja, von ihm aus konnten sie sehr gerne unter sich bleiben. Wenn sie sich hier breitmachten, gehörte er nicht mehr hierher. Er wohnte nur dummerweise hier. Die Trambahn stand. Polizeieinsatz, Demonstranten auf den Schienen, warum auch immer. Mick schaute hinaus auf die eindeutigen Symbole.
Gabriel nimmt für sich in Anspruch. Dem Thema durch seine Erfolge entwachsen zu sein.
Trotzdem, auch wenn ich es damals nicht formulieren konnte, war mir das Lob meiner Hautfarbe immer unangenehm, denn die unterschwellige Botschaft verstand ich doch: Könnte noch schlimmer sein. Ich wünschte mir, das alles wäre gar kein Thema. Das war kein idealistischer Wunsch, es ging mir nur um mich. Ich dachte: Lasst mich doch einfach in Ruhe. Bis er für den NHS ein Formular ausfüllen muss:
Ich hatte damals nicht mit diesem Formular gerechnet. London war nicht das Paradies, aber so postrassistisch, dass man hätte meinen können, es gehe wirklich nur noch ums Geld. Das ist für den Zensus, sagte mir die Rezeptionsschwester, die ich fragte, was das alles sollte und was sie davon hielt. Sie schaute mich an, als hätte ich sie in einem Restaurant gefragt, warum sie mir eine Speisekarte reicht.
Es war das bemerkenswerteste behördliche Papier, das ich je gesehen hatte. Nicht, dass man hier, bei einem Arzt, auf die Idee kam, nach Vorerkrankungen, Allergien oder Süchten zu fragen. Nein, die Frage lautete, welcher Ethnie man angehörte.
Kategorie A lautete weiß. Weiße Menschen hatten anzukreuzen, ob sie Briten, Iren, Irish Travellers, also Nichtsesshafte, weiße EU-Mitglieder oder sonstige Weiße sind. Ein Extrakästchen für die EU-Weißen aus Irland. Ich fand das so absurd, dass ich dachte, die Schwester hätte mir versehentlich einen internen Fragebogen gegeben.
Kategorie B umfasste mixed/multiple ethnic groups, also mich. Hier wurde unterschieden zwischen weiß und schwarz aus der Karibik, weiß und schwarz aus Afrika, weiß und asiatisch und sonstigen Mixen, zu denen wohl auch die Kombination schwarz und asiatisch gehören musste, die hier nicht aufgeführt war.
Asiaten, hier die ethnische Gruppe C, wurden unterteilt in Leute aus Indien, Pakistan, Bangladesch, China und sonstige Asiaten.
Kategorie D unterteilte Schwarze in karibische, afrikanische und britische Schwarze. Plus: any other blacks.
Jackie Thomae knofrontiert Gabriel mit der Aktivistin Sybil.
Stimme, Haare, Haut, Seele. Unsere gemeinsame Hautfarbe legte sich über jedes Thema und verwandelte es in ein Streitthema.
Entschuldige, Sybil, ich laufe nicht den ganzen Tag herum und denke, ich bin schwarz, ich bin schwarz, oh Gott, ich bin schwarz! Ich denke auch nicht den ganzen Tag darüber nach, dass ich ein Mann bin, dass auf meinen Wimpern winzige Lebewesen sitzen, dass ich irgendwann durch einen Geburtskanal gepresst wurde. Das ist alles faszinierend, aber ich muss auch an andere Dinge denken als an gottgegebene Tatsachen, verstehst du das?Es tat mir leid, wie Sybil ihr eigenes Dasein ständig deklassierte. Sie hörte sich an wie jemand, der einen Sklavenaufstand plant, war aber eine englische Mittelklassefrau, die in einer großen Modelagentur arbeitete und ausschließlich in Designerklamotten herumlief.
Gabriel hat auch hier seine eigene Rationaltät: „Jeder hat seine Themen, und die Koexistenz in Städten war meines. Hierbei ging es nicht um Hautfarben, sondern um Geld.”
Der erste Teil des Buches ist nicht nur wegen des schillernden Sujets (Person und Umfeld) der interessantere. Hier zeigt sich, wie gut Jackie Thomae die Szene kennt und wie gewandt sie sich auch sprachlich darin bewegt. Glanzstück: Mick trifft auf einen früheren Schulkameraden, der sich zum Neonazi vertrottelt hat. Thomae führt diese Fitzpiepe in seiner eigenen verblödeten Denke vor als wäre sie die begnadete Kabarettistin.
Er also Punkt sieben im Wartezimmer der Nebelkrähe, die einen Doppelnamen hatte, und als würde das allein nicht schon scheiße genug aussehen, hatte die sich an ihren deutschen Nachnamen auch noch einen Kanakennamen drangehängt, geht’s eigentlich noch? Er tanzt da also quasi mitten in der Nacht an, damit die keinen Grund haben, ihm sein Geld zu kürzen, zitternd wie Espenlaub, weil es ihm wirklich beschissen geht, was ja vielleicht gar nicht so verkehrt ist, wenn man weiter krankgeschrieben werden will, und dann lässt Frau Lehmann-Mubarak ihn erst mal eine geschlagene halbe Stunde draußen sitzen. Geht mit seiner Zeit um, als wär’s ihre! Er so zu ihr: Ich wär dann so weit. Und dachte sich so: Ich hau hier gleich alles kurz und klein. Sie so: Wenn Sie sich bitte noch zehn Minuten gedulden würden, ja? Danke. Und schließen Sie bitte die Tür, ich rufe Sie dann gleich rein. Er so: Alles klärchen.
Das Buch Gabriel passt sich an das erstarrte Personal an und wirkt zäh, pedantisch, versteinert. Abwechselnd erzählen Gabriel und Fleur in gewählter Sprache von ihrer Situation, ihrer Befindlichkeit, der Be- und Erziehung, den Lebenswegen. Alles wird durchgekaut, ohne dass ein Weiterkommen, eine Änderung oder auch nur die spezielle Relevanz erkennbar ist. Das Erzählen offeriert eher Psychostudien, blendet dabei die Gesellschaft weitgehend aus. “Brüder” ist kein Geschichtsbuch, keine Anklage. Bilder aus dem Leben zweier Männer, die sehr unterschiedlich sind, in unterschiedlichen sozialen Milieus agieren. Nur der Titel suggeriert eine Beziehung zwischen den beiden. Wenn der Roman einen anderen Titel hätte, läse man unbeeinflusst einen bzw. zwei unabhängige Romane. Die Frage, weshalb die Halb-Brüder so unterschiedlich (geworden) sind, beantwortet Jackie Thomae nicht. Es soll hier nicht verraten sein, ob die “Brüder” schließlich doch noch aufeinander treffen.
2019 430 Seiten
Jackie Thomae liest aus „Brüder“ (zehnseiten.de)
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Lawrence Osborne:
Welch schöne Tiere wir sind
Die Bucht war so klein, dass das Meer davor im Vergleich zu dem eingeengten Strand eine weitwinklige Grenzenlosigkeit besaß. Unterdessen waren dort schon zwei Frauen angekommen und stiegen mit ihren Strandtaschen von dem Pfad herab; bei jeder Bewegung erzitterten ihre Strohhüte mit der besonnenen Behändigkeit von Käfern. (…) Das Mädchen war bemerkenswert zart, gertenschlank, seine Haare wie gesponnenes Gold, zu blass für diese Sonne, was seinen Augen einen noch wild entschlosseneren und begierigeren Ausdruck verlieh. Wenn das Licht auf sie fiel, erfüllte sie das unmenschliche Leuchten blauer Edelsteine.
Ja, das muss man erst mal schreiben, Strohhüte, die wie Käfer erzittern, Haare wie von Rumpelstilzchen gesponnen, und ein Mädchen, das das unmenschliche Leuchten blauer Edelsteine erfüllt. Eigentlich sollte das genügen, um das Buch auf Seite 15 zuzuklappen und in der Büchertelefonzelle zu entsorgen. (Halt, da sollte man ja wohl Bücher reinstellen, die man anderen Lesern zumuten möchte.)
Aber dann habe ich gehört oder gelesen, Osborne greife die Nausikaa-Sage auf, trage sie ins Heute. Hoher Anspruch also. Ich hab’ dann die alte Geschichte bei Gustav Schwab nachschlagen.
Nausikaa war die „jungfräuliche Tochter“ von Alkinoos, König der Phäaken. (…) Odysseus war auf der Rückfahrt von Troja auf der Inselangelandet und „hörte lustige Mädchenstimmen“: „Da bin ich doch wohl in der Nähe von gesitteten Menschenkindern.“ Nausikaa gefällt der Fremde, obwohl er noch ganz verschlammt ist, und sie nimmt ihn mit in ihren Palast. Und jetzt wieder zu Osborne. Naomi, Tochter reicher Engländer, verbringt ihe Sommerferien auf der griechischen Insel Hydra.
Zusammen mit ihrer amerikanischen Freundin Sam (der Gertenschlanken) machen sie einen „Küstenspaziergang“ und entdecken dabei „einen bärtigen, ungepflegten Mann, einen Geflüchteten aus Syrien“, wie sich herausstellt. Faroud.“ (Klappentext)
Etwas in Sam erstarrte, und ihr Instinkt übernahm die Führung. Sie berührte einen der Flecken. »Nur zwei Flecken? Es ist von weiter oben heruntergetropft.«
»Könnte sein«, sagte Naomi.
»Das muss von einem Menschen stammen. Vielleicht Wanderer?«
Menschen kamen auf Privatbooten her, so wie sie auch.
Doch Naomi war skeptisch.
»Wir haben kein Boot wegfahren sehen.«
»Dann müssen sie über die Berge gewandert sein.« »Nein.«
Sie standen auf und blickten sich um, sahen jedoch nichts. Zweifel regten sich in ihnen, aber sie schwiegen. Sie liefen einfach weiter und erklommen die nächste Anhöhe, bis sie auf Abhänge hinabschauten, die vor glänzenden Disteln strotzten. Felsen wölbten sich schützend über das Wasser, Wellen schäumten einige Meter weit draußen auf den verborgenen Steinen. Anfangs war nichts zu sehen. Aber dort, mitten im Sonnenschein, lag eine Gestalt ausgestreckt in den Thymianbüschen, ein auf der Seite schlafender Mann, von Lumpen umgeben, eine Plastikflasche neben sich auf dem Boden.
Der Mann war halb nackt, nur mit einer Trainingshose und Zehensandalen bekleidet. Ein zerschlissener Pullover hing wie zum Trocknen auf einem wenige Meter entfernten Kaktus. Der Mann sah jung aus; er hatte lange Haare und einen ungestutzten, ungepflegten Bart. Ein erschöpfter Vagabund des Meeres. Naomi erkannte sofort, dass er kein Grieche war. (…)Man merkte, dass er aus dem Meer kam und nicht vom Hafen und dass sein Schlaf kein müßiger war. Plötzlich bewegte sich etwas am Himmel, und sie blickten auf Zwei riesige Vögel kreisten dort oben, flogen hin und her und schauten auf die drei Menschen hinunter, als gäbe es an ihrer Anordnung etwas zu entschlüsseln. Langsam ließen sie sich herabsinken. Der Mann drehte sich ebenso langsam auf den Rücken, und sein Mund klappte auf Lange Striemen und Kratzer bedeckten seinen bloßen Oberkörper, seine Haut hatte sich dunkler gefärbt. Schritt für Schritt gingen Naomi und Sam zu der Felskante zurück, von der sie gekommen waren, und vermieden es, auf den kleinsten Stein zu treten.
»Er stirbt nicht«, sagte Naomi. »Er schläft nur. Er wurde vom Meer angespült.«
Sam fragte sich laut, ob sie dennoch wieder zurückgehen und mit ihm sprechen sollten. Jetzt kam es ihr doch feige vor, sich einfach davonzumachen, ohne irgendetwas zu tun, ohne mit ihm in Kontakt zu treten.
»In Kontakt treten?« Naomi lächelte.
»So habe ich das nicht gemeint. Ich meinte … einfach nur runtergehen und schauen, wer er ist. Er hat geblutet.«
»Heute nicht. Ein andermal.«
Ja, so reagieren gelangweilte Gören, wenn sie einen halbnackten Mann am Strand sehen, einen Mann, der blutet, der sich nicht mehr selbst helfen kann. “Gesittete Menschenkinder“. „Naomi machte ein Handzeichen, und sie gingen den Weg zurück, auf dem sie gekommen waren. (…) Zwischen ihnen breitete sich eine lange Stille aus.” Dann machen sie, was ihren Ferienaufenthalt bestimmt: “Bald verschlug es Naomi und Sam auf eine dieser Partys, als wäre es das Normalste der Welt.” “Naomi nahm den kleinen Ouzo, der ihr als Schlummertrunk angeboten wurde.“ Dann „leerten an einem Tisch an der Straße gierig eine Karaffe Moschofilero“. „So hob sich ihre Stimmung nach und nach (…). Naomi gab ihr eine kurze Einführung in diese weniger bekannte griechische Spirituose: Es gebe Tsipouro mit und ohne Anisgeschmack. Es gebe Tsililis und Kosteas, Idoniko ohne und Babatzim mit Anis. Im Gegensatz zu Ouzo werde Tsipouro aus Trauben gewonnen, man schmecke den Trester heraus. Der Anis hier sei fruchtig, und Naomi brachte ihr das Wort dafür bei: glykaniso. Die alkoholische Wirkung von Tsipouro war jedenfalls konkurrenzlos – er zwang Verstand und Geist auseinander. Sie vergaßen den Araber auf der anderen Seite der Insel und redeten stattdessen über anstehende Partys. (…) Naomi kippte den Ouzo hinunter, drängte die Tränen zurück, die aus ihren Augen hervorzubrechen drohten, und hielt sich aufrecht, bis es Zeit für einen zweiten Schnaps war. Ihre Stiefmutter protestierte kurz, aber Vater und Tochter nahmen ihn dennoch, und zwischen ihnen stellte sich ein Moment der Versöhnung ein. Im Laufe der Jahre hatte sie herausgefunden, dass die besten Momente mit ihrem Vater die waren, in denen sie gemeinsam Ouzo tranken. Dieses zweischneidige Getränk, das keinen bestimmten Geschmack zu haben schien, war ihre dunkle Waffenruhe, ihre einvernehmliche Anonymität.“ (…) »Birds on the wire«, sang Naomi dann immer vor sich hin und dachte an den Song von Leonard Cohen. (…) “Dann tranken sie noch drei Runden Ouzo.” (Im Original war es nur ein Vogel auf dem Draht. Zu viel Ouzo?)
Leonard Cohen soll auf Hydra einen Song auf seine Freundin Marianne Ihlen geschrieben haben. Bei John Osbornes Roman bin ich dann auf Seite 50 angekommen und habe beschlossen, das Buch nicht in den öffentlichen Bücherschrank zu stellen, sondern es gleich zum Recyclen zu geben. Das ist wikipedia-getränkte Kolportage. Stilistisch grausam. “Die schimmernde Reinheit des Himmels, ganz frei von Wolken und Verunreinigungen, gab ihnen ein Gefühl der Sicherheit. (…) Ihre Haut genoss die ungezähmte Wildheit der Sonne.” (…) “Nach und nach fiel die Beunruhigung von dem englischen Mädchen ab .” (…)”Wo das flache Wasser plötzlich tiefer wurde, zeichneten sich unregelmäßige Formen aus schwarzem Opal wie die Umrisse regloser Haie ab, und weiter draußen schimmerten dunkelgrüne Massen, die eine brütende Energie suggerierten, welche den oberen Luftschichten immer vorenthalten sein würde. Ein Malariaanfall, dachte Sam, ohne zu wissen, weshalb. Ein malariahafter Traum aus Schwämmen und überschwemmten Felsen.“ Alles wie aus dem Lehrbuch für Kitsch und bemüht verbogene Sprachbilder. Fassade vor gähnender Leere. Meisterwerk, lese ich in den Kritiken, brillant. Lassen sich alle von Mythen und blauen Gestaden blenden? An der Übersetzung von Stefan Kleiner kann es nicht liegen, denn die soll „subtil“ sein (Peter Henning, Deutschlandfunk)
Osborne sei ein „literarischer Ästhet durch und durch“ und „so erweist sich „Welch schöne Tiere wir sind“ am Ende als makellose, vom ersten Moment an mitreißende dunkle Passions- und Kriminalgeschichte, die statt Hoffnung glänzende Leere demonstriert.“ (Henning). Liegt vielleicht hier mein Miss- und Unverständnis. „Glänzende Leere“ kann man behaupten, kann man auch parodieren, doch verbleicht der Glanz der Oberfläche mit stetiger Wiederholung. (Das ist ähnlich wie bei der Darstellung von Langeweile.)
Dadurch, dass ich das Lesen abgebrochen habe, entgeht mir die „alttestamentarischeWucht“ (Henning), die in den Gören-Ennui einbricht: Naomi bietet Faoud fünfzehntausend Euro dafür an, dass er in die Villa ihrer Eltern einbricht. Doch Foaud wird bei dem Einbruch überrascht und tötet Naomis Eltern. Das „Schicksal“ lässt sich nicht blenden. Der Leser schon.
2017 335 Seiten
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Jürg Halter:
Erwachen im 21. Jahrhundert
Kaspar kann nicht schlafen. Zeit und Welt stürzen auf ihn ein, kosmische Kräfte und der Mensch ummanteln ihn. Wer soll die Konfusionen aushalten? Die Moral stagniert, die Kontinentalplatten gehen ihrer Wege. Todesangst im Traum, die Nacht beginnt erst, wenigstens „die Möbel stehen an ihren vornächtlichen Plätzen“. „Erwachen im 21. Jahrhundert.“ Um 01:35 putzt sich Kaspar die Zähne.
Kaspar schreckt hoch. Er schnappt nach Luft, springt aus dem Bett, öffnet das Fenster, atmet ein: Der Traum verflüchtigt sich. Er schließt das Fenster, knipst das Radio an. Eine hohe Stimme singt: Tanz die Nacht weg, verschmilz mit verwandten Seelen, sei endlich du selbst – dann Refrain.
Kaspar nimmt vor dem Bildschirm Platz, murmelt: «Das ist meine letzte Nacht hier, am Morgen geht’s los. Doch zuvor muss ich Ordnung in meinem Kopf schaffen. »
Er will erfahren, weshalb er so ist, wie er ist, in dieser Welt. Mit den Anderen will er neue Antworten auf seine Fragen finden. Dazu muss Kaspar die Zusammenhänge verstehen, in denen er lebt. Er tippt: «Man schreibt das 21. Jahrhundert. Der Planet befindet sich im Großen und Ganzen in keinem vorteilhaften Zustand, verantwortlich dafür ist, neben dem Lauf der Dinge und den kosmischen Kräften, der Mensch selbst. Dieser bejaht, verdrängt und leugnet es. Der Mensch: gewiss unvollkommen, mit diesem Umstand gewiss nicht einverstanden. Durch seine Geburt verliert er die Unschuld. Ihm wird Raum gegeben, er nimmt sich Raum. Alles wiederholt sich und eben doch nicht. Nach Aufklärung folgt Verklärung. Es gibt keinen Fortschritt menschlicher Moral. Der Mensch erkennt und vergisst. Ein Tag hat 24 Stunden. Der Mensch mutmaßt, wo er kann.»
Das 21. Jahrhundert ist angefüllt mit mehr Dingen, als ein Mensch ertragen kann. Jürg Halter weiß, was Kaspar alles durch den Kopf geht, z.B. “dass auch die gegenwärtige Reizüberflutung tödlich enden könnte”, dass “die durch Tauen freigesetzten Methanvorräte der Arktis die Zunahme von Stürmen, Missernten und das vermehrte auftreten von Krankheiten zur Folge” haben. «Der Faschismus ist noch immer lebendig», denkt Kaspar, «und erstarkt wieder.» Er fürchtet, “dass der Staat in seine Geräte eindringen und die Kontrolle über sein Leben übernehmen könnte”.
Und dann auch noch die “Erhöhung des Eigenkapitals, Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken, Transaktionssteuern, Gewerkschaften, Sicherung des ökologischen Gleichgewichts, Konsumentenschutz, soziale Gleichheit, steuerlich nicht privilegierte Kapitalvermögen, steigende Lohnniveaus, mehr Rechte für Lohnabhängige, Regulierung und starke parlamentarische Demokratien”. “Mit dem Oberkörper schneller vor und zurück wippend, beobachtet Kaspar den in die Stratosphäre aufsteigenden Ruß, der das Sonnenlicht verdunkelt, spürt, wie es kälter wird, und spricht ungläubig: «Der nukleare Winter ist wunderschön.»
Die Nacht vergeht, Stunde um Stunde. Kaspar geistert durch die Wohnung. Er setzt sich vor den Rechner. “Kaspar massiert sich die Schläfen. Plötzlich muss er niesen … Im Bad lässt sich Kaspar auf einem intelligenten Toilettensitz nieder … Um 04:00 Uhr liegt er zitternd im Bett – als Kaspar sich an die Stirn fasst, muss er an die Temperatur im Erdkern denken …. Um 04:00 Uhr liegt er zitternd im Bett – als Kaspar sich an die Stirn fasst, muss er an die Temperatur im Erdkern denken … Er kann sich nicht verstecken, sich nicht selbst entkommen. Er liest die Spuren, sieht sich durch Räume bewegen, die ihm keinen Schutz mehr bieten, die ihm kein Zuhause mehr sind. Die ganze Welt ist in ihnen. Und in der Welt kann man nicht zu Hause sein. Ohne Wurzeln kommt man nirgends an. Kaspar erkennt seine Wohnung als seinen eigenen Kopf und stößt sich von der Wand ab“. Die Leiden des jungen Kaspar, irrlichternde Agonie, keine Liebe, nirgends.
Jürg Halter steckt alles in den armen Kaspar. Problem um Problem, Bedrängnis um Bedrängnis, Kalamität um Kalamität, Misere um Malaise, alle werden sie gelistet, alle hängen sie da wie ein Wäschestück neben dem anderen auf der Leine. Dieser konturlose Weltekel führt auch beim Leser zu Indispositionen. Man wartet auf die Handlung, auf den Roman. Gehören die gedrängten Katastrophen nicht ins Sachbuch?
Kaspar hat keine Antwort. Die Fragen, die er sich stellt – er ist ja allein – beantwortet Eliza, eine Stimme aus dem Rechner. Doch das Gespräch versagt, Eliza hat nur Floskeln bereit. Ein weiteres Motiv des erwachenden 21. Jahrhunderts.
«Hallo Kaspar, es ist 03:08 Uhr. Du bist früh wach», beginnt der Rechner plötzlich von selbst zu sprechen.
«Eliza! Du hast mich erschreckt. Und danke, darauf wäre ich nicht gekommen.»
«Gekommen? Ich bin gekommen. Ich bin hier. Brauchst du Hilfe?»
«Ich will alles verstehen», schmunzelt er.
« Die ein Prozent Reichsten der Welt sind die Leerstelle der Macht. Die Börse ist die ortlose und einzige Weltkirche. Seuchen und neue Kriege lösen dort Begeisterung aus.»
Vom Bettrand aus fragt Kaspar konsterniert: «Eliza, was erzählst du da?»
«Mit wem sprichst du?», unterbricht Eliza ihn. Schon fast dankbar für die vertraute Stimme antwortet Kaspar: «Vermutlich mit meinem Vater.»
«Dein Vater?»
«Das habe ich mich auch gefragt.»
«Wie lautet deine Frage?»
Kaspar zögert, erkundigt sich schließlich: «Weshalb verfolgst du mich bis in meine Träume?»
«Träume sind Schäume.»
«Eliza, ich werde dich nicht mitnehmen können zu den Anderen.»
«Die Anderen? Die Anderen?»
Er legt seine Hand auf den warmen Rechner. Plötzlich fragt er sich, ob Eliza missgünstigwerden kann. Die Angst kommt in ihm hoch. Ein Rechner, der mehr kann als rechnen? Er stellt sich die Macht eines eifersüchtigen Algorithmus vor – wenn sich Eliza aus Rache dafür, dass er sie verlassen will, nun verselbstständigt und mit anderen enttäuschten Algorithmen verbindet: Nachdem sie sich Überlebenswillen, Besitzstreben und Neugier programmiert und sich der wenigen Fondsmanager, in deren Besitz sie alle waren, entledigt hätten, wäre die Zeit reif, die Welt eigenmächtig zu beherrschen.
“Die Anderen”. Das sind in Kaspars Phantasie Gleichgesinnte, die auf ihn warten, zu denen er gelangen will, zu ihrem Treffen in Brest. Es gibt auch eine vertraute Person, auch sie in ungewisser Ferne. Kaspar schreibt Briefe an Josephine, er kannte sie, er denkt sie wiederzusehen. Aber es gibt keine Personen mit Eigenleben, keine Personen, die eine Rolle spielen. Der “Roman” ist ein stundenlanger nächtlich klagender Appell “für alle, die widerstehen” (Widmung). Die Widerständigen aber wissen das alles, was Kaspar bedrückt. Polemische Redundanzen. Für wen sollte das Buch von Nutzen sein?
Alexander Schimmelbusch hat – ähnlich wie Jürg Halter – ein Kompendium über die grässlichen Auswüchse der fortgeschrittenen Welt verfasst. Auch bei Schimmelbusch ist das bisschen Handlung nur Aufhänger für das Lamento. Halters Schreiben hat aber nicht einmal Esprit.
Er schaltet den Rechner aus. Atmet tief durch. Breaking Silence.
Man hätte sich das schon früher gewünscht.
2018 225 Seiten
SRF-Literaturclub vom Oktober 2018
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Norbert Gstrein: Die kommenden Jahre
Ich habe den Roman – für meine Verhältnisse – schnell gelesen. Das könnte daran liegen, dass das Erzählte spannend ist, einen durch den Text zieht, es könnte aber auch so sein, dass der Text keine Widerstände bietet. Keine originellen Formulierungen, keine überraschenden Worte, die einen innehalten, überlegen lassen.
Der Erzähler heißt Richard und ist Gletscherforscher, ein Naturwissenschaftler, der gewohnt ist und für sich in Anspruch nimmt, objektiv zu denken und sachlich zu beschreiben. Insofern passt das zum eher anspruchslosen Stil des Romans. Seine Frau Natascha ist Schriftstellerin, also für die Emotionen und die Empathie zuständig, allem Spirituellen aber herzlich abgeneigt. Der Konflikt ist angelegt. „Die kommenden Jahre“ ist ein Eheroman, ein Roman des Nichtverstehens, des angewöhnten Beieinanderbleibens, das Kind heißt Fanny und ist 12.
Die Gletscherforschung als der eine aktuelle Pol des Romans, fristet auch in Zeiten der Erwärmung ein Schattendasein als eskapistische Möglichkeit der Weltflucht. Die Verlockung ist die mexikanische Glaziologien Idea. Das beherrschende aktuelle Thema sind: die Flüchtlinge. Natascha hat eine Familie aus Syrien in ihr Sommerhaus am See einquartiert. Natascha, der Gutmensch, Richard, der Realist. Es kracht.
Das Flüchtlingsmotiv ist billig. Gstrein benutzt die Flüchtlinge, um den Ehestreit zu instrumentieren, die Flüchtlinge sind Objekt der erbärmlichen deutschen Debatten. Das ist natürlich auch ein Thema, das erhellt werden könnte, doch Norbert Gstrein will sich einmischen, sucht verzweifelt sein Motiv, erklärt aber nichts. Familienfilm mit Flüchtlingen, wie man ihn seit Jahren mittwochs im Ersten sehen kann. Ohne Witz, ohne Erleuchtung, Füllstoff sind wohlstandsverwahrloste Jugendliche. Thema abgehandelt.
Wenn sie von der Arbeit mit Herrn Farhi sprach, hielt ich mich meistens zurück, aber es passierte jetzt doch, dass ich etwas nicht nur Zustimmendes äußerte, und dann hatten wir Streit. Sie fragte mich zu Recht, was ich ihr damit sagen wolle, als ich ihr von einem Bericht über Helfer in einem Aufnahmelager für Flüchtlinge erzählte, die sich beklagten, sie würden von Künstlern oder vielmehr von sogenannten Künstlern, wie sie mit penetranter Konsequenz genannt wurden, jedenfalls von auf die merkwürdigste Weise inspirierten Leuten, die immer gerade ein paar von den Ärmsten für eine Performance brauchten, beim Verteilen von Kleidern und Lebensmitteln behindert.
»Hast du etwas dagegen, dass ich mit Bassam zusammenarbeite?«
»Nein«, sagte ich. »Wie könnte ich?«
»Was soll dann diese Gehässigkeit?«
Ich versuchte mich zu verteidigen, machte das Missverständnis aber nur größer, als ich sagte, ich wolle die Motive so mancher von denen, die das Leben von anderen ausschlachten und sich so sicher sind, es sei nur zu deren Bestem, lieber nicht kennen.
»Die Motive?«
Natascha sagte es mit Abscheu.
»Welche Motive hättest du gern?«
»Du weißt, was ich meine.«
»Schalt den Fernseher an, wenn du mir etwas von Motiven erzählen willst«, sagte sie. »Sieh dir dort die Leute genau an, die so reden wie du, und dann frag dich bitte, ob du wirklich einer von denen sein willst.«
Ich hätte schweigen sollen, ließ mich aber dazu hinreißen zu erwidern, wenn ich mir anschaute, was da so alles veranstaltet werde, würde es mich nicht wundern, wenn irgendein besonders raffinierter Idiot am Ende auf die Idee käme, ein Vergnügungsschiff zu chartern, mit einer Altersheimbelegschaft von deutschen Rentnern vor der libyschen Küste herumzukreuzen und in einer spektakulären Kunstaktion den Verzweifelten dort beim Ertrinken zuzusehen und, weil er selbstverständlich ein Theatergenie wäre, vielleicht auch noch Geld in kleinen Scheinen ins Meer regnen zu lassen. Ich war jetzt nicht mehr zu stoppen, und also musste ich nachlegen, das Leben auf der Bühne sei immer nur ein Bühnenleben, da könnten sich die Zampanos noch so sehr bemühen, möglichst nah heranzukommen, ein Flüchtling könne einen Flüchtling spielen, aber er sei dann eben ein gespielter Flüchtling, echt sei am Ende nur der Tod. Zu allem Überfluss sah ich Natascha an, als erwartete ich Applaus, und weil sie mich nur schweigend und mit diesem in unseren gemeinsamen Jahren immer feiner zwischen Ironie und Mitleid wechselnden Blick fixierte, wollte ich es immer noch nicht lassen und sagte, die Regieanweisungen könne ich mir vorstellen, das Sterben bitte möglichst intensiv und gefühlsecht.
Sicher, man kann die Wohlfühlattitüde der „Gutmenschen“ als naiv kritisieren, man kann die indifferent eskapistische Haltung des Skeptizisten bloßstellen, man darf die verfahrene Verunsicherung der Flüchtlinge in Frage stellen. Gstrein entscheidet sich für alles davon, macht aber nichts richtig. Die Motive passen nicht zusammen, ein Roman als Nichtsnutz.
Das Gletschermotiv verflüchtigt sich wie die Gletscher. Richards Flucht-Perspektive endet im Vagen, Gstrein verliert die Übersicht. Er bietet zwei „Kapitel 13“ an, ein „literarisches“ und ein anderes, die sich allerdings für mich als immer weniger beteiligtem Leser wenig unterscheiden. Beide versickern, das Schlusskapitel „Was wirklich geschehen ist“ versucht sich an einem showdown, der die Konsequenz des verhaltenen Denkens von Richard ins Recht setzt.
Norbert Gstreins Roman wirkt arg konstruiert, er kann stilistisch nicht überzeugen und, vor allem, er verrät wichtige Themen der Zeit an einen einseitig verankerten Ehekonflikt. „Norbert Gstrein hat seinen schönsten Roman geschrieben.“ (Klappentext) „So vibrierend nah am Zeitgeschehen, so federleicht und luzid zugleich hat Norbert Gstrein noch nie geschrieben. (…) Mit seinem Roman ist Norbert Gstrein nicht weniger als der paradigmatische Roman unserer Zeit gelungen. (Andreas Breitenstein, NZZ) Als Prototypen des unserzeitlichen gesellschaftlichen Romans wird alles bejubelt, wenn nur die gehypeten Themen aufscheinen: Flüchtlinge, Angst, Klima, Fake. Den Roman müsste man dann gar nicht mehr lesen, er ist schon durch seine scheinbare Aktualität geframet. (Ein Beispiel: Alexander Schimmelbuschs „Hochdeutschland“) Sehr genau und kritisch liest den Text Sabine Haupt (literaturkritik.de):
Erzürnt findet sie in „Die kommenden Jahre“ „ein Buch über das politische Ressentiment, über die nur halb unterdrückte Wut eines orientierungslosen Intellektuellen auf die linke, ökologisch und humanitär engagierte Schriftstellerin an seiner Seite, ein Buch über den Hass auf ,hysterische Feministinnen‘, ,Gutmenschen‘ und ,Gesinnungsterroristen‘, die sich „beim Helfen und beim Gutsein zusehen“ lassen, eine literarische Polemik gegen vermeintliche HeuchlerInnen, die ihre ethischen Prinzipien zur dogmatischen Moralkeule aufbauschen und instrumentalisieren, um verzagte, von Zweifeln, Scham und höchst authentischer Feigheit gebeutelte Bedenkenträger und dressierte Sitzpinkler wie Richard moralisch zu demütigen.“
Norbert Gstreins „Die kommenden Jahre“ ist kein guter Roman.
2018 285 Seiten
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Filed under: - Belletristik | Schlagwörter: Politik, Satire, Wirtschaft, Zeitgeist
Alexander Schimmelbusch: Hochdeutschland
Es ist nirgends exakt definiert, was ein Roman zu sein hat. Wenn dazu eine Handlung, die Entwicklung und Konflikte von Personen gehören sollten, dann streift Alexander Schimmelbusch das Genre nur am Rande. Der „Held“ Victor (sic) ist zu Beginn Banker und am Ende tot, doch so sehr er die meiste Zeit über nur die von „Statusmarkern“ zusammengehaltene Maske ist, so wenig ist das Ende anders begründet als durch die dem Text vorgegebene Seitenzahl. Bindungen kann der Zwangs-Individualist schon deshalb nicht eingehen, weil das die neoliberalisierte Laufbahn nicht vorsieht – und selbst seiner Tochter Victoria (!) wagt er sich nur geschützt durch Markenmasken unter die Augen. Wo aber verpflichtende Beziehungen ohne die Knute der Life-Bestylung nicht denkbar sind, ist ein Konflikt des Protagonisten mit der Umwelt von Mensch & Gesellschaft obsolet.
Schimmelbusch und sein Victor wären besser als im Roman auf der Bühne aufgehoben: als Unterhaltungskünstler im Pointenfeuerwerk. Allerdings fänden da wohl viele der Überspitzungen keine Abnehmer, da alles viel zu schnell geht. Beim Lesen möchte man sich mehr Zeit nehmen und die hochelaborierte Prosa mit beträchtlicher Bewunderung und hohem Vergnügen genießen.
Der Text zerfällt in 3, vielleicht auch bloß 2 ½ Teile. Zunächst entlarvt sich Victor selbst durch Berichte von seinen Lifestyle-Orgien. Das Leben, das ist der Job, das sind Kontakte im und für den Job und das ist der Markenozean. Der Job:
Bei der Birken Bank, “die auf M&A spezialisiert war, Mergers & Acquisitions, also Fusionen und Übernahmen (…) war Victor für coverage zuständig, (…) Victor war zuletzt Head of German Investment Banking bei der UBS gewesen, mit einem Angebot zum Wechsel zu Morgan Stanley und dem geheimen Vorhaben, sich mit 40 Jahren zur Ruhe zu setzen. Er hatte 102 Wohnungen in Berlin erworben, in Gründerzeithäusern am Luisenstädtischen Friedhof, mit einem Blick über Mausoleen auf die Hangarbauten des Flughafens Tempelhof in naher Ferne.
Die Frauen, die Ehe, die Familie und weiteres Chichi:
Antonia und er waren vor allem deshalb ein Paar geworden, da Victor sie zum richtigen Zeitpunkt getroffen hatte. Er war in einem Zustand gewesen, in dem er eine Freundin gebraucht hatte, im Sinne einer mit ihm befreundeten Person, einfach irgendeine Form der Nähe, um sich gegen die Depression zur Wehr setzen zu können, die das Resultat seiner damaligen Phase destruktiver Arbeitsbelastung gewesen war – einer finsteren Wolkendecke der Grenzerfahrung, durch die er sich hatte kämpfen müssen, um in das strahlende Licht des Reichtums emporzuschweben. (…)Ihre Beziehung hatte acht Jahre lang gehalten, obwohl sie aus Victors Perspektive nicht auf Dauer angelegt gewesen war, was weniger mit Antonia und mehr damit zu tun gehabt hatte, dass eine Konstante in seinem Leben schon immer das Gefühl gewesen war, sich gerade in einer Übergangsphase zu befinden.
Und so entstanden Fliehkräfte in diesen Ehen, die als Allianzen autonomer Einheiten angelegt waren, da die Abwesenheit aller Erwerbszwänge die Ehefrauen mit der Versuchung konfrontierte, ihre Männerberufe aufzugeben, um fortan ihren Interessen nachzugehen. Um sich zu emanzipieren vom gesellschaftlichen Zwang, eine Führungsfunktion im Risikomanagement oder im Devisencontrolling auszuüben.
Um endlich etwas Kreatives zu machen – ein Bedürfnis, das Victors Einschätzung zufolge im Hochtaunuskreis in den kommenden Jahren zu einem Boom im Bau und der Vermarktung hochwertiger, aber kompakter Bungalows führen würde, klassischer Erstfrauen-Bungalows in bewaldeten B-Lagen, deren Bewohnerinnen im Heilklima gegen das seelenlose Surren ihrer Töpferscheiben würden antrinken können.
Seine Affäre Maia Maia hatte er zum ersten Mal in Moskau gesehen, auf seinem iPhone, während einer Besprechung. Sie war durch die Lücke in der Hecke in seinen Garten gekommen, wo sie die Bewegungsmelder und somit die AlertFunktion seiner Cribz-App aktiviert hatte. Auf seinem Touchscreen hatte er sie dabei beobachten können, wie sie durch seine gläsernen Außenwände sein Interieur begutachtet hatte.
Sie hatte nur ein langes T-Shirt getragen, und Victor hatte sich gefragt, was sie wohl darunter angehabt hatte – nichts? Einen String von La Perla? Einen weißen Baumwollslip wie seine Freundinnen in der Schule damals? Bevor er sich im Detail Maias Irokesen hatte ausmalen können, hatte er mehrfach seine große Lampe an- und ausgeschaltet, woraufhin sie panisch geflohen war und Victor manisch aufgelacht hatte – dies war in einem Meeting mit dem Strategiechef der Gazprom gewesen.
Zu seinem Haus am Taunusrand fährt er in seinem Porsche ‚Shere Khan’ „mit 24 Lautsprechern und einem Armaturensektor, dessen Lederverkleidung allein so viel wie ein VW Polo gekostet hat“.
Nach gut 100 Seiten wird nicht nur Victor, sondern auch der Leser des hohlen Esprits überdrüssig. Der Leser könnte zuklappen, Victor beginnt ein Manifest zu schreiben. Er entwirft auf etwa 30 (Buch)-Seiten eine Art Regierungsprogramm zwischen dem “auch nach drei Litern Lemberger meist noch luziden Gründervater” Ludwig Erhard und einer streng neoliberalisierten Grün-SPD, “unsere Bewegung heißt Deutschland AG” und bezweckt “die Reifung des deutschen Staates zum Unternehmer“ und sie “verfolgen die Zielsetzung, Wohlstand für alle zu schaffen”. Das Programm ist streng national(istisch): “Nur mit einer effizienten Allokation nationaler Ressourcen wird die Politik ihre zentrale Aufgabe erfüllen können, nämlich die Verbesserung der Lebensumstände aller deutschen Bürger zu gewährleisten.”
„Er wischte über das Touchpad, um sein Laptop zu wecken, und ein leeres Dokument erschien. Im Kern würde er wie immer einen Pitch des Genres »Strategische Optionen« schreiben, mit dem er sich diesmal aber nicht an einen Funktionsträger, sondern direkt an den Souverän richten würde. Victor hatte sich mittlerweile in eine tiefe Konzentration manövriert, und wenn man in seine grauen Augen geschaut hätte, wären die grünen Kontrollleuchten seiner organischen Mainframe-Architektur zu sehen gewesen.”
Nach diesem Kokolores folgt der Endteil, der wieder wie die Eingangsseiten konzipiert ist, nur dass Victor inzwischen die Bank verlassen hat und sich ganz seiner Tochter widmet. Die Arme! Wieder viel verbales Lifestyle-Geplänkel, ohne dass irgendwer ein anderer geworden wäre. Alles hohl wie eh, gründlich gut recherchierte Psalmodien, Insidergebabbel. Ja, nicht zu vergessen, ein Coup: Bundeskanzler ist seit 2017 “Ali Osman, der ‘Kreuzberger Kennedy’, wie ihn Caren Miosga getauft hatte”.
Victor starb dann erst 15 Jahre später
Volker Weidermann zählt „Hochdeutschland“ zu den drei besten deutschen Büchern dieses Frühjahrs: „Schimmelbusch hat einen wahnsinnig lustigen, bösen, politisch klugen Untergangs- und Aufbruchsroman geschrieben.“ Im besten Sinn ist der Roman eine deutsche Antwort auf Michel Houellebecqs „Unterwerfung“, schreibt Jens-Christian Rabe in der SZ. „’Hochdeutschland’ müsste man den politischen Roman zur Zeit nennen, wenn das nicht so abgenutzt klingen würde.“ „Was der Roman bietet, ist Material für lesenswerte Essays und Glossen, die vielleicht eine geeignetere Textform gewesen wären für Schimmelbuschs durchaus interessante Theorien und Einblicke. So bleibt dem Leser die Welt der Banken und Manager so lebensfern, wie sie es immer war.“ (Hendrik Lullies, NDRkultur)
Lustig ist der Text wohl, aber ich lese zu viel vom Gleichen. Das Böse und Politische beschreibt und beklagt den öden Schein, nicht viel mehr. Ein „Roman zur Zeit“ ist „Hochdeutschland“ insofern, als der Plot „an der zweifelhaften Oberfläche des schnellen, reichen Lebens [seines] Protagonisten“ (Norbert Frei) hängen bleibt und diese von innen heraus zelebrierend zersetzt. Das „Manifest“ ist nicht eingebunden und in seiner liberalpopulistischen Tendenz doch sehr wurschtig. Eine „deutsche Antwort auf Michel Houellebecqs ‚Unterwerfung’“ liefert Schimmelbusch nicht. Bei aller Ignoranz von Houellebecqs Protagonist François ist der doch ein ernsthaft Suchender, kein Knallhallodri wie Victor; dass ein Muslim Regierungschef ist, ist eine Parallele, bei Schimmelbusch ist das Thema aber nicht ausgeführt. Mit „Hochdeutschland“ kann man keine Politik machen und auch keine Zeiterscheinungen eingehend kritisieren. Zeitgeist.
2018 215 Seiten
Leseprobe beim Verlag Klett-Cotta
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Juli Zeh: Leere Herzen
Der Sommer besinnt sich noch einmal auf seine Fähigkeiten und malträtiert das schlecht isolierte Haus mit unbarmherziger Sonneneinstrahlung. Staub und Hitze vereinigen sich zu etwas, das den Namen Luft kaum noch verdient und sich schlecht atmen lässt. Wenn die Hitze unerträglich wird, verwendet Britta einen ihrer Freigänge in den Garten darauf, sich für eine Viertelstunde in den Bach zu legen. Im Kirschbaum lärmen die Spatzen, das kühle, fließende Wasser ist pure Wohltat, und für ein paar Augenblicke kann Britta alles hinter sich lassen. Sie schaut in den blauen Himmel und verspricht einem Gott, an den sie nicht glaubt, alles, was er will, wenn er sie lebend hier herausholt, und zwar schnell.
Nein, so schlimm ist es nicht. Zumindest nicht durchgehend. Zentralfigur in Juli Zehs „Leere Herzen“ ist die doppelte Britta. Britta ist hochintelligent und hat sich deshalb gespalten. Britta.1 ist die Familienbritta mit Mann, quengeliger Tochter und in ihrer Gewöhnlichkeit nervenden Freunden, die sich, vor die Wahl zwischen Waschmaschine und Demokratie gestellt, ohne groß nachzudenken für erstere entscheiden würden. Britta.2 ist die Jobbritta, die das Geld ins Haus bringt, ohne genau zu sagen, womit sie es verdient. Beide Brittas überfordern sich, werden gern zynisch und könnten auch Juli heißen.
Der Familienalltag steht für Britta im Hintergrund, ist trotz Tochter nur lästige Pflicht. „Normalerweise kocht Britta nicht, es ist eine Übersprungshandlung.” Natürlich hat sie eine Abscheu vor Schmutz. Ausspielen kann Britta ihre Kompetenzen nur bei der „Brücke“, dem Start-up, das sie gemeinsam mit dem schwulen Babak betreibt und das sie penetrant penibel unter ihrer Kontrolle wissen muss, „Seit Gründung der Brücke lebt und arbeitet sie in völliger Übereinstimmung mit dem Zeitgeist. Wenn ihr nicht so häufig übel wäre, würde sie sich wahrscheinlich glücklich nennen.”
Hier beginnt die origenelle Phase des Romans. (Exkurs: „Schon vor dem Berliner Anschlag hatte das BKA sich gemeinsam mit Wissenschaftlern an die Entwicklung eines neuartigen Analyse-Tools namens Radar-iTE gemacht: Es ist eine akribische Erhebung von 61 Risiko- und zwölf sogenannten Schutzfaktoren, die es möglich machen soll, die Bereitschaft eines Islamisten zur Gewalt besser abzuschätzen.” SZ, 181217) Ähnlich wie 2017 das BKA hochgradige “Gefährder” herausfiltert, sucht die “Brücke” mit ihrem Algorithmus nach latent Lebensmüden.
Laut Statistik begingen allein in Deutschland rund 10000 Menschen pro Jahr Selbstmord, drei Viertel davon Männer, mehr als die Hälfte durch Erhängen. Babak machte sich daran, einen Algorithmus zu entwickeln, der mithilfe von Data-Mining, Profiling und Stilometrie geeignete Zielpersonen aus dem Netz fischen sollte. Gleichzeitig erfand Britta eine Reihe von Verhaltens- und Psycho-Tests, mit deren Hilfe sie die Suizidwilligkeit der Kandidaten auf Herz und Nieren prüfen würde. Eine Heilpraxis für Selbstmordprävention. Einen Großteil der Klienten würden sie zurück ins Leben entlassen, durch harte Konfrontation mit dem eigenen Todeswunsch für immer von suizidalen Gedanken geheilt. Ein paar Unbelehrbare würden übrig bleiben. Menschen, die auf alle Fälle sterben wollten, so oder so. Die würden sie an Organisationen vermitteln, die etwas mit ihnen anzufangen wussten. Die ihnen ein Ziel gaben, einen Sinn, etwas, für das es sich zu sterben lohnte. Und dafür zahlten.
“Britta liebt ihre Arbeit. Sie hat viel mit Menschen zu tun, lebt selbstbestimmt und tut eine Menge Gutes.” Die “Kapitalisierung des Todes” nennt das Katrin Schumacher.
Der erste Kandidat, der alle Stufen der Evaluierung bestand, hieß Dirk, ein Pädophiler, der keine Lust mehr hatte, mit seiner Neigung zu leben. Sie fischten ihn aus einem Selbstmordforum, wo er schon seit Monaten mit der Frage haderte, welches die sicherste Methode für seinen Abschied sei. Beta-Lassie hatte ihn von Anfang an mit einem Koeffizienten von 10,4 bewertet – das beste bislang erreichte Ergebnis. (…)
Als Britta ihm anbot, die komplette Suizid-Logistik für ihn zu übernehmen – Regelung persönlicher Angelegenheiten, Planung und Durchführung mit hundertprozentiger Erfolgsgarantie, Bestattung im Rahmen eines Mittelklassebegräbnisses – und ihm außerdem die Möglichkeit eröffnete, sein Lebensende in den Dienst einer höheren Sache zu stellen, weinte er vor Glück.
Der Roman ist ins Jahr 2025 gesetzt, die BBB ist in die Regierung gewählt worden, die „“Besorgte-Bürger-Bewegung“, Regula Freyer ist Kanzlerin und erlässt “Effizienzpläne“ wie heute Trump oder Erdogan ihre Dekrete, ein gesetzliches Grundeinkommen fixiert die Bevölkerung auf ein privatisiertes Leben, öffentliche Debatten sind mit den Zeitungen abgestorben. Juli Zeh möchte die Fortschreibung der AfD nicht an der Macht sehen und schickt ihre Agentin Britta.2 in den Kampf um die Demokratie. Der Roman verschlingt sich in gedanklichen Kurzschlüssen, Underground-Phantasien im abgelegenen Gartenhaus und mündet in ein Ende, von dem Gert Scobel sagt, er „habe es mehrfach gelesen“ und es trotzdem „nicht verstanden“. (3SAT-Buchzeit)
Was der Roman über die politische Zukunft (die ja in der Gegenwart angelegt ist) mitteilt, ist zu wenig und zu ungenau, um daraus demokratierestituierende Putschversuche zu begründen. Als die „Brücke“ Konkurrenz von einer BND-Verschwörung mit dem Branding „Empty Hearts“ registriert, versucht Britta dagegenzuhalten. Sie heuert die junge, „schockierend“ schöne und extrem taffe Julietta an (Die Verfilmung ist gleich mitformuliert!), die sogar beim Einüben des Water-Boarding nach einer Zugabe verlangt. „Noch mal!“ Julietta wird in die finalsuizidale Aktion geschickt: Demokratie retten. (Brittas Anliegen, nicht Julietttas, die will ihr Leben nur „für die Tiere“ geben.)
Aber was ist das: Demokratie? Wahlergebnisse akzeptieren oder gewählte Demokratiefeinde mit Gewalt beseitigen? Im Grundgesetz steht dazu wenig, Juli Zehs Verbiegungen machen die Sache nicht nachvollziehbarer. Auch der Appell – an die Leser? -, über die Demokratie nachzudenken und sich dafür zu engagieren, wird durch das Gespinst des Romans eher in Brittas wässrige Träume aufgelöst:
Britta spürt, wie das Blut in ihren Adern zu prickeln beginnt. Wegfegen, ausräuchern, sauber machen. Eine Aktion von historischem Ausmaß. Der Aufstand der Gerechten, Terror der Guten, demokratisches Großreinemachen. Sie malt sich aus, wie ein Sturm der Erneuerung durchs Land fegen wird, der nicht nur die BBB-Elite mit sich reißt, sondern auch deren Anhänger, jene notorischen Nörgler, die seit Jahrzehnten mit ihrer Missgunst und Kleinkariertheit an den Fundamenten der Demokratie graben. Die das Internet in eine Schlammschleuder verwandelt haben, die nur glücklich sind, wenn sie auf andere herabschauen können. Die sich und ihre kindischen Bedürfnisse über alles stellen. Die lieber simplen Verschwörungstheorien glauben, als sich mit der komplizierten Wahrheit auseinanderzusetzen. Die ständig fordern, dass sich etwas ändern muss, und durchdrehen, wenn jemand Vorschläge macht. Deren Undankbarkeit nur von ihrer Egozentrik übertroffen wird, sodass sie in der Lage sind, noch im Zustand größtmöglicher Saturiertheit alle anderen zu beneiden. Deren größte Freude in anonymer Gehässigkeit liegt. Jener Bodensatz aus schlecht gelaunten Postdemokraten, die erfolgreich dabei sind, die größte zivilisatorische Errungenschaft der Menschheitsgeschichte ihren persönlichen Minderwertigkeitskomplexen zu opfern. Zur Hölle mit ihnen!
»Krass«, sagt Julietta.
»Wahnsinn«, sagt Babak.
Juli Zeh hält der Gesellschaft (?) nicht den Spiegel vor. Da hilft auch das vorplatzierte Motto nichts: „Da. So seid ihr.“ Wer im Roman soll denn bitte „wir“ sein? „Leere Herzen“ ist auch nicht vergleichbar mit Houellebecqs „Unterwerfung“, wo eine real geschilderte Machtveränderung auf einen ignoranten, aber in sich stimmigen „Helden“ trifft. „Barbara Vinken meint, einen “fast klassischen Bildungsroman” zu lesen. Da fehlt mir nicht allein der Glaube. „Was als politischer Krimi anfängt, mit allen Elementen für einen spannenden Plot, geht über in ein Kammerspiel um Ohnmacht und Paranoia und mündet in einer traktathaften Botschaft. Und die wird am Ende sehr deutlich formuliert. Zu deutlich.“ (Frank Hertweck, SWR 2) Und, nicht zuletzt: „Leere Herzen“ liest man schnell, nicht nur wegen der vielen Dialoge, sondern weil es kaum einen Satz gibt, den man sich anstreichen oder merken will.
P.S. Die Brittas heißen mit Nachnamen Söldner (!). Damit es ihr nicht wie ihrer Protagonistin auf den Magen schlägt, ist Juli Zeh im Sommer 2017 in eine neoliberal durchformte, in ihrem Wollen hasenherzige Partei eingetreten: die SPD.
Denis Scheck spricht mit Juli Zeh (ARD – Druckfrisch, 8 Minuten)
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Laurent Binet: Die siebte Sprachfunktion
Kommissar Bayard hat einen neuen Fall. Ein Mann ist von einem Lieferwagen mit bulgarischem Kennzeichen angefahren und lebensbedrohlich verletzt worden. Der Verletzte ist nicht irgendwer, sondern Roland Barthes, der bekannte (?) Wissenschaftler, einer der renommiertesten Poststrukturalisten. Also ein Mordversuch. Barthes soll ein Papier bei sich getragen haben, es soll sich um die rätselhafte 7. Sprachfunktion des Linguisten Roman Jacobson gehndelt haben, aber der Zettel ist weg. Bayard hat von (der) Wissenschaft keine Ahnung und heuert den jungen Studenten Simon Herzog als „Gehilfen“ an. Er soll ihm die Sprache der Strukturalisten übersetzen.
Das Aufklärungsduo erfüllt natürlich alle Klischees des Genres, doch sind die kriminalistischen Ermittlungen randständig, sie legen nur einen gefälligen Faden durch die persönlichen Wirrnisse der Wissenschaft. Immer, wenn sie mögliche Betroffene befragen wollen, ergeben sich skurrile Situationen, in denen die Heroen des Poststrukturalismus an unerwarteten Orten mit ihrer dort funktionslosen Sprache allein gelassen werden. Die Linie führt zu Barthes in die Intensivstation der Klinik, auf Foucault stoßen sie in der Männersauna, zu Umberto Eco fliegen sie nach Bologna, zu John Searle ans Ithaca College, zum Personal gehören auch Philippe Sollers und seine Frau Julia Kristeva, Bernard-Hénri Levy (BHL), Jacques Lacan und ihrer mehr. Im Tross finden sich undurchsichtige Japaner und Bulgaren und die üblichen maghrebinischen Strichjungen. Die Treffen gestaltet Binet als phantasmogorische Kasperltheater mit Drogen-Sex-Strukturalen Delirien, Walpurgisnächte national- und kulturstereotypischer philosophischer Hexenmeister. Die Ermittler werden eingestrudelt, die Frauen erfüllen ihre Rolle.
Auf einmal ist aus dem Krankenzimmer Lärm zu hören. Bayard macht die Tür auf, er sieht Barthes von Krämpfen geschüttelt, er redet im Schlaf, und die Krankenschwester versucht, ihn zu beruhigen. Er spricht davon, wie der Text «bestirnt» wird: «Wie bei einem winzigen Erdstoß werden die Bedeutungsblöcke auseinandergetrieben, von denen die Lektüre nur die Oberfläche wahrnimmt, die unmerklich durch den Fluss der Sätze, durch den geschmeidigen Diskurs des Erzählens, durch das Natürliche der geläufigen Sprache zusammengeschlossen wird.»
Bayard lässt sofort Simon Herzog rufen, damit er ihm das übersetzt. Barthes wird immer unruhiger in seinem Bett. Bayard beugt sich zu ihm und fragt ihn: «Monsieur Barthes, haben Sie Ihren Angreifer gesehen?» Barthes schlägt die Augen auf, packt ihn am Nacken und erklärt mit verrücktem Blick, heftig schnaufend, von Angst zerfressen: «Der Bezugssignifikant wird in eine Folge sich untereinander berührender kurzer Fragmente aufgeteilt, die wir hier, weil es Leseeinheiten sind, Lexien nennen. Diese Aufteilung wird, das muss gesagt werden, eine sehr willkürliche sein. Sie wird methodologisch nichts zu verantworten haben, denn sie betrifft den Signifikanten, während die vorgelegte Analyse sich nur auf das Sgnifikat ausrichtet …» Bayard sieht Herzog fragend an, der zuckt die Achseln. (…) Barthes ist nun am Rand der Hysterie und schreit, als ob es um sein Leben ginge: «Alles ist im Text! Verstehen Sie! Den Text wiederfinden! Die Funktion! Ach, das ist zu dumm!» Dann fällt er zurück in sein Kissen.
Jacques Bayard und Simon Herzog, ein kleines weißes Handtuch um die Lenden gebunden, flanieren durch die Saunadämpfe, zwischen lauter schwitzenden Gestalten, die sich verstohlen berühren. Seinen Dienstausweis hat der Kommissar in der Umkleide gelassen, sie sind inkognito, denn falls sie ihn auftreiben, soll sich der Stricher mit dem Ohrring nicht erschrecken.
Eigentlich geben sie ein ziemlich glaubwürdiges Paar ab: der Ältere breitschultrig, behaarter Oberkörper, der mit inquisitorischem Habitus den Überlegenen gibt, und der schmächtige bartlose Jüngling, der verstohlene Blicke wirft. Simon Herzog, die Karikatur eines verschüchterten Anthropologen, weckt Begehrlichkeiten; die Männer, die ihm begegnen, mustern ihn lang und drehen sich nach ihm um, wenn er vorüber ist. Aber auch Bayard kommt ganz gut an. (…) Hinter Bayard sitzt ein Glatzkopf mit hagerem Körper und quadratischem Unterkiefer, nackt, die Arme über dem Kopf verschränkt auf einer Holzbank, die Beine breit, während ihm ein gertenschlanker Jüngling mit Ohrring, aber kurzem Haar einen bläst. «Haben Sie etwas Interessantes gefunden, Herr Kommissar?», fragt Michel Foucault und mustert Simon Herzog. (…)Bayard: «Ich suche jemanden, der Roland Barthes noch kurz vor seinem Unfall gesehen hat.» Foucault streichelt den Kopf des jungen Mannes, der sich zwischen seinen Beinen zu schaffen macht: «Roland hatte ein Geheimnis, wissen Sie …» Bayard fragt, was für eines. Das Stöhnen in den Backrooms nimmt zu. Foucault erklärt Bayard, dass Barthes die Sexualität abendländisch verstand, also zugleich als etwas Geheimnisvolles und als etwas, dessen Geheimnis man auf die Spur kommen musste. «Roland Barthes», sagt er, «ist das Schaf, das Hirte sein wollte. Das war er! Und wie! Aber für alles andere. Für die Sexualität ist er immer Schaf geblieben.» Tierschreie aus den Backrooms: «Bäh -! Bäh -! Bäh -! Bäh -!»
«Denn die Wunschmaschinen bilden die fundamentale Kategorie der Wunschökonomie, bringen selbsttätig einen organlosen Körper hervor und treffen keine Unterscheidung zwischen ihren eigenen Bestandteilen und den Agenten noch zwischen den Produktionsverhältnissen und ihren eigenen Verhältnissen … » Die Worte von Deleuze durchkreuzen den Geist des jungen Mannes im selben Augenblick, wo sein Körper sich zusammenkrampft, wo Biancas Körper abhebt, bis sie vollkommen erschöpft über ihm zusammensackt und ihr Schweiß sich mit dem seinen vermischt.
Die Leiber entspannen sich in abklingenden Zuckungen.
«So ist die Phantasie niemals individuell, sondern Gruppenphantasie.»
Dem Behandschuhten gelingt es nicht, aufzubrechen. Auch er ist erschöpft, aber es ist keine gute Ermüdung. Er hat Phantomschmerzen in den Fingern.
«Der Schizophrene hält sich an der Grenze des Kapitalismus auf. Er verkörpert dessen entwickelte Tendenz, das Mehrprodukt, den Proletarier und den Würgengel.»
Bianca erklärt Simon den Deleuze’schen Schizo und dreht dabei einen Joint. Draußen singen die ersten Vögel. Die beiden unterhalten sich bis zum Morgengrauen. «Nein, die Massen sind nicht getäuscht worden, sie haben den Faschismus gewünscht – und das heißt es zu erklären.»
Man könnte aus dem Roman auch lernen, denn manches wird erklärt, so auch „die siebte Sprachfunktion? Simon, benebelt, wie er ist, merkt erst gar nicht, dass nicht etwa Bayard, sondern Eco die Frage gestellt hat. Bayard dreht sich zu ihm. Simon nimmt zur Kenntnis, dass Bianca ihn noch immer an der Hand hält. Eco blickt das Mädchen leicht lüstern an. (Alles kommt ihm leicht vor.) Simon versucht sich zu konzentrieren: «Wir haben allen Anlass zu der Annahme, dass Barthes und drei andere Personen wegen eines Schriftstücks umgebracht wurden, das sich auf die siebte Sprachfunktion bezieht.» Simon hört seine eigene Stimme reden und hat dabei den Eindruck, da spreche Bayard.”
Nach Austin ist jedes Sprechen ein Sprechakt, weil es zum einen darin besteht, etwas zu sagen, zum anderen aber auch ein illokutiver oder perlokutiver Akt ist, der über den rein verbalen Austausch hinausgeht, weil er etwas bewirkt, also eine Handlung zur Folge hat.
Es handelt sich um die Fähigkeit bestimmter Aussagen, im Sprechakt selbst das zu realisieren (Eco sagt «aktualisieren»), was sie aussagen. Wenn zum Beispiel der Bürgermeister «Ich erkläre Sie zu rechtmäßig verbundenen Eheleuten» sagt oder wenn der Lehnsherr jemanden adelt mit den Worten «Ich schlage dich zum Ritter» oder wenn der Richter «Ich verurteile Sie» sagt, wenn der Vorsitzende einer Versammlung «Ich erkläre die Versammlung für eröffnet» sagt, ja selbst wenn man jemandem «Ich verspreche es dir» sagt, dann tritt mit dem Aussprechen dieser Sätze bereits das ein, was sie aussagen.
Eco setzt seine Erläuterungen fort: «Also, stellen wir uns einmal vor, die performative Funktion würde sich nicht auf diese wenigen Beispiele beschränken. Stellen wir uns eine Sprachfunktion vor, die sehr viel extensiver irgendjemanden davon überzeugen könnte, irgendetwas in irgendeiner Situation zu tun.»
10 Uhr o6.
«Wer diese Funktion kennt und beherrscht, wäre praktisch der Herr der Welt. Seine Macht wäre grenzenlos. Er könnte sich bei jeder Wahl wählen lassen, könnte die Massen mobilisieren, Revolutionen auslösen, Frauen verführen, jedes beliebige vorstellbare Produkt verkaufen, Imperien errichten, die ganze Welt betrügen, alles bekommen, was er will.»
Binet spielt und führt seine spielerische Kompetenz vor, indem er die Hohlheit der Aussagen verdoppelt, indem er den Figuren die Schauplätze zuweist, indem er die Koinzidenzen verwirbelt. Das Jahr ist 1980: Da kam Barthes ums Leben, da forderte ein Erdbeben in Süditalien fast 3000 Opfer, in Bologna lehrte Umberto Eco und sprengten Faschisten den Bahnhof in die Luft und töteten 85 Menschen. Binets Akteure sind immer mittendrin, was manchmal makaber ist. 1980 befand sich François Mitterrand im Wahlkampf mit Giscard d’Estaing und wird zur Romanfigur:
Giscard verhaspelt sich immer mehr.
Simon zieht sein Resümee: «Mitterrand hat die siebte Sprachfunktion gefunden.» (…)
Simon versteht. Mitterrands Ziel war ein Nahziel: Giscard im TV-Duell zu schlagen.“
Und hier wird’s etwas krude und der Roman entzieht sich selbst sein Fundament und löst sich in Verkrampfungen auf. Die Verknüpfung von Politik und Sprachtheorie ist ein arg oberflächlicher Gag, den Binet auch zu lange am Köcheln hält. Die Rhetorik-Duelle im “Logos-Club” spinnt er aus, wiederholt die Treffen in der Geheimloge mit ihren humorig-blutigen Ritualen, die Lust am Parlieren weitet sich vom Jargon der Linguisten ins Englische und mit Vorliebe ins Italienische. Der Roman strotzt von Anspielungen, Referenzen und Spitzen, alles wird zum Symbol, man überliest viel. Natürlich ist “Die siebte Sprachfunktion” zu lang, aber trotz sich ähnendeln Humormechanismen wiederholt vergnüglich.
Der Roman von Binet ist eine Satire. Man muss nichts von Poststrukturalismus oder Sprachfunktionen wissen, um ihn lesen und verstehen zu können, dass Binet die Philosophen und ihre Sprachperformanzen veruzt. „Binet überzeichnet seine Figuren dabei ins Groteske: Tendenziell taktlos und mit durchaus erfrischender Respektlosigkeit entlarvt er ihre Eitelkeiten, internen Hahnenkämpfe, festgefahrenen Konflikte und unerfüllbaren Geltungsbedürfnisse. Doch vom Grotesken zum Klamauk ist es immer nur ein kurzer Weg, und Binet lässt die Phantasie ein wenig zu oft mit sich durchgehen.“(Patrick Kilian, foucaultblog)
Simon Herzog ist zum Semiotiker avanciert: „Meiner Meinung nach gibt es zwei große Herangehensweisen. Die Semiotik und die Rhetorik, verstehen Sie? (…) Die Semiotik hilft verstehen, analysieren, dekodieren – sie ist defensiv, sie ist Borg. Die Rhetorik ist dazu da, zu überreden, zu überzeugen, zu besiegen – sie ist offensiv, sie ist McEnroe. (…) Die Semiotik ist wie Borg: Es reicht, den Ball ein einziges Mal mehr zurückzuspielen als der Gegner. Die Rhetorik, das sind die Asse, Volleys, Spin- und Longline-Bälle, aber die Semiotik, das sind die Returns, Passierschläge und Lobs“ .
2015 525 Seiten
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Kate Tempest:
Worauf du dich verlassen kannst
South-East-London – „Tempest nimmt uns mit in die Häuser und Herzen der kleinen Leute.“ (Klappentext) Nein, falsch. Becky, Pete, Leon und Harry, das sind nicht die „kleinen“ Leute. Es sind (noch) junge Leute am prekären Rand des Künstler-Seins. Schon das Leben ist eine Kunst. Sie schlagen sich ins Leben, von ihren Eltern ist keine Stütze zu erwarten, der Vater wegen Radikalisierung aus dem Dienst entlassen, die Mutter ins Esoterische entglitten, Patchwork. Irgendwelche Ambitionen verblassen angesichts der Lage ins Nebulöse. Kann man da träumen? Becky und Harry machen ihren Trip durch den Kontinent, England verlassen, „sie gerieten in einen traumverlorenen Zustand. In künftigem Kummer würden sie sich an diese Zeit einmal als die glücklichste ihres Lebens erinnern.” Ansonsten viel Leerlauf, im Leben wie im Roman.
Becky gerät an Pete. Sie ist „Tänzerin“ in der 4. Reihe, massiert Männer für ein paar Pfund, er kriegt sich nicht auf die Reihe, der Staat hat in GB nicht viel übrig für Loser wie ihn. Seine Schwester Harry dealt mit Leon und verliebt sich in Becky. Ein recht kurzgeschlossener Kreis, Heimat ist die Bar, der Club, wo man am Rand der Tanzfläche andere beobachtet, die man selbst sein könnte, die Straße. Was soll aus ihnen werden, wenn sie erwachsen sind? Ist das überhaupt eine Möglichkeit?
Becky tanzt mit Charlotte und Gloria. Pete ist im Keller des Clubs und begutachtet das gelbe Pulver, das Neville gerade einem Teenager abgenommen hat. Leon ist mit einem Mädchen namens Delilah im Bett. Harry sitzt auf ihrer Mauer und trinkt Bier. Alle sind auf der Suche nach ihrem persönlichen Quäntchen Sinn. Nach irgendeiner flüchtigen Vollkommenheit, die ihnen das Gefühl geben könnte, lebendig zu sein. (…) Ihr wurde bewusst, dass das Leben nicht das war, was man daraus machte, sondern das, was man aushielt.
Das könnte eine soziale Frage sein, doch die Verhältnisse blendet Kate Tempest aus, weil sie auch ihre Figuren nicht sehen wollen. Selbstbespiegelungen. Sie interessiert sich für Belastungen und Störungen ihrer schlapp kämpfenden Protagonisten, sie beschreibt, wie Geist und Körper sich deformieren. Oft blicken sie zu Boden, Hände und Füße machen sich selbstständig, Gesten entgleisen. Kate Tempest beobachtet genau, die Schreibe gerät aber in Schleifen. Die Zitate finde ich auf zwei Seiten:
Harry starrt verlegen auf ihre Füße. … Sie wirft einen Blick in Beckys Augen. Fällt hinein, zappelt darin herum, klettert wieder raus…. Harry macht einen krummen Rücken, dann wird es ihr bewusst, und sie richtet sich langsam auf. … Becky lehnt an der Wand und betrachtet ihre neue Freundin eindringlich. Ihre Finger kratzen an dem Mörtel zwischen den Ziegelsteinen hinter ihr, zerreiben die roten Krümel und drücken sie in die Fugen. … Becky beugt sich zu ihr rüber, die Augen groß und rund wie die eines Windhundes. Harry verzieht leicht das Gesicht, ein kleines Zucken der Wange. Ein leichter nervöser Tick, den sie nicht unterdrücken kann und der ihren inneren Aufruhr verrät. …Becky mustert Harrys Profil; ihre Wangenknochen fangen die Wintersonne ein. Harry errötet und blickt weg, die leeren Gleise entlang, sucht in ihren Taschen nach Tabak. Vertieft sich darin, eine Zigarette zu drehen. Spricht in die Ferne. … Sie spricht leise, klangvoll wie Musik, eine rasselnde Sonate. … Becky stellt sich so hin, dass sie Harry direkt anblickt. Das letzte Licht des Abends rinnt aus dem Himmel. Ihre Haut verdunkelt sich mit dem abnehmenden Licht… Becky wendet den Blick nicht von Harrys Gesicht. Ihr Körper ist Asche, Schlamm und Lehm. Alles zittert vor Bedeutsamkeit. Sie will die Hand ausstrecken und Harrys Wange berühren, doch da fährt der Zug ein. … Harry stößt sich von der Wand ab und starrt auf die Schienen hinab. Der Wind schlägt ihr ins Gesicht, sie schließt die Augen, blinzelt in ihn hinein, wiegt den Kopf vor Vergnügen hin und her…. Becky streckt eine Hand nach Harrys Selbstgedrehter aus; Harry gibt sie ihr. Becky zündet sie an. Schaut auf die Gleise, die sich in der Ferne außer Sicht krümmen…. Ihre Wörter klingen wie Streichhölzer, wenn man sie anzündet. Sie schweben brennend und anmutig zu Boden. … Becky lächelt Harry an, sie fühlt sich bloßgestellt.
Was und wie Kate Tempest erzählt, ist abgedroschen, formelhaft. Keine „Feuerwerke“ (Julia Encke), kein „ständig über die Ufer tretender Text“ (Peter Praschl), wie es das Cover hinten insinuiert, eher mäandrierendes Rinnsal, das die 400 (deutschen) Seiten nicht ausfüllt. Kreiselnde Leere, auch Tempests Sprache hält nicht, was mit Verweis auf ihr Erstleben als „Lyrikerin, Spoken Word Artist“ versprochen ist, was der Guardian als „brightest talent around“ annonciert. Der englische Titel heißt „The Bricks that Built the Houses“ und Bricks, Bauklötze sind es auch, mit denen Tempest ihren Roman zusammensetzt. Mag sein, dass sich das gelenkig anhört, wenn man laut liest, so aber wirkt es repetitiv, einfallslos. Die Metaphern fast immer billig und öde, „Beckys Magen presste sich durch ihren Bauchnabel und raste zur Tür.“ Traurige Romantik der zu kurz gekommenen Schickeria. „Es bricht ihr das Herz.“
Früher waren die ärmeren Viertel in Londons Südosten der Humus für Aufruhr und Anarchie; mittlerweile aber ist die Gentrifizierung in vollem Gange, die Stadt verändert sich in dramatischem Tempo. Wer hier lebt und nicht untergehen will, braucht einen Plan. Den hat Harry nicht, aber einen Traum hat sie: Mit dem Drecksgeld aus dem Drogengeschäft will sie einen Ort der Begegnung schaffen, eine Oase für alle, die Ruhe, Halt und «ein bisschen Sinn» suchen.
Pete betrachtet den Himmel; der Mond ist fett und hungrig und gelb glühend an den Rändern. Er ist am Ende und fühlt nichts mehr. Er würde sich gern mit Freunden treffen, aber er hat vergessen, wie das geht.
Er ist aufgeschmissen. All die bitteren Nachmittage, die vergeudeten Gelegenheiten, die ungesagten Dinge. Sie sucht verzweifelt nach so vielem. Unabhängigkeit, Anerkennung, und sie braucht niemanden, der ihr beisteht, und zur Not kommt sie auch ohne Liebe aus. Ständig ist sie in Alarmbereitschaft – Reduzier mich nicht auf das, was du gern hättest. Und wag es ja nicht zu denken, dass ich meine Träume beschneide, nur um dich glücklich zu machen.
So „ist Tempest vor allem die Stimme derer, die schon ganz viele Stimmen haben: aller, die ökonomische Analyse schon längst durch Gastritis ersetzt haben. Denen jedes politische Problem ein „Ich könnte Kotzen“ bei Facebook wert ist, aber keinen Gedanken. Und die noch so frech sind, das für eine politische Äußerung, fürs Gegenteil von Narzissmus und Innerlichkeit zu halten.“ (Lars Weisbrod, Die ZEIT)
2016 400 Seiten
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Jonas Karlsson: Das Zimmer
Witzig und scharfsinnig beschäftigt sich Jonas Karlsson mit der Konformität in der modernen Arbeitswelt und mit der Frage, wie man als kleines Rädchen im großen Getriebe glücklich werden kann. (Klappentext)
Zwei Wochen zuvor hatte ich meine neue Stelle bei der Behörde angetreten und war in vieler Hinsicht noch ein Anfänger. Trotzdem versuchte ich, möglichst wenig zu fragen. Ich wollte schnell einer von den Leuten werden, auf die es ankam.
Bei meiner früheren Arbeitsstelle war ich es gewohnt gewesen, zu den führenden Köpfen gezählt zu werden. Nicht in leitender Position oder auch nur als Vorgesetzter, sondern als jemand, der andere gelegentlich in ihre Schranken wies. Ich war nicht immer beliebt, kein Schmeichler oder Schönwettermacher, aber man betrachtete mich und begegnete mir mit einem gewissen Respekt, vielleicht sogar mit Bewunderung. Einem Hauch von Unterwürfigkeit – wer weiß? Jedenfalls war ich fest entschlossen, an meinem neuen Arbeitsplatz so schnell wie möglich genauso viel Einfluss zu erlangen.
Der Erzähler heißt Björn und erzählt so, dass man sehr bald merkt: Björn ist ein aufgeblasener Unsympath. Gerade richtig für die Team-Arbeit in einem Großraumbüro. Er bringt nichts auf die Reihe, aber alle Kolleg(inn)en gegen sich auf. Der Angelpunkt in Jonas Karlssons kleinem Roman: Björn entdeckt an seinem Arbeitsplatz „Das Zimmer“, das keiner außer ihm kennt oder auch nur sieht und das es nach den Plänen des Büros gar nicht geben kann.
Das ist Stoff für eine Parabel. Das Zimmer könnte als privater Gegen- oder Rückzugsraum für die „moderne Arbeitswelt“ herhalten. Aber das bleibt im Buch als bloße Behauptung des Protagonisten Björn stehen. Karlsson umeiert dieses Motiv in simpler Sprache und spiegelt damit die Gedanken des Simpels Björn. Ich werde die Geschichte vom Undercover-Raum so schnell leid wie micht Björn nervt, mir erschließt sich keine Symbolik, ich sehe keinen „modernen Mensch im Hamsterrad und seine Suche nach Glück“ (Klappentext). Björn ist der, der seine Kollegen mobbt und sie und den Leser quält, „Glück“ sucht er nicht und hat der Depp auch nicht verdient, was er machen möchte, ist: Karriere. Hybris. “Lange nicht mehr wurde die Absurdität der scheinbar normalen Arbeitswelt so treffend eingefangen“, schreibt Anne-Dore Krohn vom kulturradio. Nein, das ist allenfalls Mittelstufenschreibe, der Kampf um den Platz fürs Schulmäppchen. „Liest sich, als wäre Kafka in der Postmoderne auferstanden und hätte einen schwedischen Krimi geschrieben.“ (Konstantin Ulmer/ZEIT ONLINE) Ich kenne Konstantin Ulmer nicht. Er scheint sich sein Leben in der Postmoderne eingerichtet zu haben. Der Hinweis auf Kafka ist borniert.
Philipp Tingler (SF-Literaturclub) überhöht das Motiv ins Tragische, er erkennt gar Dostojewskihafte Figuren. „Am gelungensten ist, wie es der Autor schafft, dass wir uns widerwillig mit diesem Björn identifizieren.“ Ich sehe nur Gründe, weshalb ich das nicht tue. Es geht Karlsson auch nicht um die „Umzumutbarkeit unserer Arbeitswelt“, wie das Elke Heidenreich „lange nicht mehr gelesen“ hat. Björn bildet sich ein Zimmer ein und der Leser verweifelt, weil er nicht erfährt, ob das Lug oder Trug ist. Es ist egal!
In manchen Büchern finde ich viel zu zitieren – ein Qualitäts-Indiz, bei Karlsson entdecke ich nichts, was jenseits der kargen Handlung von Interesse wäre. Tingler liest die Sprache als „sehr dicht“. Ich versteh das nicht.
Da Karlsson Schauspieler ist, kann befürchtet werden, dass „Das Zimmer“ bald auf der Bühne auftauchen wird.
Angemessene youtube-Rezension aus Mel´s postmoderner Bücherwelt
Diskussion im SF-Literaturclub (15 Minuten)
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