Nachrichten vom Höllenhund


McCabe
7. November 2011, 19:30
Filed under: - Belletristik | Schlagwörter:

Eugene McCabe: Tod und Nachtigallen

 Kaum ein Vogelruf, eine Ahnung tastenden Lichts und dann, aus der Ferne, im Morgengrauen das entsetzliche Gebrüll eines Tieres, das große Schmerzen leidet. Eine Weile verstummte alles, als lauschten die Vögel und die Geschöpfe in den Gräben, aus Ehrerbietung vor dem nahenden Tod.

Die Leute leben auf dem Land. Torfmoore, Steinbrüche, Felder und Hecken, Glyzinien und Mädesüß, Seen, Hohlwege, das Meer in denkbarer Ferne. Nordirland. Das Leben klebt auf der Erde, dort kennt man sich aus, dort will man nicht zuhaus sein. Aber man kommt nicht weg.

Beth ist die Tochter von Billy Winters, nicht seine leibliche, die Frau hat sie in die Ehe geschmuggelt. Man lebt in Hassliebe. Billy gibt Beth unväterliche Küsse, Beth versorgt Billy und sein Anwesen. Sie haben sich arrangiert, sie bleiben unzufrieden.

 Als Mercy ans Fenster ging, um hinauszusehen, löste ein kleiner Windstoß Tausende Blüten von den Buchen, ein braunes Gestöber, das lautlos gegen Ziegel, Fenster und Wände taumelte und dann auf das Gewirr von Glyzinien herab sank, die längs am Haus wuchsen.
»O Gott! Schauen Sie nur, Miss, könnte es etwas Schöneres geben?«
Beth blickte hinaus.
»Es ist wie im Himmel«, fügte Mercy hinzu.
Die beiden Frauen starrten auf den rehbraunen Blüten Schnee vor dem Grün der Buchenblätter und dem Marineblau des Himmels, bis Beth fragte:
»Und wo ist dann die Hölle?«
»Der Gestank von Porter und schmutzigen Socken in Mickey Dolphins Zimmer. Gott weiß, wann der Kerl sich zum letzten Mal gewaschen hat … Männer sind schmutzige, schlampige Teufel.«
Mercy drehte sich um und sah in Beths lächelndes Gesicht.

Eugene McCabe erzählt vom 3. Mai 1882, dem 25. Geburtstag von Beth, und von der darauffolgenden Nacht. Beth hat nichts zu lachen, ihr Leben verspricht nicht viel, sie ist froh, wenn die Männer nicht zu betrunken sind. Bis sie in der Nacht die Möglichkeit des Ausbruchs sieht, erhofft. Die Flucht mit dem zwielichtigen Liam Ward, ein Getriebener auch er, weg von Irland, mit dem gestohlenen Gold von Billy.

Der Roman findet ein überraschendes Ende, glücklich wird es nicht sein. Das karge Leben lässt kaum Träume zu und hat für Frauen nicht einmal die Belustigungen, das Saufen und das Toben. Sie sind wohl dennoch die stärkeren. McCabe erzählt einfühlsam, drückt die Sorgen der Menschen besser aus als diese selbst sie kennen. Er gibt keinem die Schuld, nicht Billy, nicht Beth. Die Personen können nicht gut sein, sie leiden selbst an ihrer Brutalität. “Das alles war zu unglaublich, um es wirklich zu begreifen.” Es gibt nur Abgründe, im Leben, in der Landschaft, im Land. Hintergrund ist das arme, politisch und religiös gespaltene Irland des 19. Jahrhunderts, das sich nur durch Fluchen und Fluchtgedanken aushalten lässt.

 Beth legte unter den Decken die Hände auf ihren Bauch, lehnte sich zurück und drehte das Gesicht zur Wand. Als er das sah, fragte er:
»Hast du Schmerzen … bist du krank, Beth?«
»Sterbenskrank, Mr Winters … krank zum Tod.«

1992         300 Seiten

John Keats: Ode to a Nightingale

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