A Casa Nostra –
Junge italienische Literatur
“Diese Anthologie italienischer Autoren unter vierzig ist der Versuch, eine Aufbruchsstimmung abzubilden, die sich freilich – wie alle Bewegungen – schwer fassen lässt.” (Paola Gallo & Dalia Oggero im Vorwort). Ich habe diese Stimmung nicht gefunden. Die Geschichten beschäftigen sich mit dem Alltag, das schon, aber dieser Alltag ist geprägt von Unverstehen, Trostlosigkeiten, Verteidigung des Wenigen, was man hat. Wenn man weggeht oder weggehen muss, dann in eine Zukunft, die nicht weiter führt. Die Fantasien sind bescheiden und erschöpfen sich im Diebstahl, dem Gewinn in der Fernsehshow, dem Erhalt des Partners oder des Kühlschranks. Aber das kann ja auch ein Fortschritt sein: “Diese jungen italienischen Autoren (…) können nun wieder über die Provinz sprechen, ohne sich provinziell zu fühlen, können wieder dialektale Formen benutzen, ohne dabei in Exotismus und Folklore zu verfallen. Sie können Geschichten aus einem prekären Leben erzählen, über Differenzen, Krankheit und Abweichung von der Norm, über Krieg, Einsamkeit oder Liebe.” (Vorwort)
“Die Texte – so unterschiedlich sie stilistisch und literarisch sind – zeigen ein vielschichtiges, gegenwärtiges Italien mit seinen jüngeren historischen Wurzeln, sie bieten Einblicke in alle sozialen Schichten, von den jugendlichen Kleinkriminellen der Betonschlafstädte bis in die gutbürgerlichen Familien, aber auch in die Widersprüchlichkeit der Regionen, von den piemontesischen Bergen bis nach Sardinien und Neapel. Sie sind – vielleicht gerade wegen der gesellschaftlichen Situation Italiens – viel politischer, als sie noch vor einigen Jahren waren.” (Susanne Schüssler, Verlagsnotiz) “Allerdings muss man mit wachem Auge das Politische dort sehen, wo man es vielleicht nicht erwartet und keine ‘Rebellionsrhetorik’ darauf hinweist“ (Jutta Person,SZ). “Sie sind – was vielleicht nur das fremde Auge wahrnimmt – sehr »italienisch«. (Vorwort) Auch das finde ich nicht. Sie sind internationaler geworden, weil die Probleme am Rande der “guten” Gesellschaft und das Leiden daran sich – zumindest – europäisiert haben.
Italien als “gelähmte Demokratie” (Nicola Lagioia) scheint auch noch eine Weile zu brauchen, bis sich der Aufbruch literarisch spürbar macht, Wut zeigt, der über den Warteraum des Lebens hinausweist.
“Wir sind also nicht nur Zeugen einer ständigen Hybridisierung und Verschmelzung der Formen, sondern auch des Versuchs, die Trennung abzuschaffen zwischen Schriftstellern, die den Schwerpunkt auf den Stil oder auf die Handlung legen. Was ist Stil und wo ist er? Eine gute und uralte Frage mit immer wieder neuen Antworten. Gibt es Stil nicht auch in den besten Reportagen und erzählenden Sachbüchern?” (Vorwort) Das klingt hilflos. So schlecht sind manche der Geschichten ja gar nicht.
Autoren: Silvia Avallone, Andrea Bajani, Caterina Bonvicini, Ascanio Celestini, Paolo Cognetti, Beppe Fiore, Paolo Giordano, Nicola Lagioia, Antonella Lattanzi, Davide Longo, Marco Malwaldi, Rossella Milone, Michela Murgia, Valeria Parrella, Gabriele Pedullà, Alessandro Piperno, Gaia Rayneri, Elisa Ruotolo, Roberto Saviano und Giulia Villoresi.
2011 200 Seiten
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