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Yael Ronen: #Genesis. A Starting Point
Inszenierung: Yael Ronen
Es hätte so schön sein können. Gott (♂ ) hat die Welt erschaffen, mitsamt allem was drauf ist, in sechs Tagen. Am siebenten musste/durfte er ruhen, am daraufffolgenden war ihm auch das zuviel. Denn Gott braucht keine Pause, auch wenn das Erschaffen durchaus Mühe macht: die Vulkane kontrollieren, die Atmosphäre im Gleichgewicht halten, den Kreislauf des Wassers regilieren. Aber Gott ist Gott, das heißt, perfekt, umfassend, vollkommen, alles in einem und alle(s) selbst, in sich selbst gerundet. (Die perfekte Besetzung: Samouil Stoyanow). Aber:
Es hätte so kommen sollen und können, wie Gott (♂ ) es sich gewünscht und vorgestellt hatte: ein Schöpfung voller Harmonie. Doch da macht Gott, der Allwissende, einen Fehler. Er hat in seinen Schöpfungsplan auch Ebenbilder seiner selbst eingefügt. Wir Menschen nennen sie Menschen. Gott wollte, dass da jemand wäre, der seine Schöpfung anerkennt, ja, ihn, Gott (♂) liebt. (Eine sowas von absurde Idee im Mythos!) Zum Lieben kann man indes keinen zwingen, dazu bedarf es eines „freien Willens“. Das Schlamassel nimmt seinen Lauf.
Die Menschen, von denen es aus – für die Menschen – unerfindlichem Grund ♂ und ♀ gibt, sezieren seinen Plan, sein Vorgehen, ihn selbst. (Hat er eine Partnerin, eine Urmutter, eine Göttin verschwiegen?) Sie werfen ihm ihr Unvollkommensein vor (Das soll ein Ebenbild sein!?), hadern mit ihren dicken Ärschen und kleinen Brüsten. Kain, der Brudermörder, tritt auf (Jeff Wilbusch) und sucht sich zu entlasten, indem er sich als erstes Kind mit Migrationshintergrund – aus dem Paradies – bezeichnet, Lilith fühlt sich in der Genesis übergangen und zeiht Gott der Genderüberheblichkeit. Ich bin eine Frau und Adam hat mich nur deshalb rausgeworfen, weil ich immer oben sitzen wollte. Taff, mit rotem Haar und losem Mund: Zeynep Bozbay. Gott sei, ja was, ein piece of shit. Eva Wiebke Puls wird zunehmend zänkisch. Adam hat keine Chance, auch wenn er mit hübschblonder Langhaarperücke allerliebst aussieht. Damian Rebgetz darf Englisch sprechen. – Stopp!
Aller Anfang ist voller Widersprüche und Sophismen. Yael Ronen lässt die Kammerspieler damit spielen. Zeynep Bozbay, Daniel Lommatzsch, Wiebke Puls, Damian Rebgetz, Samouil Stoyanov, Jeff Wilbusch drapieren sich immer wieder auf auf die Drehbühne, eine Art langsames Teufelsrad, und räkeln sich in die projizierten Großformate alter Meister, die sich in einem „Spiegel“ über den Köpfen mit den Darstellern vereinen. Krabblende Schauspielspermien in den beeindrückenden Bildern Michelangelos. Dazwischen sieht man Spermien-Choreos, gleißende Lichter, wabernde Wolken, pathetisch und doch in schönem Kontrast zum kabarettistischen Spiel auf Erden. Die Repatriierung Gottes in die Kleine Menschen-Welt. Die Frage, wie sich das Universum, wie sich seine Deutung in den Genen und der Fürsorge der Menschen manifestiert. „Sechs Personen suchen einen Gott und stoßen dabei immer wieder auf sich selbst. Oder umgekehrt.“ (Sven Ricklefs, BR) Die hohen Fragen werden nicht gestellt, sie lassen sich sowieso nur in Erzählungen oder skalierter Ironie beantworten. Direkt aktuell ist da nichts, aber schön anzuschauen, auch manch schöne Pointe.
Gestreift werden Schöpfungsmythen anderer Völker, etwa von Japanern, Ägyptern, die uns Westlern merkwürdig und fremd erscheinen, die im Theater der Schaulust dienen: Bunte Überwürfe und gehörnte Götter kontrastieren mit den fleischfarbenen Nackt-Suits des westlichen Relgionskreises, wobei auch manch schöner oder naturbelassener Körperteil unverhüllt bleibt. Wir sind ja nicht weit vom Paradies entfernt und träumen uns frustriert immer noch dahin. Meist zurück.
Die „Performance“ klingt bezaubernd aus. Zur leisen Dylan-Melodie erzählen die Darsteller von ihrer Beziehung zu Gott & Vater. Es ist ruhig im Saal, ernsthaft, und dann singen sie „Knockin’ on Heaven’s Door“ – und der beleibte Gott trommelt dazu auf der Cajon-Box.
So schön hätte es sein können. Dann wird es dunkel. Spontaner, ehrlicher eifall der anwesenden Zuschauer. (Bei der Premiere soll es „heftige Buhs“ für Yael Ronen gegeben haben. Man sagt mir nicht, warum.)
P.S. Noch bevor sich die Himmelstür ins ruinierte Elysium auftut, erscheinen die Darsteller auf der Bühne, noch in schrägen Alltagsklamotten, und Damian Rebgetz schlüpft in Matthias Lilienthal und hält eine ans Publikum adressierte Rede auf seinen Abschied aus München. Da er die Rede auf Englisch hält (stückweis übersetzt von Wiebke Puls), bin ich leicht verwirrt und denke zunächst, Rebgetz meint sich. Die Rede hat aber nichts mit der folgenden #Genesis zu tun. (Oder?)
Münchner Kammerspiele – Aufführung am 11. Oktober 2019
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