Nachrichten vom Höllenhund


Der rote Löwe
29. April 2018, 18:24
Filed under: Theater

Patrick Marber: Der rote Löwe
Inszenierung: Jens Poth

Als das Saallicht erlöscht, sitzen wir in der Umkleide des FC Somewhere, der Red Lions. Recht eng ist’s hier, Johnny bügelt mit inbrünstiger Geduld die Leiberln der Spieler. Nein, er bügelt die Vereinsabzeichen an den Trikots. Das hat fürs Theater den Vorteil, dass es schneller geht, das zeigt aber auch, wo Johnny Yates’ Nabel der Welt liegt: im Fußball-Club – wir sind in England, könnten aber auch beim TSV Herrmannswald sein -, der Ball ist bloß Symbol, das Geld ist der Omphalos. Johnny ist eine Legende, mehr noch in seiner Erinnerung als in der des Clubs, er weckte viele Erwartungen, fiel tief, im Verein und privat, jetzt wartet er in den Katakomben auf nichts mehr. Da schneit Jordan herein.

redlion1Er ist 16 und ein Talent. Er mag nur spielen. („Er will Ballspiel und wird Spielball.“ schreibt Dieter Stoll, die deutsche bühne) Johnny fühlt sich an sich erinnert, kann er da seine so hoffnungsvoll verkorkste Karriere in Jordan neu installieren? Er bestärkt den Jungen in seiner reinen Liebe zum Fußball, er bestärkt Johnny in seiner naiven Rechtschaffenheit, er massiert ihm die Muskeln. Alles Chimären. Patrick Harber gönnt uns den „ganz großen Traum“ nicht. Der Spoiler tritt ein in Gestalt des Trainers: Jimmy Kidd. Glatt, klamm, sein prollig-glamouröser Anzug als rote Kompensation mangelnder Substanz. Fast könnte er einen dauern,der abgebrannte Zyniker auf der Jagd nach dem „Deal“. Der rote Löwe. Das Stück kommt zu seinem Thema.

Wenn Jordan fleißig Finten und Schwalben trainert, schlägt das auf den Trainer zurück, denn nur wenn ein größerer Verein Interesse am Talent findet, klingelt’s auch bei Kidd im Beutel. Jordan aber lehnt Schwalben ab, aus vollem Herzen, unverstandener Religiosität und weil ihn der alte Zeugwart darin bestätigt. Es leben die Gespinste der redlion2alten Zeit, Pfui über die Raffgier der neuen. Jordan unterschreibt nicht mal einen Vertrag bei den roten Löwen, wie soll man ihn da verkaufen?

Trainer und Clublegende kämpfen sich aneinander ab, bis sich herausstellt, dass auch die Motive des Hoffnungsträgers nicht lauter sind. Das Triple des Win-Win-Win platzt, der Vorstand, der im Unsichtbaren bleibt, reagiert. Das Spiel ist zu Ende. Das Stück ist eine Psychosozialstudie über menschliche Unzulänglichkeiten, Fußball ist nur der Aufhänger, Bildhintergrund. Die Kommerzialisierung kann man mitdenken, denn man weiß darüber Bescheid, schon vor dem Theaterbesuch. Die Summen, um die bei den Roten Löwen gerungen wird, sind dürftig im Vergleich zu den aktuellen Dimensionen: Was sind 700 Pfund gegen die 222 Millionen für Neymar. Man sieht des dem Stück nicht an, dass es Marber erst 2015 geschrieben hat. Es wirkt zu bieder, unbrisant, ohne Ecken, dieSpitzen verknuffen sich im Rivalengeplänkel.

Dass die Regensburger Schauspieler gut sind, ist man gewohnt. Gerhard Hermann sehe ich am liebsten in Rollen mit für die Welt zu kleinen, abr privatpersönlich großen Fallhöhen. („Big Daddy“ steht ihm weniger.) Als Zeugwart wird er neugelockt. Trainer Frerk Brockmeyer tauscht im Verlauf des Abends den Leuchtanzug seiner zynischen Selbstüberschätzung gegen die Trainingsklamotten des Gescheiterten, Adiletten  incl., was ihn wieder ein wenig sympathischer macht. Im Theater gibt es keine adoleszenten Darsteller und so redet man Gastspieler Roman Mucha auf 16 herunter – und man glaubt ihm das auch. An den Personen liegts nicht, dass der Spielbetrieb nicht mitreißt.

Der „Rasen“, auf den der Zeugwart die gebügelten Leiberl drapiert, steigt so steil an, dass darunter eine Krypta passt, in die er durch einen Deckel hinabsteigen kann in die Abgründe, die jeder Fußballplatz aufweist. Lustig, wie Johnnny Hermann mit dem Oberkörper feststeckt – ich denke an seine Partnerin Franziska Sörensen in „Glückliche Tage“. Das beste am ganzen Stück, das sind die „Pausen“ zwischen den drei Akten, da kommt etwas Schwung ins Spiel, da gibts Fakten und – maßvoll – Ketzerisches und da bringen die Verhältnisse auch die Darsteller zum Tanzen. Aber sind die gut gefüllten Zwischenspiele auch von Patrick Marber?

Theater Regensburg – Aufführung am 24. April 2018

Fotos: Jochen Klenk


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